FUSSNOTEN

  1. Rürup Reinhard (Hrsg.), Historische Sozialwissenschaft, Beiträge zur Einführung in die Forschungspraxis, Göttingen 1977, S. 6.
  2. Imhof Arthur [1977a], Einführung in die historische Demographie, München 1977, S. 10.
  3. Chaunu Pierre, Les élémentes de longue durée dans la société et la civilisation du XVIIe siècle. La démographie. In: Revue XVIIe siècle 106-107, 1975, S. 22, zitiert in: Imhof [1977a], S. 12.
  4. Wenn im Folgenden immer wieder vom "Kanton Bern" die Rede sein wird, ist - wenn nicht anders vermerkt wird - das Gebiet des Kantons in den Grenzen von 1980 zu verstehen.
  5. Hopkins Donald, Princes and peasants, smallpox in history, Chicago 1983, S. 41.
  6. Diese Hypothese konnte 1990 in einer Seminararbeit, die am Historischen Institut der Universität Bern verfasst wurde, falsifiziert werden (vgl. Siffert Erich, Internierung der Bourbakiarmee und Pockenseuche im Kanton Bern 1870 bis 1872, Bern 1990 (unveröffentlichte Seminararbeit)).
  7. Dabei handelt es sich vorwiegend um narrative Quellen aus dem Staatsarchiv Bern und Bestände aus der Datenbank BERNHIST: Pfister Christian und Schüle Hannes (Hrsg.) [Datenedition BERNHIST], Datenedition historisch-geographisches Informationssystem BERNHIST, Bern 1990 ff.
  8. So wurde versucht, mit folgenden Methoden Rückschlüsse auf das Auftreten der Pocken im 18. Jahrhundert zu ziehen: Einerseits wurde ein sogenannter "Krisenindex" (nach: Dupâquier Jacques, Histoire de la population francaise, Paris 1988, S. 177 f.) berechnet, um dann mit dem erhaltenen Resultat auf mögliche Pockenepidemien zu schliessen. Andererseits wurde auch für Genf (wo die Pocken ausserordentlich gut erfasst worden sind) diesen Krisenindex berechnet und im Vergleich des Verlaufs der Kurven von Bern und Genf wurde versucht, Pockenseuchen zu erkennen (in der Hoffnung, dass die relative geographische Nähe der beiden Kantone ausreichend war). Diese Resultate wurden immer wieder auch mit dem Material der Datenedition BERNHIST und mit Quellentexten aus dem Staatsarchiv verglichen. Konnten die Aussagen der verschiedenen Quellenformen in Einklang gebracht und Widersprüche ausgeschaltet werden, liess sich so eine Aussage machen, welche den wirklichen Verhältnissen trotz der gemachten Einschränkungen sehr nahe kommen sollte.
  9. Fenner Frank (Hrsg.) [WHO], Smallpox and its eradication, Genf 1988.
  10. Hopkins, Vorwort.
  11. ebd., S. 32 und S. 41.
  12. Carmichael Ann G., Smallpox in Europe before the seventeenth century: virulent killer or benign disease?, in: Journal of the history of medicine and allied sciences, Vol. 42, 1987.
  13. Die Letalitätsziffer ist ein Mass dafür, wie häufig die an einer bestimmten Krankheit C leidenden Menschen an dieser Ursache sterben: die während einer Periode an Ursache C Gestorbenen werden zu 10'000 (oder auch 1000) an Ursache C Erkrankten dieser Periode in Beziehung gesetzt. Altersspezifisch: die während einer Periode an Ursache C Gestorbenen im Alter X werden zu 10'000 (oder auch 1000) an Ursache C Erkrankten dieser Periode in Beziehung gesetzt (Hauser Jürg, Bevölkerungslehre, Bern 1982, S. 81).
  14. Carmichael, S. 154.
    Als Sekundärliteratur dieser Art versteht sie etwa Hopkins und Razzell Peter [1997a], The conquest of smallpox: the impact of inoculation on smallpox mortality in 18. century britain, Sussex 1977
  15. Smith J. R., The speckled monster, Chelmsford 1987.
  16. ebd., S. 62 ff.
  17. ebd., S. 16.
  18. Perrenoud Alfred, Contribution à l'histoire cyclique des maladies. Deux siècles de variole à Genève (1580-1810), in: Mensch und Gesundheit in der Geschichte, Husum 1980, S. 175 - 198.
  19. "Pockenmortalität": todesursachenspezifische Sterbeziffer. Die (alters- und geschlechtsspezifische) Todesursachenziffer bezieht die während einer Periode an Ursache C Gestorbenen (im Alter X) auf 10'000 Personen der mittleren Bevölkerung (im Alter X) dieser Periode (Hauser, S. 80 f.).
  20. ebd., S. 183.
  21. ebd., S. 186 ff.
  22. vgl. dazu Carmichael, S. 161 und Fussnote 358.
  23. Turpeinen Oiva, Die Sterblichkeit an Pocken, Masern und Keuchhusten in Finnland in den Jahren 1751 bis 1865, in: Imhof Arthur (Hrsg.) [1980], Mensch und Gesundheit in der Geschichte, Husum 1980, S. 135 - 162.
  24. Lindskog Bengt, Mortalitätsanalyse einer südschwedischen Bevölkerung 1749-1818, in: Mensch und Gesundheit in der Geschichte, Husum 1980, S. 163 - 174.
  25. bspw. Ackerknecht Erwin [1963], Geschichte und Geographie der wichtigsten Krankheiten, Zürich 1963; Hitzig Walter, Seuchen in neuer und alter Zeit, Zürich 1987; Kollath Werner, Die Epidemien in der Geschichte der Menschheit, Wiesbaden 1951; McNeill Williams, Seuchen machen Geschichte. Geisseln der Völker, München 1978; Ruffié Jacques, Sournia Jean-Charles, Die Seuchen in der Geschichte der Menschheit, Stuttgart 1987; Vasold Manfred, Pest, Not und schwere Plagen, München 1991; Sagan Leonhard, Die Gesundheit der Nationen, Hamburg 1992.
  26. Zu nennen sind hier: Imhof Arthur [1981], Die gewonnenen Jahre. Von der Zunahme unserer Lebensspanne seit dreihundert Jahren oder von der Notwendigkeit einer neuen Einstellung zu Leben und Sterben, München 1981 und ders. [1977a], Einführung in die historische Demographie, München 1977.
  27. bspw. Norden Wilhelm, Eine Bevölkerung in der Krise. Historisch-demographische Untersuchungen zur Biographie einer norddeutschen Küstenregion (Butjadingen 1600 - 1850), Hildesheim 1984; Ruesch Hanspeter, Lebensverhältnisse in einem frühen schweizerischen Industriegebiet, Basel 1979; Schelbert Urspeter, Bevölkerungsgeschichte der Schwyzer Pfarreien Freienbach und Wollerau im 18. Jahrhundert, Zürich 1989; Sorgésa Beatrice, Contribution à l'étude de l'évolution des structures familiales de l'époque protoindustrielle à l'ere industrielle (Fleurier 1727 - 1914), Diss. phil. (Typoskript), Neuchâtel 1991.
  28. Rödel Walter, Mainz und seine Bevölkerung im 17. und 18. Jahrhundert, Demographische Entwicklung, Lebensverhältnisse und soziale Strukturen in einer geistlichen Residenzstadt, Stuttgart 1985, S. 10 ff. und S. 213 ff.
  29. Oder auch "Inokulation", "Einpfropfung der Pocken" oder "Schutzblattern" genannt.
    Dabei handelt es sich um eine Frühform der späteren Schutzimpfung, die ab 1721 in Europa bekannt war: Die zu impfende Person wurde bei diesem Verfahren mit menschlichem Pockenstoff (Eiter aus einer Blase oder angetrocknete Pockenkrusten) über eine Hautläsion mit den Pocken infiziert. Man hatte die Hoffnung, dadurch die unvermeidlich erscheinende Krankheit in selbstgewählter Zeit in milderer Form zu erleiden (vgl. Kap. 3.2.).
    Nicht zu Verwechseln sind die zwei Methoden der Variolation und der Schutzpockenimpfung (oder Vaccination bzw. Vakkzination). Die Schutzpockenimpfung wurde 1796 von Jenner entdeckt und wurde im Gegensatz zur Variolation mit tierischem Material (welches von Kühen stammte, die an den Eutern an Kuhpocken leiden konnten) durchgeführt und verlief im Gegensatz zur älteren Methode in der Regel sehr mild (vgl. Kap. 3.3.).
  30. Klebs Arnold, Die Variolation im 18. Jahrhundert. Ein historischer Beitrag zur Immunitätsforschung, Giessen 1914, S. 33
  31. Reust Elisabeth, Die Säuglings- und Kindersterblichkeit in der Stadt Bern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (1750 - 1780), Lic. phil., Bern 1980, S. 8 f.
  32. Datenedition BERNHIST.
  33. So liegen von 1728 bis 1803 nur 69 Angaben über das Auftreten von Pocken in den bernischen Kirchgemeinden vor. Ausser zwei Eintragungen von 1746 und 1752 datieren alle aus der Zeit von 1770 bis 1803, wobei alleine 40 Vermerke zwischen 1790 und 1803 gemacht wurden. Zudem liegen vielfach nur Angaben wie "Pocken", "Blattern", "Kindsblattern", "viele Kinder an Pocken" etc. vor, ohne die Anzahl der Betroffenen oder Verstorbenen genau zu beziffern.
  34. Rödel, S. 213.
  35. Reust, S. 77.
  36. Rödel, S. 15.
  37. Unter dem Begriff "Erfassungsfehler" sind Zählauslassungen oder Doppelzählungen zu verstehen, wobei normalerweise die ersteren die letzteren bei weitem überwiegen. Solche Erhebungsfehler beruhen z.B. bei einer Volkszählung darauf, dass entweder nicht alle Haushalte erfasst oder nicht alle Haushaltmitglieder gezählt werden. Ein recht typischer Fehler ist das Nichtzählen von Kindern und Frauen. Trotz verschiedener Ansätze gibt es noch keine perfekte und befriedigende Methode, diese Fehler festzustellen und zu messen, noch weniger gibt es perfekte Methoden, solche Fehler zu korrigieren (Hauser, S. 53). Bei Zählungen von Kranken beim Auftreten einer bestimmten epidemischen Krankheit können "Erfassungsfehler", die in diesem Fall wohl ausschliesslich auf Zählauslassungen zurückzuführen sind, folgendermassen entstehen: Die zuständigen Aerzte führen ihre Kontrollen nicht oder nur ungenügend. Viele Kranke entgehen weiter einer Registrierung, da sie (z.T. auch aus Kostengründen) nie einen Arzt konsultierten.
  38. StAB A 1, 470, Bd. 16 (P.B. 16, 426), 21. März 1777. Im "Instructionen-Buch des Santitätsrats, enthaltend die behördlichen Erlasse auf dem ganzen Gebiete des Sanitätswesens" (StAB B XI 9) war diese Anweisung ebenfalls niedergeschrieben.
  39. StAB A 1, 507, Bd. 27 (M.B. 27,15), 14. April 1777.
  40. StAB B XI 160.
  41. StAB IV 58, 1785.
  42. StAB B XI 318.
  43. StAB B XI 175.
  44. StAB B XI 176.
  45. Unter dem Grobbegriff "Ruhr" werden verschiedene Infektionskrankheiten des Verdauungsapparates mit bestimmten klinischen Symptomen und Verläufen zusammengefasst.
    Verschafft man sich einen Ueberblick über die Fülle der die Ruhr betreffenden Bestände im Staatsarchiv des Kantons Bern, kann der bei Pfister (Pfister Christian [1989], Der Rote Tod im Kanton Bern, Demographische Auswirkungen und sozio-hygienisches Umfeld von Ruhrepidemien im 18. und 19. Jahrhundert unter dem Einfluss einer umweltorientierten Medizin, in: 'Medizin' für die Medizin; Arzt und Aerztin zwischen Wissenschaft und Praxis, Basel 1989, S. 345) wiedergegebenen Ansicht, dass die Ruhr in Westeuropa zwischen 1500 und 1800 mehr Opfer gekostet habe als die Pest oder die Pocken, zugestimmt werden.
  46. Da die Krankheiten im 18. Jahrhundert nicht nach den verschiedenen Ursachen eingeteilt wurden, sondern nach ihren Symptomen, kam es zur Unterscheidung mehrerer Fieberarten. Eine Diagnose nach heutigen Begriffen ist dabei nur selten möglich, da es zwischen dem damaligen nosologischen (systematische Bezeichnung und Beschreibung der äusseren Symptome) und dem heutigen ätiologischen Bezugssystem keine gemeinsame logische Basis gibt.
  47. 1720/21: Pest in Marseille (Frankreich);
    1740: Pest in Siebenbürgen (Ungarn);
    1765 bis 1768: Pest und Fleckfieber in Bosnien, auf dem Orient, in Albanien, Dalmatien, Toskana, Tripolis, Marseille und Salzburg;
    1770: Pest in Podolien und der Walachei;
    1770 bis 1772: Pest in Polen;
    1771 bis 1772: Pest in Moskau;
    1781 bis 1785: Pest in Dalmatien;
    1781 bis 1786: Pest unter anderem in Genua und Marseille.
    (vgl. "Inventar über die Archivabteilung: Register über das Sanitätswesen bis 1831" des StAB).
  48. StAB B XI 116 und 117, von 1744 bis 1769 bzw. 1756 bis 1774.
  49. StAB B XI 316, von etwa 1795 bis 1803.
    Ausführlich berichtet wird hier und unter der Signatur StAB B XI 317 vor allem über eine Epidemie der Roten Ruhr von 1795/96 im Kanton Bern.
  50. Dabei handelt es sich um über hundert handschriftliche Bände, welche im Zeitraum von Oktober 1709 bis ins Jahr 1830 verfasst wurden und im Staatsarchiv Bern eingelagert sind.
    Reust, welche für ihre Arbeit diese Bestände durchgesehen hatte, schreibt, sie habe diese Manuale in der Hoffnung beigezogen, einiges über Krisenjahre und Epidemien zu erfahren. Die Ausbeute sei jedoch in Anbetracht der durchgesehenen Aktenfülle sehr gering gewesen (Reust, S. 8). Bezüglich der Pocken wurde sie in diesen Dokumenten ebenfalls nur im Zusammenhang mit der Einführung der Impfung fündig (ebd., S. 85).
  51. StAB B XI 103 und 104.
  52. StAB B XI 1 (1667 bis 1746), 2 (1748 bis 1771) und 3 (1771 bis 1788).
  53. StAB B XI 127, von 1709 bis 1742.
  54. BA B 1135 e und 1135 f.
    Die einzige Tabelle, welche überliefert worden ist, ist diejenige des Kantons Oberland. Von den anderen Kantonen ist - wenn überhaupt - lediglich die Korrespondenz erhalten geblieben, die in den meisten Fällen zum Erstellen oder zum Einsenden der Tabellen auffordert.
  55. vgl. zur "Roten Ruhr" im Kanton Bern: Pfister [1989], S. 345 - 373.
  56. vgl. Kap. 4.4.
  57. vgl. Kap. 2.4.3.
  58. Auch Reust interpretiert das Fehlen von Angaben in den Quellen auf ähnliche Art: "Wir wissen, dass die Blattern in Bern auftraten. Weil aber aus den offiziellen Quellen nichts hervorgeht, können wir ihren Einfluss auf die Kinder- und Säuglingssterblichkeit nur schwer abschätzen. [...] Wie ist das Schweigen der offiziellen Quellen zu deuten? Widerspiegelt es die Resignation einer Krankheit gegenüber, der man wehrlos ausgeliefert war und zudem nur Kinder befiel?" (Reust, S. 85)
  59. StAB B XI 160.
  60. Zu diesen fremden im medizinischen Wesen tätigen Personen schreibt das Insul collegy am 2. April 1778, dass es "weder Einfluss noch Gewalt habe, solche [Fremden] über Ihre Papiere zu examinieren noch in einiche Verantwortung zu ziehen." (StAB B XI 160)
  61. Imhof [1981], S. 31.
  62. StAB B XI 371.
  63. StAB B XI 370.
  64. StAB B XI 371.
  65. in: Bibliographie der schweizerischen Landeskunde, Nr. 34-39.
  66. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1838, S. 45.
  67. Flügel Karl, Bericht über die Schutzpockenimpfung und Impfanstalt während dem Jahr 1832 an die Tit. Sanitäts-Commission des Departements des Innern der Republik Bern, Bern 1834, S. 20.
  68. So: "Pockenkrankheit", "Allgemeiner Gesundheitszustand", "Ausserordentliche Sanitätsanstalten: Bezüglich auf Krankheiten unter den Menschen", "Vorkehren gegen ansteckende und epidemische Krankheiten bei Menschen", "Epidemische Krankheiten: Bei Menschen", "Leistungen der Sanitätsbehörden", "Sanitätspolizeiwesen", "Gesundheitspolizei: Gesundheitszustand der Menschen", "Sanitätspolizei: Krankheiten der Menschen" etc.
  69. Im Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1865 ist eine detaillierte "Uebersicht der Blatternfälle im Jahre 1865" publiziert. Für die Epidemie der Jahre 1870 bis 1872: Rellstab G., Zur Blattern- und Impfstatistik im Kanton Bern, Separat-Abdruck aus der Zeitschrift für schweizerische Statistik, Bern 1877. Für die Epidemie von 1881: Girard Charles, Bericht über die Blatternepidemie im Kanton Bern während des Jahres 1881, Bern 1883. Für die Jahre 1891 und 1892: Bemerkungen zur Blattern-Statistik 1891 bis 1892 (Autor unbekannt), Bern 1893. Für 1894: Dutoit Charles, Bericht über die Blatternepidemie des Jahres 1894, Bern 1894 und Ost Wilhelm, Die Blatternepidemie in Bern vom Jahr 1894, Basel, Leipzig 1894.
  70. Die Nachforschungen im Staatsarchiv Bern, welche die Zeit von etwa 1700 bis 1830 betrafen, erforderten einen Zeitaufwand von ca. 20 Manntagen. Hinzu kommen noch 2 Manntage für die Suche im Bundesarchiv und ungefähr 5 für die Erhebung der Daten aus den Staatsverwaltungsberichten und der Beibringung der anderen Berichte über Pockenepidemien.
    Dieses Material wird soweit möglich der Datenbank BERNHIST in computerlesbarer Form zur Verfügung gestellt.
  71. Dieses Konzept beruht auf der Lehre von Galen (129 - 199 n. Chr.), einem bedeutenden Arzt der Antike. Galen vollzog den bewussten Rückgriff auf die qualitäten- und humoralpathologische Lehre von Hippokrates (vgl. Eckart, Geschichte der Medizin, Berlin 1990, S. 59 ff. und S. 89 f. sowie Ackerknecht Erwin [1986], Geschichte der Medizin, Stuttgart 1986, S. 71 ff.).
    Das Konzept der hippokratischen Medizin beruhte auf einer Harmonie- bzw. Gleichgewichtslehre. Krankheit war im hippokratischen Verständnis gestörte Harmonie, eine schlechte Mischung der Körpersäfte. Aerztliche Kunst im Sinne der hippokratischen Medizin bildete die Summe der folgenden Einzelelemente:
    1.) genaue differenzierte Beobachtung des Kranken unter Berücksichtigung seiner Krankengeschichte, seiner Lebensumstände und der klimatischen Bedingungen des Ortes.
    2.) Einbezug eigener und schriftlich überlieferter ärztlicher Empirie.
    3.) Prognosenbildung.
    4.) diätetisches, medikamentöses und chirurgisches therapeutisches Handeln.
    (Eckart, S. 45 ff.).
  72. vgl. Eckart, S. 60 und Ackerknecht [1986], S. 72.
  73. Es handelt sich um eine antike Krankheitslehre, die von vier Grundelementen der belebten und unbelebten Welt (Feuer, Wasser, Luft und Erde) ausgeht und die unausgewogene Mischung der vier Elementarqualitäten (warm, feucht, kalt und trocken) für alle Krankheitszustände verantwortlich macht. Der Gesundheit liegt eine ausgeglichene Mischung zugrunde. Die Lehre findet sich bereits bei den Vorsokratikern und verbindet sich in der Antike mit der Humoralpathologie (Eckart, S. 40).
  74. Der Iatroastrologie liegt die Annahme einer Korrespondenz zwischen den Planeten und den Sternzeichen einerseits und dem menschlichen Organismus andererseits zugrunde. Dem Einfluss der Gestirne unterliegen also Gesundheit und Krankheit des Menschen. Der Arzt kann aus ihrer Konstellation Rückschlüsse auf Krankheitsursachen ziehen, einzusetzende therapeutische Massnahmen bestimmen und Heilungsaussichten abschätzen. Iatrotheologie kann als Versuch bezeichnet werden, Krankheit, auch wenn ihre natürlichen Ursachen möglicherweise erkennbar sind, als unmittelbaren Ausdruck göttlichen Wollens und Handelns zu verstehen. Krankheit und Leiden werden als göttliche Strafe oder als Weg in der Nachfolge Christi verstanden.
    Im 17. Jahrhundert entstanden zwei starke Bewegungen, die die fragmentarischen Ergebnisse der neuen Grundwissenschaften Physik und Chemie auf die klinische Medizin anwenden wollten: die Iatrophysik und die Iatrochemie. Prominente Vertreter der Iatrophysik sind Galileo Galilei und René Descartes (vgl. Ackerknecht [1986], S. 106 f. und Eckart, S. 83 sowie 89 f.).
  75. etwa: Mars - Galle (Organ) - gelbe Galle (Saft) - Trocken/Heiss (Qualität) (Eckart, S. 89).
  76. "I say then that every man, from the time of his birth till he arrives at old age, is continually tending to dryness; and for this reason the blood of children and infants is much moister than the blood of young men, and still more so than of old men [...] Now the smallpox arises when the blood putrefies and ferments, so that superfluous vapors are thrown out of it and it is changed from the blood of infants, which is like must, into the blood of young men, which is like wine perfectly ripened; [...] and the smallpox itself may be compared to the fermentation and the hissing noise which takes place in must at that time. And this is the reason why children, especially males, rarely escape being seized with this disease, beacause it is impossible to prevent the blood's changing from this state into its second state, just as it is impossible to prevent must [...] from changing." (Rhazes, Treatise on the smallpox and measles, S. 29, trans. Greenhill William, in: Med. Classics 4, 1939, S. 22-84, zitiert in: Carmichael, S. 151 f.)
  77. en-demos: in der Bevölkerung drin, "einheimisch", also eine in bestimmten Gebieten ständig vorkommende Krankheit.
  78. Der Name der Syphilis, welche damals auch als "französische Krankheit", "neapolitanische Krankheit" oder "big pox" bezeichnet wurde, stammt aus einem Gedicht von Fracastoro (vgl. Ackerknecht [1986], S. 90).
    Auch im Kanton Bern tauchen im Verlaufe des 17. Jahrhunderts in den Chorgerichtsmanualen Fälle auf, die sich mit der "Franzosenkrankheit" befassen: "24. 8bris 1641. Es ist Jacob Vivian von Hans Frösch anklagt worden, wie das er mit der sucht der Franzosen sampt seiner haushaltung behaftet seye. Deswegen ihm befohlen, ein gültige attestation von den vier Schauherren [Stadtärzten] zu bringen und ds innert 14 tagen, wo nicht, werde ein hohe Oberkeit dessen verstendiget werden. Weil er aber nit formblich der sach nach gangen, soll er 1 guldi erlegen." (zitiert in: Gugger Karl, Das Chorgericht von Köniz 1587 - 1852, Köniz 1968, S. 59)
  79. Dabei handelte es sich um eine Krankheit, die sich durch Fieber und heftige Schweissausbrüche äusserte und innerhalb weniger Tage zum Tode führte. Symptome und klinischer Verlauf ähnelten denen einer Grippe. Dieses Schweissfieber griff von Grossbritannien her auch auf den Kontinent über, wo es wegen der hirsekorngrossen Schweisstropfen, die über den ganzen Körper perlten, "Frieselfieber" oder "Miliarfieber" genannt wurde (Ruffié Jacques und Sournia Jean-Charles, S. 131).
  80. Astralische (Einfluss der Sterne), tellurische (Einfluss des Bodens) und diskriminierende Theorie, d.h. Verdächtigung ethnischer, religiöser und gesellschaftlicher Randgruppen, insbesondere der Juden (Eckart, S. 127).
  81. De contagionibus et contagiis morbis et eorum curatione, 1546 in Venedig publiziert.
  82. Diese Annahme geriet beinahe wieder in Vergessenheit, wurde aber im 19. Jahrhundert beispielsweise durch Jakob Henle (1809 - 1885) wieder aufgegriffen. Begriffe und Ideen werden in der vor- und frühbakteriologischen Aera im Streit zwischen Kontagionisten und Miasmatikern wieder virulent (Eckart, S. 128 f.).
    Zur Miasmatheorie: Bis zur Aera der Bakteriologie war die Miasmatheorie die vorherrschende Auffassung. Nach dieser Annahme entstanden die grossen Seuchen und Epidemien durch schlechte Ausdünstungen des Bodens, des Wassers - insbesondere feuchter Sumpfgebiete - oder durch krankmachende Bestandteile der Luft (Pesthauch!). Eine Verbesserung der hygienischen Lebenssituation war eine Konsequenz der Miasmatheorie, so dass deren Wirksamkeit im Bereich der Krankheitsprävention nicht unterschätzt werden darf. Ihre Ausdifferenzierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeutete gleichzeitig den Beginn der modernen wissenschaftlichen Hygiene (Eckart, S. 222 f.).
  83. vgl. Carmichael, S. 152 f.
  84. vgl. Ackerknecht [1986], S. 90 und Ackerknecht [1963], S. 57.
  85. Sydenham versuchte, die Vorgaben des neuen, philosophischen Empirismus auch für die Medizin fruchtbar zu machen. Die Grundlagen dieses neuen Empirismus hatte Francis Bacon formuliert. Sein Postulat richtete sich in erster Linie auf den Prozess und die Methoden einer geordneten Erfahrungsbildung, die sich von der alten, planlosen Erfahrungsbildung unterschied. Als zweiter Schritt hatte die Bildung von allgemeinen Sätzen im induktiven Verfahren zu erfolgen. Zumindest den ersten Aspekt von Bacons Postulat nahm der Kliniker Sydenham auf und wandte sich erstmals in der Medizin einer systematischen Beobachtung und Vergleichung von Krankheitssymptomen zu, mit dem Ziel, besondere Krankheitstypologien zu entwickeln. Wichtig war Sydenham dabei nicht die Kategorisierung des Einzelfalls, sondern die Ermittlung von Krankheitsbildern durch die vergleichende Summation von Einzelbeobachtungen. In der Therapie war Sydenham um den Einsatz krankheitsspezifischer Heilmittel bemüht und propagierte bspw. den Gebrauch der seit Mitte des 17. Jahrhunderts aus Südamerika eingeführten Chinarinde als Fiebertherapeutikum (Eckart, S. 149 f.).
  86. vgl. Ackerknecht [1963], S. 57, Smith, S. 30 und WHO, S. 3 und S. 229.
  87. Smith, S. 30.
  88. ebd., S. 30 und Ackerknecht [1963], S. 58.
  89. Eckart, S. 132 f.
  90. ebd., S. 196 f.
  91. Hippel Th., Ueber die Ehe, Leipzig 1872, S. 3, zitiert in: Bauer Leonhard, Matis Herbert, Die Geburt der Neuzeit, Vom Feudalsystem zur Marktgesellschaft, München 1988, S. 306.
    Die merkantilistische Menschenproduktion verselbstständigte sich allmählich zu einem allgemeinen Prinzip der Reichtumsgewinnung durch Bevölkerungsvermehrung. In einer 1769 unter einem Pseudonym erschienenen Schrift stellt der Kameralist Justi daher die Frage: "Man sucht das Vieh auf alle Art zu vermehren, man errichtet Stutereyen, Schäfereyen und dergleichen. Warum sollte man auch nicht Menschereyen anrichten, die einen viel grösseren Werth haben?" (ebd., S. 305)
  92. Die eigentliche theoretische Grundlage der "Medicinischen Policey" erfolgte durch den Wiener Johann Peter Frank. Seine Ideen wurden zwischen 1786 und 1817 als "System einer vollständigen medicinischen Policey" publiziert. Sein Werk bildete die Grundlage einer öffentlichen Gesundheitspflege als Spezialdisziplin der Medizin (Eckart, S. 197).
  93. 1725 in London, in Berlin 1727, in Edinburgh 1748, in Stockholm 1749 und in Kopenhagen 1782. Charakteristisch war, dass in diesen Krankenhäusern Chirurgie und innere Medizin parallel praktiziert wurden, dass der grosse Krankensaal des alten Hospitaltypus kleineren Krankensälen wich und dass zur Ausstattung des Krankenhauses nebst unterschiedlichen Abteilungen häufig auch eine Krankenhausapotheke gehörte (Eckart, S. 199 f.).
  94. Es handelt sich dabei um eine vitalistische Reaktion gegen die Iatrochemie und -physik, die ihren Gipfel mit dem Animismus von Georg Ernst Stahl (1660 - 1734) aus Halle erreichte. Stahl erklärte Leben und Krankheit durch die Einwirkung einer "empfindenden Seele" oder Anima, die jeden Teil des Organismus bewohne und seine spontane Zersetzung verhindere (vgl. Ackerknecht [1986], S. 113 f.).
  95. Eckart, S. 186 f.
  96. Universitätsbibliothek Basel. Ms. G2 II 82, Nr. 6., zitiert in: Portmann Marie-Louise, Die Variolation im Spiegel der Korrespondez Albrecht von Hallers mit Achilles Mieg, Aarau 1976, S. 296 f.
  97. In Wien und Edinburgh entstanden Tochterschulen von Leiden, die sich ganz am Vorbild Boerhaaves orientierten (Eckart, S. 192 f.).
  98. Boerhave bezahlte mit seinem Leben für den Irrtum, die Pocken als Entzündungsfieber zu diagnostizieren. Er glaubte, die Krankheit durch das Aufbieten aller "Antiphlogistica" ersticken zu können. Er schrieb lange einer Verbindung von Spiessglanz und Quecksilber die Fähigkeit zu, das Pockengift zu zerstören, bis er durch Selbstversuche diesen Mitteln erlag (Bohn Heinrich, Handbuch der Vaccination, Leipzig 1875, S. 59).
  99. Ackerknecht [1986], S. 125 f.
  100. Aderlass, Purgieren und Laxieren gehören zu den ältesten Heilmethoden bei fast allen Krankheiten. Dabei wurde von der alten Humoraltheorie ausgegangen, nach der die "unreinen" Säfte aus dem Körper entleert werden sollen. Auch nach dem Abrücken von der Humorallehre blieb der Aderlass ein probates und anerkanntes Heilmittel, welches sowohl kurativ bei medizinischen und chirurgischen Leiden wie auch präventiv zur Erhaltung der Gesundheit eingesetzt wurde.
    Schon Paracelsus wandte sich 1527 in seiner Abhandlung "Bericht vom Aderlassen und Schrepfen sampt des Purgierens" gegen das (wegen der z.T. ungeheuren Blutmengen, die abgelassen wurden) oft bis zur Besinnungslosigkeit des Patienten führende Aderlassen (dabei handelt es sich um den Aderlass "ad animi deliquium", der bspw. bei eingeklemmten Brüchen zur Anwendung gelangte). Auch Gotthelf stellte sich gegen den Unsinn des Aderlassens, etwa in "Anne Bäbi Jowäger": "So soll zum Beispiel unter den grössern Medizinern einst das Blutlassen Mode gewesen sein und für alles gut und das Blut herumgesprützt haben, als ob in jedem Hause ein halbes Dutzend Sprützbrunnen wären, [...] Man denkt auch hier nicht daran, dass Gott fürs rechte Mass gesorget habe [...] und man weiss nicht, dass einige Stunden, nachdem man zur Ader gelassen, man schon wieder gleich viel Blut hat, nur schlechteres, es ist, als ob man Wasser in Wein getan [...] Wenn die erste Elster im Sommer sich wieder zeigt, so geht das Blutlassen, dass es ein Graus ist." (Müller Carl, Gotthelf und die Aerzte, Bern 1963, S. 113 ff.)
  101. Als exemplarisches Beispiel kann die Gründung der "Sanitary Movement" in England angeführt werden. Diese in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Bewegung erkannte den Zusammenhang von Krankheit und sozialer Lage der englischen Arbeiterschaft. Angestrebt wurde eine Verbesserung der Strassenhygiene, der Kanalisation, der Toiletten (Wasserklosetts), der Frischwasserversorgung etc. (vgl. Eckart, S. 221 ff.)
  102. vgl. Eckart, S. 225 ff. und Ackerknecht [1986], S. 149 ff.
  103. In Preussen wird bspw. im Oktober 1852 der ärztliche Einheitsstand gebildet. Nach diesem Datum approbierte Aerzte hatten nun die Bezeichnung "Praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer" zu tragen (Eckart, S. 255).
  104. Flechtner Hans Joachim, Gesundheit durch Krankheit: das Rätsel der Immunität, Düsseldorf 1954, S. 21 f.
  105. So verringerten bspw. die Nomaden der Mandschurei die Gefahr der Pestansteckung auf der Grundlage der Annahme, dass die verstorbenen Ahnen in Steppenmurmeltieren reinkarniert seien. Aus diesem Grunde mussten die Tiere, welche den Pestbazillus bewirten konnten, mit Vorsicht behandelt werden und der Umgang mit ihnen wurde gemieden (McNeill, S.265 f.).
  106. Quarantänebestimmungen wurden 1465 in Ragusa und 1485 in Venedig amtlich vorgeschrieben. Diesem Beispiel folgten bald viele weitere Mittelmeerhäfen. Jedes aus einem pestverdächtigen Hafen ankommende Schiff musste an einem abgelegenen Platz vor Anker gehen und vierzig Tage lang ohne Verbindung zum Land bleiben. Diese Bestimmungen wurden zwar nicht immer streng eingehalten, zum Teil gelang es auch Ratten und Flöhen ans Land zu kommen, aber sicherlich konnten durch diese Vorsichtsmassnahme in vielen Fällen die Verbreitung der Pest unterbunden werden, da vierzig Tage reichen sollten, um eine Infektkette unter den sich auf dem Schiff befindlichen Wirten des Pasteurella pestis, des Pestbazillus, ausbrennen zu lassen (vgl. McNeill, S. 192 ff.).
  107. Matzel Oskar, Die Pocken im deutsch-französischen Krieg 1870/71, Düsseldorf 1977, S. 7 f.
  108. So finden sich noch im Jahrgang 1845 des "Neuen Berner Kalender" unter der Rubrik "Medizinisches" Auszüge aus dem 1696 in Frankfurt herausgegeben Buch "Heilsame Dreck-Apotheke. Wie nemlich mit Koth und Urin fast alle, ja auch die schwerste, giftigste Krankheiten und bezauberte Schaden vom Haupt bis zun Füssen, inn- und äusserlich glücklich curieret worden; durch und durch mit allerhand curieusen, so nütz- als ergetzlichen Historien und andern feinen Denkwürdigkeiten, bewährt und erläutert von Kristian Franz Paullini". Paullini, der bischöflich-münsterscher Leibarzt war, führt aus, dass "wenn einem ein kleines Bläterchen beunruhigt, gleich macht man allerlei Mischmasch, alsobald wird aus Indien, Arabien und vom Roten Meer was verschrieben, während doch jedem Bauern die kräftigste Arznei auf seinem Hofe wächst, hinterm Zaun und auf dem Mist." Dementsprechend waren auch die Rezepte, welche im Kalender gedruckt wurden: "Für Damenkopfweh soll ein Tuch, in einer Mistpfütze wohl genetzt, die besten Dienste leisten; für Augenweh frischer Kuhdreck, namentlich von einer roten Kuh, aber nicht bloss, sondern in einem sogenannten Küsseli aufgelegt. Eselskot, besonders von jungen Eseln, unter die Nase gehalten, stillt das Bluten. Hundsdreck, also warm über die Backen, ist vortrefflich fürs Zahnweh; Rabendreck aber, in einen hohlen Zahn getan, stillt den Schmerz und macht, dass der Zahn ausfällt; getrockneter Hundsdreck, im Mai gesammelt, prächtig gegen den Husten." Gegen die rote Ruhr wurde empfohlen, Horn von Pferdehufen zu Pulver zu brennen, Hundsdreck und gestossene alte, schwarze Tabakspfeifen dazuzugeben und dieses Pulver am morgen und am abend mit Milch einzunehmen (Müller, S. 107 ff.).
  109. Corbin Alain, Pesthauch und Blütenduft - Eine Geschichte des Geruchs, Paris 1982, S. 280.
  110. ebd., S. 279 ff.
  111. Parent-Duchâtelet A., Essai sur les cloaques et égouts de la ville de Paris, in: Hygiène publique, Paris 1835, Bd. II, S 252, in: Corbin, S.281.
  112. Burnet Macfarlane Frank, Naturgeschichte der Infektionskrankheiten des Menschen, Frankfurt a. M. 1971, S. 19 f.
  113. So wurde bspw. die grosse Choleraseuche in Hamburg, welche am 16. August 1892 begann und an der innerhalb von etwa vier Wochen 18'000 Personen erkrankten und mehr als 8000 starben, durch verseuchtes Trinkwasser hervorgerufen. Alle Erkrankungen lagen im Gebiet von Hamburg selbst, dessen Wasserleitungen damals unmittelbar aus der Elbe gespeist wurden. Das eng benachbarte Altona, welches eine andere Wasserversorgung besass, blieb - mit Ausnahme einiger durch Ansteckung übertragener Infektionen - von der Seuche frei (Flechtner, S. 125.).
  114. ebd., S. 22 f.
  115. ebd., S. 23.
  116. Burnet, S. 194 f.
  117. Zur Veranschaulichung eignet sich hier das Beispiel Islands dank der hervorragenden Quellenlage bestens. Schon 1703 wurde die erste, nach modernen Prinzipien durchgeführte Volkszählung vorgenommen. Zudem ist es für Island möglich, aufgrund einer einzigartigen literarischen Tradition sowie archäologischen Untersuchungen die Bevölkerungsentwicklung seit der Besiedlung der Insel im 9. und 10. Jahrhundert nachzuzeichnen. Hinzu kommt, dass durch die grosse Isoliertheit Islands dieses Land nie unter Kriegen zu leiden hatte und im Hinblick auf zahlreiche Krankheiten und Todesursachen keine kontinuierliche Immunisierung entstehen konnte, wie dies in einer Bevölkerung mit ständigen Kontakten zu vielerlei Seuchenträgern verschiedenster Art der Fall war.
    Auf Island grassierten die Pocken in jeder Generation durchschnittlich nur einmal. Kinder und Erwachsene waren ihnen dann gleichermassen ausgesetzt, dementsprechend war die Sterblichkeit bei Pockenepidemien ungleich grösser als auf dem Festland. So fielen den Pocken 1707, als sie wieder einmal von Dänemark eingeschleppt wurden, ca. 18'000 Menschen zum Opfer, d.h. ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Die letzte Pockenepidemie zuvor hatte in den Jahren 1670 bis 1672 auf der Insel geherrscht (vgl. Imhof Arthur [1977a], S. 36 ff. und ders. [1977b], Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, in: Rürup Reinhard (Hrsg.), Historische Sozialwissenschaft, Göttingen 1977, S. 16 ff.).
  118. Burnet, S. 201 f.
  119. ebd., S. 202 f.
  120. ebd., S. 208.
  121. Auf die Altersverteilung der Pocken wird in Kap. 4.4. genauer eingetreten, an dieser Stelle sollen lediglich allgemeine Prinzipien aufgestellt werden.
  122. ebd., S. 223.
  123. ebd., S. 228.
  124. ebd., S. 229.
  125. Darüber hinaus existieren Parasiten, die beim Menschen ähnliche Krankheitszustände hervorrufen können, doch vergleichsweise selten auftreten. Es kann sich dabei um Wurminfektionen handeln (durch die Gruppe der Filarien, durch Finnen einer Bandwurmart und die Hakenwurmplage in tropischen und subtropischen Gebieten) oder um Pilz- und Hefeinfektionen (vgl. Burnet, S. 47).
  126. ebd., S. 59.
  127. ebd., S. 68.
  128. ebd., S. 69
  129. Variola major war lange Zeit der einzige bekannte Typ von Pockenviren. Variola minor wurde zuerst in Südafrika und Westindien entdeckt. Im Labor konnten diese beiden Viren erst in den 1950er Jahren unterschieden werden. Der markanteste Unterschied der beiden Virustypen ist, dass variola major und variola minor zwar Pocken verursachen, die dasselbe Erscheinungsbild aufweisen, jedoch eine signifikant andere Letalität besitzen: bei durch variola major verursachten Pocken starben im Durchschnitt 25% der Erkrankten, bei variola minor hingegen lediglich 1%. (vgl. Hopkins, S. 5 f.).
  130. Diese Art von Viren werden auch als Bakteriophagen bezeichnet. Beispielsweise kann bei der Käseproduktion der fermentative Umbau der Milch durch bestimmte Streptokokkenkulturen eingeleitet werden. Schwierigkeiten traten jedoch auf, als 'Starter'-Kulturen zu bestimmten Zeiten anscheinend Selbstmord begingen und dadurch eine grosse Menge von Milch nicht richtig gerinnen wollte. Hier waren die Verursacher des Schadens Bakteriophagen. Ein anderes Beispiel ist die nachlassende Ergiebigkeit eines Luzernenfeldes, nachdem es einige Jahre gewachsen ist. Die Luzernen gehören zu den Leguminosen, deren Stickstoffbedarf hauptsächlich durch die Tätigkeit spezialisierter Bakterien in den Knoten ihrer Wurzeln gedeckt wird. Der abnehmende Ertrag eines Luzernenbestandes hängt mit der Zerstörung oder der Verminderung der in den Wurzeln lebenden Bakterien durch Bakteriophagen zusammen, denn die Fähigkeit dieser Bakterien, Stickstoff zu binden, ist für die Gesundheit der Pflanze von wesentlicher Bedeutung. vgl. Burnet, S. 76 f.
  131. ebd., S. 81.
  132. ebd., S. 87.
  133. ebd., S. 101.
  134. Geschlechtskrankheiten stellten zu Kriegszeiten ein wichtiges militärisches Problem dar. So wurden in diesem Jahrhundert verschiedene Massnahmen gegen die Verbreitung venerischer Krankheiten durchgeführt: direkte Disziplinarverfahren, Einrichtungen für sportliche Betätigung oder sonstige Freizeitbeschäftigungen, moralische und religiöse Ermahnungen, prophylaktische Ausgabe von Präservativen an Beurlaubte und die Bereitstellung von Desinfektionsgelegenheiten nach einer Exposition (vgl. ebd., S. 165 f.).
  135. Flechtner, S. 13 f.
  136. Neugebauer Josef, Bildatlas der Infektionskrankheiten, Basel 1983, S. 94.
  137. Schlotter Oskar, Die Geschichte der Lepra und Pocken in Europa, München 1966, S. 142.
  138. Syphilis trug die Namen "(Grosse) Blattern", "Big pox" oder "la grosse vérole" im Gegensatz zu den Pocken: "Blattern" "smallpox" oder "la petite vérole".
  139. weitere Krankheitsbezeichnungen:
    - "Hitziges Fieber", "heisses Fieber" oder "Febris ardens s. calida": Oberbegriff für verschiedene akute, fieberhafte Krankheiten, z.B. Bauchtyphus, Fleckfieber (beide auch "Nervenfieber" genannt), Rose (Erysipel) etc.
    - "Seitenstechen": oder "Stich(fieber)", möglicherweise Zeichen einer Brustfellentzündung bei Lungentuberkulose oder einer Blinddarmentzündung (vgl. dazu Noah Gordon, Der Medicus, München 1990, S. 390 ff., S. 412 ff. und S. 558 ff.) Im von Gotthelf redigierten Neuen Berner Volkskalender 1839 erschien unter anderem ein Hausmittel gegen das Seitenstechen: "Heftiges Seitenstechen beginnt gewöhnlich mit Frost; dann folgen grosse Hitze, Durst, Beklemmung der Brust, kurzes, schnelles Athmen, und stechende oder brennende, bisweilen von einem Ort zum andern ziehende Schmerzen an irgend einer Stelle der Brust, welche das Athmen auf die angstvollste Weise erschweren, wenigstens das tiefere Athemholen ganz hemmen; dabei ist der Puls hart und voll, bisweilen zusammengezogen. Bei heftigen Schmerzen lege man 6-8-10 Blutegel an die Brust; bei Beengung des Athmens und Brustbeklemmung Senfteige, und, wenn das Fieber nicht heftig ist, lasse man einige Tassen Holderthee trinken, um möglichst bald Schweiss hervorzurufen. Mit diesen Mitteln wird man, wo ärztliche Hülfe nicht sogleich zur Hand ist, vorläufig die dringendsten Beschwerden zu beschwichtigen im Stande seyn. Wo der Schmerz bloss äusserlich ist, bei der Bewegung der Brust und namentlich beim Befühlen der leidenden Stelle sich vermehrt, Husten und Fieber aber in der Regel nicht zugegen sind: so dienen diejenigen Mittel, welche gegen den fieberlosen Rheumatismus anzuwenden sind: als warme Kräutersäckchen, aus gepulverten Chamillenblumen, Holder, Melisse, Majoran und dgl. Wachstaffent, Opodeldoc, Gichtpapier, das so lange liegen bleiben muss, bis es von selbst abfällt; Blasenpflaster, Dampfbäder usw." (zitiert nach: Müller, S. 101 f.)
    - "Hauptsucht": Krankheit, die mit cerebralen Erscheinungen einhergeht, eventuell auch Pest, Petechialtyphus u.a., vorwiegend wohl Fleckfieber.
    - "Frost und Hitze": Fieber mit wechselnden Phasen.
    - "böser Husten": u. U. Keuchhusten ("Kiechhusten").
    - "Geschwulst und Enge": beengter Zustand eines Organs durch Krampf oder Schleimhautschwellung. Möglich wäre demnach Angina oder epidemische Diphtherie.
    - "Faulfieber": Typhus, typhöse Krankheitsformen, auch Pneumonie.
    - "Gicht(ern)": Krämpfe, Halsgichter = Krupp.
    - "Krupp": auch "Grupp", Halsbräune, Diphterie.
    (vgl. Ruesch, S. 369)
  140. zitiert in: Gins Heinrich A. [1963], Krankheit wider den Tod, Berlin 1963, S. 1 ff.
  141. Grasgrüne Stuhlausleerungen deuteten in der Regel auf einen tödlichen Ausgang der Krankheit hin.
  142. vgl. WHO, S. 6 ff. sowie Smith, S. 179 ff, Roche Lexikon Medizin, München 1987, S. 123 f. und Senn-Schnyder Maria, Dokumente zur Einführung der Inokulation in der Schweiz, Diss. med., Basel 1981, S. 9 ff.
  143. WHO, S. 52.
  144. Hopkins, S. 42.
  145. Ackerknecht [1963], S. 56.
  146. Bernoulli, Handbuch der Populationistik, Ulm 1841, S. 255, zitiert in: Lotz Theodor, Pocken und Vaccination. Bericht über die Impffrage. Bern 1880, S. 16.
  147. Papers relating to the history and practice of vaccination (Officielles Blaubuch, London 1857, S. 6, zitiert in: Lotz, S. 16)
  148. Dixon C. W., Smallpox, London 1962, in: WHO, S. 50.
  149. vgl. ebd., S. 50 und S. 164.
  150. ebd., S. 196.
  151. ebd., S. 164.
  152. Rao A. R., Smallpox, Bombay 1972, in: WHO, S. 22.
  153. "blutender", mit einem Blutsturz verbundener Typ.
  154. Diese Typen wurden 1875 von Curschmann und 1895 von Immermann als "purpura variolosa" bzw. "variola pustulosa haemorrhagica" bezeichnet (WHO, S. 32).
  155. ebd., S. 38.
  156. Hopkins, S. 5 f.
    In England kam es in den 1920er und frühen 30er Jahren zu Epidemien, welche durch variola minor verursacht wurden. So wurden 1921 345 Fälle und am Höhepunkt der Epidemie 1925 5405 Fälle von variola minor registriert. (vgl. Smith, S. 145 ff. und S. 171 f.). Vermutlich kamen Ausbrüche des variola minor-Virus aber schon früher vor, wie sich aus den Aufzeichnungen von Wagstaffe von 1722 schliessen lässt: "We have the sort [of smallpox] in which a nurse cannot kill, and another in which even a physician can never cure." (William Wagstaffe, A letter to Dr. Freind, shewing the dangers and uncertainty of inoculating the smallpox, London 1722, zitiert in: Carmichael, S. 149) Auch Clinch schrieb 1725 über die Pocken: "[...] it is sometimes so very Mortal, and at other times so very Mild and Favourable." (William Clinch, An historical essay on the rise and progress of the smallpox, 1725, zitiert in: Razzell [1977a], S. 130.)
  157. WHO, S. 179.
  158. Die Korrelation von niedriger Temperatur und Feuchtigkeit und Vorkommen von Pocken konnte empirisch lediglich in tropischen und subtropischen Ländern nachgewiesen werden, wobei hier noch zusätzlich der Vorbehalt anzubringen ist, dass nicht nur der klimatische Faktor eine Rolle spielte, sondern auch der soziale: während der Regenperiode war die Mobilität sehr stark eingeschränkt, was wiederum die Verbreitung der Infektionen behindern konnte (vgl. WHO, S. 180).
  159. ebd., S. 181.
  160. ebd., S. 196.
  161. Rellstab, S. 9 und S. 3.
  162. Norden, S. 84.
  163. Black F., Measles endemicity in insular populations: critical community size and its evolutionary implication, in: Journal of theoretical biology, Jg. 11, S. 207 - 211.
  164. So gab es auch bei der grössten Pockenepidemie im Kanton Bern während des 19. Jahrhunderts, derjenigen von 1871/72, keine gleichmässige (oder zur Bevölkerung proportionale) Verteilung der Fälle auf das Kantonsgebiet, sondern es wurden lokale Epidemien festgestellt, die jedoch immer wieder im Kanton herumgetragen wurden. Von den während der Epidemie total 2797 erkrankten Personen entfielen alleine 404 Erkrankungen auf die Stadt Burgdorf und Oberburg. In Bern wurden 345 Kranke gezählt, wovon drei Viertel auf die Stadt und Stadtbezirke kamen und der Rest sich auf die umliegenden Gemeinden verteilte. Ebenfalls stark betroffen waren die Aemter Signau (217 Fälle), Trachselwald (185 Fälle), Biel (174 Fälle), Aarwangen (151 Fälle), Thun (136 Fälle) und Pruntrut (111 Fälle). Hier liegen zwar die genauen Ortsangaben der aufgetretenen Erkrankungsfälle nicht vor, die Vermutung liegt aber nahe, dass sich diese ebenfalls auf einzelne Ortschaften konzentrierten (vgl. Rellstab, S. 3 f. und Siffert, S. 18 ff.).
  165. Die Effekte, die die Pocken in nichtimmunen Bevölkerungen hervorriefen, geben Anlass zur Vermutung, dass es sich dabei um eine der ansteckendsten Krankheiten handelt. Beim Pocken-Vernichtungs-Programm der WHO wurde der Versuch gemacht, diesen Ansteckungsgrad quantitativ auszudrücken als Proportion der anfälligen gefährdeten Individuen zu einem Index, der Ausdruck der Fälle innerhalb eines Haushaltes mit infizierten Fällen innerhalb des erwarteten Uebertragungsintervalles der Krankheit war. Für die Pocken wurde in den Jahren 1969 bis 1975 in den Ländern Nigeria, Brasilien, Pakistan, Indien und Bangladesch eine durchschnittliche Ansteckungsrate - also Kontakte, die zur Entwicklung der Krankheit führten - von 58,4% bei ungeimpften Familien und eine Rate von 3,8% bei geimpften berechnet (vgl. WHO, S. 199 f.).
  166. ebd., S. 200.
  167. ebd., S. 200. Auch in den Staatsverwaltungsberichten des Kantons Bern finden sich viele Hinweise darauf, dass nur vereinzelte und isolierte Pockenfälle aufgetreten sind. So im Bericht für die Jahre 1831-33: "Schon seit dem J. 1826 herrscht in unserm Canton, so wie in der übrigen Schweiz und in Nachbarländern, die Pockenepidemie; doch immer nur an einzelnen Orten." Für die Jahre 1836 und 37: "Die Pockenseuche zeigte sich im Jahre 1836 in den Amtsbezirken Laupen und Ober-Simmenthal, im Jahre 1837 auch in den Amtsbezirken Bern, Biel und Aarwangen." 1838 wird folgendes berichtet: "[...] nur einzelne Fälle zeigten sich in den Amtsbezirken Thun und Wangen." 1841: "[...] elle ne s'est déclarée chez nous, [...] que dans des cas isolés." 1842: "Von den Menschenblattern blieb diese Jahr die Bevölkerung des Kantons, einzelne wenige Fälle ausgenommen, gänzlich verschont." 1851: "Blattern. Dieselben kamen, jedoch nur vereinzelt, in einzelnen Gemeinden der Amtsbezirke Lauffen, Courtelary, Laupen, Wangen, Thun, Münster, Saanen, Pruntrut, Büren, Aarwangen, Nidau, Signau vor." 1854: " [...] deren bei Menschen einige vorkamen, so die Blattern, das Nervenfieber und der Typhus, doch nur in einzelnen Gemeinden und ohne allgemeinen Charakter." 1856: "In einzelnen Fällen zeigten sich die Blattern." 1858: "Auch im Jahr 1858 kamen epidemische Krankheiten unter Menschen nur in vereinzelten Fällen vor. So die Blattern in Schüpfen, Fraubrunnen, Aarberg und Büren." 1859: "Auch diese [die Blattern] zeigten sich dieses Jahr bloss in sporadischen Fällen, oder kleinen Lokalepidemien." 1860: "Die Blattern zeigten sich bloss in der ersten Hälfte des Jahres, und zwar meist nur in vereinzelten Fällen." 1863: "Von Blattern kam ein Fall im Amtsbezirk Freibergen vor." 1879: "Ein während der letzten Tage Dezembers 1877 aus Frankreich heimkehrender Handwerksbursche erkrankte [...] in Bern an den Blattern. Er wurde im äussern Krankenhaus irrthümlicher Weise untergebracht, nachdem er, obgleich bereits erkrankt, zwei Tage in der Stadt herumgelaufen war. Von daher resultirte eine Epidemie in der Stadt Bern und Umgebung, welche, obschon nicht bedeutend, doch die grösste ist, die seit der Blatternepidemie der Jahre 1871 und 1872 vorkam. Eine zweite Einschleppung, auch aus Frankreich, geschah durch eine heimkehrende Familie Bichsel aus Eggiwyl, welche auf dem Wege nach ihrer Heimathgemeinde in Reconvilier erkrankte. Sie musste an Ort und Stelle verpflegt und behandelt werden, jedoch konnte man die nöthigen Massregeln nicht so früh ergreifen, dass nicht bereits Ansteckungen stattgefunden hätten. Es entstand auf diese Weise eine kleine Epidemie in Reconvilier und Umgegend." Viele weitere Beispiele dieser Art könnten die Aufzählung noch vergrössern. Anhand der diversen Berichte zeigte sich doch klar, dass Pockenfälle meist aus angrenzenden Kantonen und von Frankreich her eingeschleppt wurden.
  168. WHO, S. 1073 ff.
  169. StAB B XI 370: "[...] so scheinen sie [die Pocken] in diesem Jahr [1826] in die nördliche und westliche Schweiz ausbreiten zu wollen und wurden in diesem letzten Theil vorzüglich durch reisende Handwerksburschen, und besonders durch Wahlfahrten die von Einsiedeln herkamen, hergebracht." Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1839: "Bloss im Oberamt Oberhasle kamen, wahrscheinlich aus dem Wallis eingeschleppt, in letzter Zeit Pockenfälle auf ungeimpften Kindern vor". 1840 wird folgendes berichtet: "La petite vérole cependant s'est rarement déclarée; elle n'a sévi que dans les districts de Frutigen, de Berne, de Bienne et de Courtelary, où elle a été apportée des cantons du Valais et de Neuchâtel." 1843: "Im Frühjahr 1843 erschienen plötzlich in der Gemeinde Siselen, Amts Erlach, die ächten Blattern, durch einen französischen Vagabunden, der damit behaftet war, eingeschleppt." 1849: "So die Menschenblattern in einzelnen Gemeinden der Amtsbezirke Delsberg, Münster und Aarwangen, von wo aus einzelne Fälle in andere Amtsbezirke verschleppt wurden." 1864: "In Seeberg steckte ein erkrankter Soldat mehrere Personen an." 1866: "Im Februar wurde daselbst ein Fall aus dem Kanton Solothurn eingeschleppt, welcher zu Differenzen mit der Gemeindsbehörde führte. Im Januar und Februar brach infolge Einschleppung aus dem Aargau zu Grellingen und Zwingen eine kleine Blatternepidemie von 8 Fällen, worunter 1 Todesfall." 1867: "Von Blattern kamen nur 2 Fälle vor. Der erste betraf einen herumziehenden Metzgerburschen aus dem Kanton Zürich, welcher wahrscheinlich im Kanton Freiburg angesteckt, am 22. März mit ausgebrochenen Blattern vom Simmenthal her in Bern anlangte und hier von der Stadtpolizei in Abwesenheit des Inspektors, entgegen den ausdrücklichen Vorschriften der Verordnung vom 5. Dezember 1864, in einem Eisenbahnwaggon 3. Klasse nach Zürich abgeschoben wurde. [...] Am 29. März brachen die Blattern in Thun bei einem frisch aus Endingen zugereisten Spenglergesellen aus." 1868: "Im Sommer wurde aus dem Waadtoberland in die Gemeinde Gsteig ein Blatternfall eingeschleppt und veranlasste dort 4 weitere Fälle, worunter 1 Todesfall bei einem ungeimpften Kind." 1869: "Wiederholte Einschleppung der Blattern fand aus dem Kanton Neuenburg statt, wo man der Krankheit nicht die nöthige Aufmerksamkeit zu schenken scheint." 1870: "Die Blattern beschäftigten die Sanitätspolizei dieses Jahr mehr als die vorhergehenden seit 1865. Sie wurden eingeschleppt zum Theil aus dem Kanton Neuenburg, Waadt und Luzern, hauptsächlich aber aus Frankreich und aus dem Kanton Freiburg." 1872: "Die Epidemie der zwei letzten Jahre setzte sich, durch fortwährende neue Einschleppungen von auswärts genährt, fort [...]." Auch Rellstab (S. 3) erwähnt, "bei strammerer Ordnung hätten massenhafte Verschleppungen verhütet werden können." 1873: "Blos 2 Einschleppungen sind vorgekommen. Im Februar erkrankte ein frisch zugereister tessinischer Bahnarbeiter in Friedliswart [...] Die zweite Einschleppung erfolgte wiederum durch Lumpen der Kunstwollefabrik von Hubler und Schafroth in Burgdorf und hatte 3 Ansteckungen zur Folge." 1877: "Während des Herbstes 1876 sind die Blattern aus Besançon durch einen heimkehrenden Handwerksburschen nach Bern eingeschleppt worden." 1878: "Ein einziger Blatternfall ist während des Jahres 1878 im Kanton Bern vorgekommen; derselbe hat aber schwere Folgen gehabt."
  170. vgl. Flügel, S. 7, und Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1844: "Infolge der sanitätspolizeilichen Verordnung, dass die reisenden Handwerker zur Erhaltung von Wanderbüchern sich einer Untersuchung unterwerfen müssen, ob sie die Pocken gehabt haben, ob sie geimpft oder mit einer ansteckenden Hautkrankheit behaftet seien, wurden [...] zusammen 53 Impf- und Gesundheitsscheine eingesandt." Auch in Butjadingen war die Gefahr des Einschleppens der Blattern durch fremdes Dienstpersonal bekannt. In der Neuregelung des Impfwesens von 1819 wurde den jeweiligen Dienstherren aufgetragen, bei der Einstellung des Personals die Impfbescheinigung zu überprüfen. Sollten Blattern beim Dienstpersonal ausbrechen, müssten sämtliche Kosten für die Quarantäne vom Dienstherrn übernommen werden. vgl. Norden, S. 84 f.
  171. StAB MS c I 2.
  172. WHO, S. 224.
  173. Auf Island wird die erste einschneidende Pockenepidemie 1241 registriert, die etwa 20'000 der 70'000 Einwohner getötet haben soll. Weitere massive Epidemien werden für die Jahre 1257 und 1291 erwähnt (vgl. Hopkins, S. 28 und WHO, S. 229). Weiter werden Epidemien in den Jahren 1310/11, 1347/48, 1379/80, 1430/32, 1462/63, 1472, 1511, 1655, 1658 und 1670/72 registriert (Bohn, S. 6 ff.). Ebenfalls 1707 haben sie, eingeschleppt von Dänemark, einen Drittel der Bevölkerung umgebracht (Imhof [1977a], S. 39).
  174. "Man trifft nur wenige, über 30 Jahre alte Menschen, welche noch nicht an ihnen [den Pocken] gelitten haben." (Hildebrandt 1788, zitiert in: Bohn, S. 17 f.), "Die Blattern sind eine Pest eigener Art, und haben eine Wirksamkeit, die alle Vorkehrungen vereitelt, sie befallen bald oder spät alle Menschen, und gegen ihre Gewalt schützt keine Vorsicht, kein Klima, weder Alter, Geschlecht noch Temperament." (Theobius 1651, zitiert in: Bohn, S. 17 f.)
  175. Klebs, S. 7.
  176. Bohn, S. 66.
  177. Gins [1963], S. 12.
  178. Klebs, S. 7 f.
  179. Bohn, S. 59.
  180. Senn-Schnyder, S. 11 ff.
  181. ebd., S. 14 f.
  182. Smith, S. 40 ff.
  183. zitiert nach Dimsdale (ohne Quellenangabe) in: Hindemann Hans, Geschichte der Pockenprophylaxe im Kanton Zürich, S. 14, in: Zürcher medizingeschichtliche Abhandlungen, 4. Band, Zürich 1925.
  184. Hufeland, Die Blattern zu Weimar 1788, Leipzig 1789, S. 2, zitiert in: Lotz, S. 23.
  185. Dies konnte nach Ansicht des Collegy Insulari in Bern aber nur in Staaten geschehen, die "wol policiert" seien, also über eine Aufsicht verfügten, welche die angeordneten Massnahmen überwachen und gegebenenfalls auch durchsetzen konnte (StAB B XI 160).
    In Frankreich war diese Schutzmethode von 1763 bis 1774 untersagt, danach wurde sie auf Geheiss des Königs Louis XVI nach dessen Inokulation wieder gestattet (Hopkins, S. 62 und 70). Die meisten der Verbote erfolgten jedoch erst im frühen 19. Jahrhundert, nach der Entdeckung der Jennerschen Impfmethode. Untersagt wurde die Variolation 1805 in Russland, 1835 in Preussen, 1840 in England und 1870 in British India (WHO, S. 247). In Oesterreich durfte nur an Orten inokuliert werden, wo bereits die Pocken ausgebrochen waren (Bohn, S. 90).
  186. Smith, S. 36 f.
  187. Klebs, S. 16.
  188. Diese Fäden wurden bspw. von August Tissot in einem Buch aufbewahrt (ebd., S. 66).
  189. Bohn, S. 71 ff.
  190. Houlton Robert, Indisputable facts relative to the Suttonian art of inoculation, 1768, S. 7, in: Smith, S. 41.
  191. Smith erwähnt, dass bei Kindern eine von 30 Inokulationen tödlich verlief (Smith, S. 36). Bohn berichtet ebenfalls für Berlin von schweren Komplikationen bei einer von 30 Inokulationen (Bohn, S. 89).
  192. Smith, S. 42.
  193. Bohn, S. 72.
  194. Scherb Jakob Christoph, Ueber die Einpfropfung der Pocken, 1779, zitiert in: Hindemann, S. 21.
  195. So mussten im Jahr 1744 für die Inokulation an zwei Personen 20 Guineas [1 Guinea=21 Schilling] bezahlt werden (Smith, S. 37). Portmann (S. 294) erwähnt, dass namentlich bei Vertretern der gebildeteren Gesellschaftsschicht die neue Methode raschen Eingang fand und führt dies auf die aufgeschlossenere Geisteshaltung im Zeitalter der Aufklärung zurück. Der finanzielle Aspekt scheint im Hinblick auf die Verbreitung jedoch von weitaus grösserer Bedeutung zu sein als die aufgeklärte Geisteshaltung einer bestimmten sozialen Schicht.
  196. Hindemann, S. 21 f.
  197. ebd., S. 23 f. In England wurde bis in die 1760er Jahre die Verbreitung der Inokulation ebenfalls von Privatpersonen und nicht von Aerzten vorangetrieben. Die professionellen Aerzte und Inokulatoren warnten und beklagten sich aber immer mehr über die von den Laien angewandten Methoden und deren Impfstoff (vgl. Smith, S. 43 ff).
  198. vgl. Portmann, S. 298 und Klebs, S. 32.
  199. StAB, B XI 318.
    Dabei handelt es sich um einen Registerband über Erlasse, Unterlagen, Sammlungen von Tabellen und anderem Material. Die in diesem Band aufgeführten Bestände "sollen sich im Papier Saal der Kanzley befinden". Erhalten blieben jedoch nur die Hinweise, nicht aber die Schriften selbst.
  200. StAB B XI 160.
  201. StAB P.B. (Polizeibuch), A1, Nr. 470, Bd. 16 und StAB, B XI 318.
    Ob die Praxis der Inokulation auch unter die am 6. September 1785 vom Sanitätsrat der Stadt und Republik Bern erlassene Verordnung gegen die "Marktschreyer-, After- und Stümpelärzte" fiel, ist nicht bekannt. Bestimmt wurde folgendes: "Da Wir mit Bedauern und Unlieb wahrgenommen, dass viele fremde und einheimische After-, Marktschreyer- und Stümpel-Aerzte, wie auch solche Personen, welche weder die erforderliche Wissenschaft, Erfahrung noch Beruf haben, die Arznei- und Heilkunst ausüben, sich dem Hochoberkeitlichen Mandat vom 12. März 1765 zuwider, vermessen, Unserer gnädigen Herren liebe und getreue Angehörige, in ihren Krankheiten und Zufällen zu besorgen, so dass nicht nur viele ihr Zutrauen, so sie in dergleichen Leute gesetzt, mit dem Leben bezahlen oder einen elenden Leib davontragen müssen, sondern auch viele Krankheiten, welche von erfahrenen Leuten in ihrem Ursprung hätten geheilt werden können, sich ausdehnen und die Menge des Volks dahinraffen. Weilen Uns aber nichts so sehr an dem Herzen liegt wie das Wohlseyn Ihr Gnaden werthen Angehörigen, und ihr Leben in Unsern Augen theur und kostbar ist, so haben Wir aus Landesväterlicher Vorsorge geordnet und ordnen hiermit: [...] Dass niemand, es seye Manns- oder Weibspersonen, sich unterstehen solle, in Ihrer Gnaden Landen, Kranke zu besorgen, ihnen einige innerliche oder äusserliche Mittel zu geben oder zu verschreiben, sie seyen denn vorerst nach Unserer Gnädigen Herrn Ordnung vom 2. April 1733 entweder durch die medizinische Fakultät, die chirurgische Sozietät der Hauptstadt oder die äussern autorisierten Communen im Land, in ihrer Wissenschaft und Kunst genau und sorgfältig geprüft worden [...]. Sollte aber jemand, der nicht auf diese Weise die Fähigkeit dazu erlangt, verwegen genug seyn, wider diess unser Verbott, den geringsten Teil der Arzney- oder Heilkunst auszuüben, oder einige Arzneymittel oder Pflaster für Menschen zu verkaufen, dafür er von uns nicht die Erlaubnis erhalten, so soll ein solcher gleich Ihr Gnaden Herren Amtsleuten verleidet, in Gefangenschaft gelegt und wir dessen berichtet werden, um dergleichen unberufene Aerzte nach der Hochoberkeitlichen Verordnung an Ehr, Leib und Gut, und je nach Bewandtnis der Umständen, sogar mit dem Schellenwerk bestrafen zu können." In Bezug auf die auswärtigen Pfuscher und Quacksalber wurde folgendes erlassen: "Es gelanget demnach an alle und jede Ihr Gnaden Herrn Amtsleute teutsch und welscher Landen, wie auch alle Hochdere Ober- und Unterbeamte Unser ernstlich Will und Befehl dahin: dass künftig wider diese fremden After-, Marktschreyer- und Stümpel-Aerzte, Drogen- und Pflasterverkäufer die genaueste Achtung und strengste Wachsamkeit beobachtet werde. Zu welchem Ende auch jedermann schuldig und verbunden seyn solle, solche, sobald sich einer zeigen wird, dem gebührenden Richter anzuzeigen; selbiger dann ihn sogleich vor sich bescheiden [...] Desgleichen sollen ihm die mit sich führenden Arzneyen abgenommen, er selbst auf die nächsten Gränzen des Kantons geführt, und ihm allda seine Arzneymittel mit einem Exemplar dieser Verordnung zugestellt werden, mit der Bedrohung, dass, falls er zum zweytenmal in Ihren Gnaden Land sich blicken liesse, derselbe ohne Schonen mit der Schellenwerk-Strafe würde belegt werden." (zitiert in: Müller, S. 299 f.) Die Auslegung dieser Verordnung würde folglich auch die Inokulation durch medizinische Laien untersagen. Vermutlich war die Inokulation für Nichtmediziner zu diesem Zeitpunkt de jure auch verboten, aber dieses Gesetz verlor an Wirkung, da seine Durchsetzung nicht einfach war, wie sich übrigens auch viele weitere amtlichen Verfügungen und verwaltungspolizeiliche Massnahmen gegen die ins Kraut schiessende Quacksalberei als erfolglos erwiesen. Müller bezeichnet die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert als "Blütezeit der falschen Propheten auf allen Gebieten, die Zeit der Sektengründer, der Erwecker, der Marktschreier und der Kurpfuscher" (ebd., S. 9). Der Kampf gegen Kurpfuscher und Quacksalber zog sich noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein und auch Jeremias Gotthelf wurde als Aufklärer gegen diese medizinischen Praktiken vom Sanitätsrat in den 1840er Jahren in seine Dienste genommen.
  202. StAB B XI 160.
  203. StAB B XI 160.
  204. StAB B XI 160.
  205. StAB B XI 160.
  206. Beispielsweise wurden die "Feuergschauer" beim Ausbruch der Ruhr 1778 angewiesen, in ihren Quartieren alle zwei Tage den "Kehr" zu machen und die Sauberkeit der Kranken zu überprüfen. Sie mussten auch entscheiden, wo Absonderung und Ueberführung ins Notspital notwendig war und den Geistlichen mitteilen, wer unentgeltlicher Unterstützung und Behandlung bedurfte. Weiter hatten sie alle vier Tage Tabellen über die Zahl der Erkrankten, Genesenen und Verstorbenen zu erstellen (Reust, S. 84 f.).
  207. StAB B XI 318. Weiter findet sich schon fünf Jahre zuvor eine ähnliche Eintragung: "21. Xber [Dezember] 1782. Kinderblattern: Kinder die dieselben überstanden, dennoch aber davon nicht vollkommen gereiniget sind, sollen bey Haus behalten werden."
  208. Samuel-Auguste-André-David Tissot lebte von 1728 bis 1797. Als vierzehnjähriger erkrankte er an den Pocken. 1741 trat Tissot als "studiosus humaniorum litterarumque" in die Genfer Akademie ein. 1745 reiste er nach Montpellier, wo er 1746 beim Ausbruch einer schweren Pockenepidemie zu Dienstleistungen herangezogen wurde. 1749 kehrte er in die Heimat nach Lausanne zurück, wo er seine Erfahrungen über die Behandlung der Pocken in mehreren Fällen anwenden konnte. 1751 wurde er zu einem der Armenärzte der Stadt Lausanne gewählt (Hintzsche Erich, Albrecht von Hallers Briefe an August Tissot, Bern 1977, S. 18 f.).
  209. Klebs, S. 33.
  210. Es finden sich einige Beschwerden über die Vernachlässigung kranker Kinder. Bei der Ruhrepidemie von 1750 antwortet der Sanitätsrat auf eine diesbezügliche Klage der Pfarrer von Stettlen und Bolligen: "Fahls eint und andere Eltern aus gottlosem geiz getrieben, ihre kranken Kinder nit mit denen vorgeschriebenen wohlfeilen Arzneymitteln, und sonst mit raht und that besorgen würden, so dass sie deswegen verschmachten müessten, so würden sie zur Verantwortung gezogen." Der Stadtarzt von Greyerz, der 1778 bei einer Keuchhustenepidemie in Wattenwyl und Gerzensee wirkte, schreibt an den Sanitätsrat, dass mehrere erkrankte Kinder hätten gerettet werden können, wenn sie die "nötige hilf" erhalten hätten. Die Eltern hätten sie aber nicht "begehret" (Reust, S. 87).
    Imhof spricht davon, dass je später in der Geburtenfolge der überlebenden Geschwister ein Säugling zur Welt kam, desto geringer waren seine Ueberlebenschancen, da diese Neugeborenen offensichtlich einer bewussten Vernachlässigung ausgesetzt waren. Um 1800 schrieb ein bayerischer Zeitgenosse: "Der Bauer freut sich, wenn sein Weib ihm das erste Pfand der Liebe bringt, er freut sich auch noch beim zweiten und dritten, aber nicht auch so beim vierten. Da treten schon Sorgen an die Stelle der Freude. Er bedauert es, ein Vater vieler Kinder zu seyn, er hat für so viele keine gute Aussicht mehr, sein Vermögen ist zu klein. Er sieht alle nachkommenden Kinder für feindliche Geschöpfe an, die ihm und seiner vorhandenen Familie das Brod vor dem Mund wegnehmen. Sogar das zärtlichste Mutterherz wird schon für das fünfte Kind gleichgültig, und dem sechsten wünscht sie schon laut den Tod, dass das Kind (wie man sich hier ausdrückt) himmeln [= das irdische Jammertal verlassen und in den Himmel eingehen] sollte." Indizien also, die für eine mehr oder weniger direkte Nachhilfe beim Tod des Kindes durch die Eltern sprechen.
    Dieses Sterben im Säuglingsalter war wesentlicher Bestandteil einer von Gemeinschaftsseite akzeptierten "nachträglichen Familienplanung". Diesem Tod haftete somit nichts "Fürchterliches" an und er vollzog sich vielmehr hundertfach im stillen Einverständnis mit den Eltern (Imhof [1981], S. 43 f.).
  211. StAB, B XI 104, den 15. Herbstmonat 1804.
  212. StAB, MS c I 2.
  213. Hindemann, S. 21.
  214. zitiert in: Gins [1963], S. 14 f.
  215. Wobei zu erwähnen ist, dass sich auch Geistliche für den aktiven Schutz vor den Pocken einsetzten (vgl. WHO, S. 267 und Smith, S. 36). Der schon erwähnte Dr. Scherz von Bischofszell wollte sogar die Vorurteile durch die Lehrer der Religion bekämpfen lassen und sah es als Pflicht eines Religionsvertreters an, sich ebenso um das leibliche wie auch das geistliche Wohl seiner Glaubenskinder zu sorgen. Er war der Ueberzeugung, dass durch die Annahme dieser Sache seitens der Vertreter der Religion selbst die verstocktesten Gegner sich nicht mehr getrauen würden, öffentlich gegen die Impfung zu polemisieren (Hindemann, S. 22 f.).
  216. zitiert in: Völker Ariane, Einige Markierungspunkte aus der Geschichte der Pockenschutzimpfung, in: Zeitschrift für gesamte innere Medizin, Jg. 45 (1990), Heft 13, S. 395.
  217. zitiert in: ebd., S. 392.
  218. Dieser Vorwurf begleitete die ersten englischen Inokulationen (Bohn, S. 68.).
  219. StAB, MS c I 2.
  220. Völker, S. 392.
  221. Kant schreibt 1797 in der "Tugendlehre": "Wer sich die Pocken einimpfen zu lassen beschliesst, wagt sein Leben aufs Ungewisse, ob er es zwar thut, um sein Leben zu erhalten, und insofern in einem weit bedenklicheren Falle des Pflichtgesetzes, als der Seefahrer, welcher doch wenigstens den Sturm nicht macht, dem er sich anvertraut, statt dessen jener Krankheit, die ihn in Todesgefahr bringt, sich selbst zuzieht. Ist also die Pockeninoculation erlaubt?" Zu einem späteren Zeitpunkt schien er geneigt, dem Einzelnen die Entscheidung nach wie vor zu verweigern und lediglich dem Staat das Recht zur Einführung der Inokulation zuzugestehen (vgl. Bohn, S. 89 f., Völker, S. 392 und Kisskalt Karl, Die Sterblichkeit im 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 1921, S. 488). Auch gegen die Jennersche Schutzimpfung mit tierischer Materie hat Kant später eine ablehnende Haltung. Er sieht darin einen Rückfall in die Tierheit, befürchtete eine erhöhte Empfänglichkeit für Tierkrankheiten und bezweifelte grundsätzlich deren Schutzwirkung (Kisskalt, S. 489).
  222. Bohn, S. 89 ff.
  223. ebd., S. 90.
  224. Smith, S. 59 f.
  225. ebd., S. 67.
  226. Zu nennen sind die folgenden drei Innovationselemente:
    - neue Kulturpflanzen (Kartoffel und Ackerfutterpflanzen wie Klee und Luzerne)
    - eine neue Form der Viehhaltung (Stallfütterung im Sommer)
    - Veränderung des Landnutzungsmusters durch Einbezug der Brache und der Allmende in die Fruchtfolge.
    (vgl. Pfister Christian [1988], Klimageschichte der Schweiz 1525-1860, Bern 1988, Bd. 2, S. 105 ff.)
  227. Wrigley E. A., The growth of population in eigteenth-century England: a conundrum resolved, in: Past and present, Nr. 98, Feb. 1983, S. 121 ff.
  228. Turpeinen, S. 139.
  229. Razzell [1977a], S. 158.
  230. Für diese Aussage standen die Quellenaufnahmen der Todesursachen des gesamten Kanton Bern zur Verfügung, welche im Rahmen des Projektes BERNHIST erhoben wurden.
  231. In Kappelen werden lediglich "Kindsblattern" erwähnt. In Ins starben viele, vor allem Kinder, an den Pocken. In Siselen starben von 47 Personen 36 Kinder unter acht Jahren, diese können in Anbetracht der nahen Epidemie bei Ins ebenfalls zu den Pockentoten gerechnet werden. In Gsteig waren von 121 Toten 85 Kinder mit Blattern. In Ringgenberg haben die Blattern geherrscht und in Oberwil waren von 33 Toten 22 Kinder an den Blattern gestorben.
  232. 1771: Muri: Kindsblattern; Seeberg: von 56 Toten starben 48 Kinder unter 16 Jahren; 1772: Vinelz: viele starben an "convuls" und "variol"; 1777: Meiringen: Säuglinge, Kleinkinder; Steffisburg: von 97 Toten 20 Kinder an Pocken; 1778: Ursenbach: 9 Kindsblattern; Tavanne: la petite vérole (1777/78); 1781: Roggwil: 16 Kinder an Pocken; Meiringen: Kinder; 1782: Bargen: Blattern; Büren: Kinderpocken; 1783: Tramelan: ca. 80% der Toten sind Kinder unter 10 Jahren; Steffisburg: 14 Pockenfälle; 1784: Vinelz: viele starben an "convuls" und "variol"; 1787: Roggwil: Kinder mit Pocken ab August; Stettlen: 10 Kinder gestorben; 1788: Bolligen: Blattern; Büren: Kinderpocken; Ins: von 74 sind 30 an Pocken gestorben; Meiringen: von 96 Toten 62 Kinder an Blattern; Signau: von 29 Toten 11 an Kindsblattern; 1789: Tramelan: ca. 70% der Toten sind Kinder unter 10 Jahren; Gsteig: Pocken; Ringgenberg: Pocken; 1792: Utzenstorf: 1 Pockenfall; 1793: Rapperswil: Kinderblattern; Muri: 15 Kinder; Utzenstorf: 11 Pockenfälle; Guttannen: von 12 Toten 10 Kinder an Pocken; 1794: Kallnach: Kinderblattern; Lützelflueh: von 63 Toten 26 Kinder; 1797: Meiringen: Blattern; 1798: Bolligen: 14 Blattern; Utzenstorf: 3 Pockenfälle; Aeschi: "an Kindsblattern 42 Kinder und 1 Tochter"; Reichenbach: 27 Blattern; Brienz: viele Kleinkinder; Grindelwald: viele Kinder im Sommer; Lauterbrunnen: Kinderblattern; Ringgenberg: Kinder und Kleinkinder; Meiringen: von 143 Toten 103 Kinder an Blattern; Signau: viele Kinder an Kindsblattern im November und Dezember; Blumenstein: äusserst viele Kinder gestorben; Schwarzenegg: Pocken; 1799: Aarwangen: 44 Kinder gestorben; Bolligen: 27 Blattern; Bümpliz: Kinderblattern; Vechigen: Pocken; Oberburg: 36 Pockenfälle; Limpach: von 16 Toten 11 Pocken; Utzenstorf: 11 Pockenfälle; Beatenberg: von 35 Toten sind 21 unter 7 Jahren und 7 Säuglinge; Unterseen: Kleinkinder, Säuglinge; Signau: von 153 Toten 90 an Kindsblattern von Januar bis April; Reutigen: Kindsblattern; Schwarzenegg: Pocken; Steffisburg: von 167 Toten sind 67 Kinder an Blattern; Wangen: Blattern; 1802: Bargen: 17 von 19 Toten sind Kinder an den Blattern; Kallnach: Kinderblattern ab November; Wohlen: Blattern; 1803: Kallnach: Kinderblattern bis Mai; Lengnau: Kinderblattern; Lauenen: von 150 Toten 60 Kinder an Kinderblattern; 1804: Vechigen: Pocken; Lauterbrunnen: Kinderblattern; Leissigen: viele Kinder; Gadmen und Guttannen: Blattern; Meiringen: von 207 Toten 149 Kinder an den Blattern vom Mai bis Juli; Signau: von 62 Toten 12 an den Kindsblattern; Därstetten: "die meisten Kinder starben an den natürlichen Blattern"; Eriswil: Blattern; 1805: Bolligen: Fieber, Blattern; Frutigen: "davon 79 an Blattern"; Reichenbach: Pocken; Schwarzenegg: Pocken.
  233. So können die Pocken bspw. im Jahr 1804 unmöglich nur in den in den Rödeln aufgeführten acht Kirchgemeinden vorgekommen sein, da die Epidemie dieses Jahres zugleich auch der Auslöser war für die Regelung des Impfwesens durch den Staat: "Den 27st Juny 1804. An alle Herren Oberamtsleute mit Ausnahm Bern. Die in mehrern Gegenden unsers Cantons besonders aber im Oberland dieses Frühjahr hindurch geherrschte theils noch herrschende Poken Epidemie hat bey uns den Wunsch erregt, über diesen Gegenstand nähere und bestimmtere Berichte einzuziehen, um ein Resultat daraus zu ziehen, und daselbe bey der allgemeinen Einführung der Schutzblattern Impfung benutzen zu können." (StAB B XI 104) Dass die eingeforderten Berichte häufig sehr spät oder überhaupt nicht eingereicht wurden, wird immer wieder beklagt. Die Amtsleute werden zwar um rasche Erledigung gebeten: "Die Beanthwortung dieser Fragen, die Sie am füglichsten und am besten durch die Herren Pfarrherren erhalten könnten, belieben Sie so viel möglich zu befördern." (StAB B XI 104) Aber immer wieder beklagen sich die jeweils amtierenden Oberimpf-Aerzte über das mangelnde Erstellen und Einsenden der Listen. Aus diesem Grund konnte auch der erste Impfbericht für die Jahre 1804 und 1805 nicht erstellt werden, da lediglich 38 Berichte (von 48) eingereicht wurden und diese zudem in vielen Fällen sehr mangelhaft geführt worden waren (StAB B XI 370).
  234. "The second half of the 18th century saw smallpox at ist most destructive stage in Europe." (WHO, S. 258)
  235. StAB, Mandatenbücher IV.58, 1785: "Von diesem Bogen wird ein jeweiliger Herr Secretarius des Hohen Gesundheitsrathes, etwelche Stück jedem Herrn Pfarrer zuschicken, in dessen Kirchspiel ein Faulfieber herrscht.- Nach Hohem Befehl soll Dieser alsdann nach jedem Gottesdienst, diese Räthe in der Kirche vorlesen, und den Vorgesetzten seiner Gemeinde die übrigen Exemplare austheilen, damit sie, nach Ihrer Pflicht, den Innhalt so viel möglich bekannt machen und empfehlen."
  236. Diese Ratgeber sind als besonderer Gegenstand der Wissenschaft in das System der "medicinischen Policey" (vgl. Kap. 2.2.3.) gebracht worden. Dieses System ist zu verstehen als die Summe der Massnahmen zur Verhinderung von Verlusten an Nutztieren und Menschen, die bei der angestrebten höheren Bevölkerungs- und Viehdichte unweigerlich zu erwarten waren (vgl. Pfister [1989], S. 349 ff.).
  237. Fenner F., Smallpox and its eradication, Genf 1988; Smith J. R., The speckled monster, smallpox in England 1670 - 1970, Chelmsford 1987; Hopkins Donald, Princes and peasants - smallpox in history, Chicago 1983; Razzell Peter [1977b], Edward Jenners cowpox vaccine: the history of a medical myth, Sussex 1977.
  238. Wobei in der preussischen Armee die Erstimpfung für die Mannschaft schon im Jahr 1826 obligatorisch erklärt wurde (vgl. Beiträge zur Beurtheilung des Nutzens der Schutzpockenimpfung, hrsg. vom kaiserlichen Gesundheitsamt, Berlin 1888, S. 116).
  239. WHO, S. 271 f.
  240. zitiert in: Gins [1963], S. 31 f.
  241. So zieht Dr. Fueter von Bern 1830 folgende Schlüsse:
    "1) Die Vaccine schützt bei Pokenepidemieen nicht unbedingt sicher vor Anstekung; [...]
    3) es werden auch Vaccinierte ausnahmsweise von den Blattern im ausgebildetsten Grade befallen; [...]
    7) die allgemeine Vaccination schützt nicht unbedingt vor dem Aufkommen von Blatternepidemieen;
    8) die Krankheit scheint jedoch an denjenigen Orten, wo die Mehrzahl der Einwohner geimpft ist, langsamer und schwerer Wurzeln zu fassen und viel leichter in ihrem Entstehen unterdrükt werden zu können; [...]
    10) es ist nur wahrscheinlich, aber nicht gewiss, dass mit der Entfernung vom Zeitpuncte der Impfung die Empfänglichkeit für das Pokencontagium zunehme;
    11) eine zweite Impfung in einem entfernteren Zeitraume, scheint häufiger erfolgreich gewesen zu sein, als eine in einem kürzern Zeitabschnitte nach der ersten vorgenommene;
    12) eine wiederholte Vaccination scheint daher die Schutzkraft derselben zu erhöhen;" (in: Schweizerische Zeitschrift für Natur- und Heilkunde, Bd. V, Jg. 1838, S. 104 ff.)
  242. Bei der Einführung der Revaccination gehörten deutsche Staaten zu den Ersten. Sie wurde erstmalig in Württemberg 1829 eingeführt und ab 1833 folgten diesem Beispiel andere deutsche Staaten (vgl. WHO, S. 272). 1834 wurde die Revaccination in der preussischen Armee ebenfalls verordnet: "Diejenigen Rekruten, bei welchen unverkennbare Narben der schon überstandenen Menschenpocken nicht vorhanden sind, und welche, obschon früher geimpft, durch Impf-Atteste nicht darthun können, dass sie bereits vor ihrer Einstellung, jedoch nicht länger als 2 Jahre vor derselben, mit Erfolg revakzinirt worden sind, sollen in den ersten 6 Monaten ihrer Einstellung [...] revakzinirt werden." (vgl. Beiträge zur Beurtheilung des Nutzens der Schutzpockenimpfung, S. 119)
  243. WHO, S. 265.
  244. In der "Instruktion für die patentirten Aerzte und Wundärzte des Cantons Bern" wurde auf die körperliche Konstitution der Impfstoffspender hingewiesen: "Die Impfärzte sollen, es sey um sogleich damit fortzuimpfen, oder dieselbe aufzubewahren, nie Impfmaterie von Subjekten nehmen, die mit ungesunder Leibesbeschaffenheit, vorzüglich mit Hautausschlägen behaftet sind." (StAB MS c I 2)
  245. So schreibt der preussische "Staatrath und Direktor der wissenschaftlichen Medizinal-Deputation" an den Leiter des Königl. Impfinstitutes, Dr. Bremer, im Dezember 1812: "Es wird gegenwärtig von manchen hiesigen Aerzten und Wundärzten behauptet: [...] Dass die Kuhpocken-Impfung kein absolut unschädliches Mittel sey, sondern dass selbst bey ganz gesunden Kindern, zumal im ersten Lebensjahre, bedeutende und gefährliche Geschwüre, Haut-Ausschläge, Augen-Uebel, als Folge dieser Impfung vorkommen." (zitiert in: Gins [1963], S. 282 f.)
  246. "[...] hat der Kleine Rath bereits unterm 4. May diess Jahrs beschlossen, die allgemeine Einführung der Kuh oder Schutzpoken durch Bezahlung der an den Armen geschehenden Impfungen aufzumuntern und zu befördern." (StAB B XI 104)
  247. "Es gelanget demnach unser höfliches Ersuchen an Sie, Tith., uns über folgende Fragen Bericht zu geben.
    1. In welcher Gemeinde ihres Amts haben sich die Kindsblattern in diesem Jahr gezeigt und wo herrschen dieselben noch?
    2. Wieviel Menschen sind darvon gestorben, und wieviel genesen?
    3. Sind die Kranken alle Kinder gewesen, oder haben sich darunter auch erwachsene Personen befunden?
    4. Haben vaccinierte Menschen auch die natürlichen Poken bekommen? Bejahenden Falls wieviel sind davon gestorben und wieviel genesen?
    5. Wer hat diesen Menschen die Kuhpoken oder Schutzblattern eingeimpft?"
    Zur Beantwortung dieser Fragen wurde empfohlen, sich bei den Pfärrern zu erkundigen, da diese in den Rödeln Alter und Todesursache führen sollten (StAB B XI 104).
  248. "3. 7bris 1804. Zedel an M[eine] h[ochgeehrten] H[errn] Doktor Wyss und Doktor Bitzius. Mit vollem Zutrauen überlassen M[eine] h[ochgeehrten] H[erren] die Sanitäts Räthe Ihnen, M[eine] h[ochgeehrten] H[erren], die Auswahl der anzustellenden Schutzblatern Impfärzte von Ihnen aus zu treffen, und ersuchen Sie höflichst, nunmehrs die sämtlichen Arbeiten zu allgemeiner Einführung der Vaccine gänzlich zu beendigen, und dem neuen Sanitäts Rathe in einer der ersten Sitzungen vorzulegen." (StAB B XI 104)
  249. Wobei der Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1814 bis 1830 berichtet: "Die 1798 bekannt gewordene Jennersche Entdeckung, im Jahre 1800 in Paris und Genf durch eigene Commissionen geprüft, wurde 1802 auch in Bern, doch ohne Erfolg, versucht. Mehr als Erörterungen half ein in den höhern Ständen gehabter Fall der Sache auf. Unmethodische Vaccination durch Laien schadete von neuem der Sache, da 1803 und 1804 eine Blatter-Epidemie eine Menge Sichergeglaubte ergriff." (Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1814 bis 1830, S. 489 f.)
  250. StAB B XI 104.
  251. Die Armenimpfung wird auch als Schutz für die nichtarme Bevölkerung verstanden: "Durch diese bedeutende Menge von Impfungen, ist auch in diesen Gegenden die Pockenepidemie schnell unterdrückt worden, wodurch dieselbe auch keinen bösartigen Boden finden konnte; was besonders dennzumal geschieht, wenn dieselbe sich in den Hütten der Armuth, wo im Allgemeinen Unreinlichkeit und Sorglosigkeit herrscht, einnistet, und bald auf einen bedeutenden Grad von Bösartigkeit steigen kann, der durch seine miasmatische Ausbreitung dann auch für eine grosse Gegend gefährliche Folgen nach sich ziehen könnte;" (Flügel, S. 7)
  252. "Ein Versuch, die wahren Kuhpocken von den Eutern einer Kuh in der Nähe von Bern zu gewinnen, misslang zwar, jedoch glaubte die Regierung, die gemachte Anzeige belohnen und dadurch Aufmunterung für künftige Fälle wecken zu sollen." (Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1836 und 1837, S. 34) "Bei uns kommt die spontane Entwicklung der Kuhpocken an den Eutern der Kühe noch bisweilen vor, allein manche Eigenthümer oder Wärter sind mit derselben nicht bekannt, oder scheuen sich, die Sache Privatpersonen oder Behörden mitzutheilen, obwohl für solche Anzeigen eine Belohnung ausgesetzt ist. Auf die Anzeige im Herbste 1838, dass bei der Wegmühle Pocken an den Eutern vorkommen, begab sich der Herr Oberimpfarzt mit Herrn Professor Koller dorthin, fand bei zwei Kühen noch etwas Ausschlag und Materie, impfte damit vier Kinder, doch ohne Erfolg" (Staatsverwaltungbericht für das Jahr 1838, S. 45 f.) Erstmals konnte 1844 ein Erfolg ausgewiesen werden: "So gelang es auch wirklich 1844 bei einer jungen Kuh hierseitiger Landesrace im Thalbrünnli, Gemeinde Köniz, Stoff zu fassen, womit sogleich ein 6 Monat altes Kind mit Erfolg geimpft wurde. Dieser Kuhpockenstoff wurde in verschiedene Oberämter des Cantons und in mehrere benachbarte Cantone versandt, und lieferte, so viel bekannt, ein höchst günstiges Resultat." (Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1844, S. 64)
  253. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1843, S. 54.
  254. Obwohl in der "Instruktion für die patentirten Aerzte und Wundärzte des Cantons Bern" von 1804 den Aerzten fünf Batzen für jede an einem Armen verrichtete und gelungene Impfung in Aussicht gestellt wurden, scheint der Betrag halbiert worden zu sein (Nach dem Kronensystem ist ein Batzen gleich vier Kreuzer, d.h. 10 Kreuzer entsprechen 2,5 Batzen, vgl. Schulpraxis, Zeitschrift des Bernischen Lehrervereins, 78. Jg., Nr. 4, Bern, Dezember 1988, S. 35). Zu einem späteren Zeitpunkt wurden dann jedoch die versprochenen fünf Batzen ausbezahlt. Zu welchem Zeitpunkt der Tarif geändert wurde, ist mir aber nicht bekannt. Auch durch das Impfgesetz, welches am 1. Januar 1850 in Kraft trat, wurden immer noch fünf Batzen zugesprochen. 1866 findet sich der erste Hinweis auf eine Aenderung der Prämie, welche nun 70 Cts. ausmachte.
  255. StAB B XI 370. Die bei den Aerzten einsetzende oder vorhandene Frustration ist auch verständlich, wenn man sich die Umstände vergegenwärtigt, unter denen oftmals geimpft werden musste: "Dieses beschwerliche Geschäft erhöhet um so mehr das Verdienst dieser Impfärzte besonders auf dem Lande, welche entweder in bedeutend entlegenen Gegenden oder Wohnungen dieses Geschäft an Einzelnen zu verrichten haben, oder die Kinder an bestimmte Orte zu versammeln suchen, wo dieselben dann umgeben von einer Menge schreiender Kinder, in niedern oft kleinen Zimmern, ausgesetzt den Einwendungen oder Vorwürfe der Mütter, oder öftern Weigerungen den Impfstoff von schönen Pusteln zur Impfung anderer Kinder nehmen zu können, so dass der Arzt schon oft genöthigt war, die wartenden Eltern und Kinder ohne Impfung zurückzusenden, oder mit trocknem Stoff wieder anzufangen." (Flügel, S. 6)
  256. "Sie führen eine genaue Controlle aller Geimpften, mit Beyfügung alles merkwürdigen, was sich etwa im Verlaufe der Krankheit, oder auch nach derselben, wenn es einigen Bezug auf die Krankheit hat, zuträgt. [...] Sie senden alljährlich im Laufe des Monats Jenner, dem ersten Armen Impf-Arzt in Bern, zu handen des Gesundheits Rathes, die mit obgenannten Bemerkungen versehenen Listen, aller im verflossenen Jahr geimpften Personen ein." (StAB B XI 104)
  257. Flügel berichtet von der Pockenepidemie 1832 folgendes: "Nach den erhaltenen Berichten belief sich die Zahl der vom Oktober 1831 bis Ende Jahr 1832 ergriffenen Pockenkranken auf beinahe 1800 Personen, welche Zahl gewiss doppelt angenommen werden kann, wegen der Saumseligkeit vieler Aerzte, die ihnen bekannt gewordene Pockenfälle nicht mitgetheilt zu haben, und wegen den vielen Pockenkranken, die keinem Arzt bekannt worden sind." Auch der Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1838, S. 45, hat zur Klage Anlass: "Aus sechs Oberämtern sind aber keine Tabellen eingelangt, und ausserdem werden noch 10 Impfkreisärzte bemerkt, die ihre Tabellen noch nicht eingesandt haben; drei sind sogar seit 1833 im Rückstande; [...] Es ist daher klar, dass die Zahl der Impfungen jährlich nur approximativ angegeben werden kann: eine grössere Strenge bei Einforderung dieser Tabellen wird durchaus nothwendig, wenn nicht alle statistischen Angaben völlig illusorisch werden sollen."
  258. "Bey Anlass der Einführung der Schutzpoken-Impfung im Canton Bern, wurde der Wunsch geäussert, dass der Sanität Rath alljährlich von den Hl. Pfarrherren die Listen der in ihren Pfarrbezirken Geborenen und Todten besser erhalten möchte, um daraus ungefähr die Anzahl der Impffähigen, sowie auch denjenigen Subjekten ersehen zu können, welche allenfalls im Laufe des Jahres an den Kindsblateren zu sterben käme. Es wurde daher unterm 27. Dec. 1806 den Hl. Pfarrherren aufgetragen jährlich durch ihre betrefenden Ober Aemter dem Sanität Rath Geburts und Sterbelisten einzuschiken, in welchen lezteren die Kirchhöre, das [unleserlich], der Pruf und Geschlechts Name, das Alter, der verheyrathete oder ledige Name des Verstorbenen angegeben, und zugleich angemerkt werden sollte, welche an den Kindsblateren gestorben wären." (StAB B XIII 628)
  259. Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1814 bis 1830, S. 491 f.
  260. StAB B XI 371.
  261. StAB B XIII 628.
  262. Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1814 bis 1830, S. 492.
  263. "Instruktion für die patentirten Aerzte und Wundärzte des Cantons Bern; betreffend die Impfung der Schutzpocken im allgemeinen, und insbesondere die auf obrigkeitliche Rechnung zu machenden Impfungen an armen Personen" (StAB MS c I 2).
  264. Der Sanitätsrat erliess eine allgemeine Aufforderung zur Impfung, welche auch von der Kanzel verlesen wurde und "im Uebrigen sollten die Häuser und Familien, wo sich Pokenkranke fanden, in Bann gethan, und die Hausthüren mit der Aufschrift: "Kindsblattern" versehen werden; der Zweck wurde jedoch nur theilweise erreicht. Da die Vaccination im Canton Bern nicht gesezlich eingeführt ist, so wurde die Anwendung der vorgeschriebenen Verordnungen auch äusserst verschiedenartig ausgeführt, und hieng sowohl von den mehr oder weniger günstigen Ansichten der Oberamtleute, als von dem Eifer der Aerzte ab." (Schweizerische Zeitschrift für Natur- und Heilkunde, Bd. V, Jg. 1838, S. 99)
  265. StAB B XI 370.
  266. "So lange ein grosser Theil des Publikums die Furcht vor Mittheilung noch anderer Ansteckungsstoffe mit dem Kuhpockenstoff, oder ähnlicher Vorurtheile nicht aufgeben wollte; sobald auch in neuern Zeiten manche Vaccinierte dennoch später von den Blattern befallen wurden, lag es nicht in der Handlungsweise der obern Behörden, die persönliche Freiheit zu beschränken. Um so angelegener liessen sich es dieselben seyn, auf indirekten Wegen, auch selbst mit ansehnlichen Geldopfern, die Schutzimpfung extensiv und intensiv zu fördern, wiewohl es leicht und wohlfeil gewesen seyn dürfte, mit einem Gesetze zum gleichen Zwecke zu gelangen." (Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1814 bis 1830, S. 491)
  267. Zur Aufbewahrung des Impfstoffes "schicken sich am besten 1,5 Zoll breite, gevierte Glasplatten. Will man auf solche Impfstoff auffassen, so macht man mit der Lanzette in die reife Pustel eines Impflings mehrere Stiche, so dass die Impfmaterie ausschwitzt. Nun druckt man die Glasplatten unmittelbar auf die geöfnete Pustel auf, so dass die ausrinnende Flüssigkeit am Glase kleben bleibt, diese lässt man erst in einer mässig warmen Athmosphäre trocken werden, und legt alsdenn immer zwey solche Glasplatten, mit dem Impfstoff nach innen gekehrt, auf einander, verklebt die Ränder sorgfältig mit Wachs, oder Schweinsblase, so dass weder Luft noch Feuchtigkeit zwischen dieselben eindringen kann, und bewahrt sie an einem kühlen und trocknen Ort auf."
  268. StAB MS c I 2.
  269. Dr. Fischer (neugewählter Oberimpfarzt), Bericht über Schutzpockenimpfung und Impfanstalt während dem Jahr 1835, Bern 1837.
  270. Flügel, S. 9.
  271. StAB B XI 370.
  272. Wobei "Geschäft" hier nicht unbedingt im Zusammenhang mit materieller Bereicherung zu verstehen ist, sondern eher als ein Geschäft, welches der Menschheit eine Wohltat erweist. Oder wie es Dr. Lehmann aus Langnau (welcher das dortige Impfdepot leitete) in der Schweizerischen Zeitschrift für Medizin, Chirurgie und Geburtshülfe, Jg. 1853, S. 36 ff., formulierte: "Sie [die Aerzte] sind, wie J. P. Frank [der Verfasser der 'medicinischen Policey'] sagt, die natürlichsten Wächter des öffentlichen Gesundheitswohles. Eine grossartige Aufgabe, eine erhabene Pflicht! in deren getreuer Erfüllung der ärztliche wie kein anderer Stand seit Jahrhunderten der Menschheit die grössten Dienste geleistet und seine eigene hohe Würde und Wichtigkeit dadurch bewiesen hat." Im Zusammenhang mit dem Impfwesen meinte Lehmann: "Möchten doch die Aerzte überhaupt erkennen, welches schöne Amt, welche wichtige Pflichten ihnen in dieser Beziehung obliegen, und sie getreulich erfüllen!"
  273. vgl. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1840, S. 54.
  274. StAB B XI 370.
  275. WHO, S. 267.
  276. Der Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1814 bis 1830, S. 490, berichtet dazu folgendes: "Unmethodische Vaccination durch Laien schadete von neuem der Sache, da 1803 und 1804 eine Blatter-Epidemie eine Menge Sichergeglaubte ergriff."
  277. Lotz, S. 104 f., beschreibt den "Impfrothlauf" folgendermassen: "Die wichtigste und am häufigsten lebensgefährliche Erkrankung in Folge des Impfens ist der Impfrothlauf. Rothlauf kann sich bekanntlich von jeder kleinen Wunde aus entwickeln. [...] In bösartigen Fällen beschränkt sich der Rothlauf nicht auf den Arm, sondern wandert über eine grössern Theil der Körperoberfläche weiter und kann unter hohem Fieber, häufig unter eitrigen Entzündungen des Unterhautzellgewebes den Tod herbeiführen, [...] z. Th. mit Ausgang in Tod unter Convulsionen." Aus dieser Beschreibung kann vermutet werden, dass es sich beim "Rothlauf" um Wundbrand oder Starrkrampf handelt.
  278. vgl. Bohn, S. 312 ff. und Lotz, S. 108 ff.
  279. Völker, S. 393.
  280. Von der Sanitätskommission an Gotthelf, zitiert in: Müller, S. 57.
  281. "Aber noch in einem musst du aushelfen, wenn die Sache Ernst ist. Von der Medizin verstehe ich den Teufel nichts, kann daher die Quacksalberei nicht in ihrer Anschaulichkeit darstellen, oder, wenn ich's versuche, so riskiere ich die gröbsten Böcke. [...] Nun habe ich dich erkoren zum Einseher des Dinges." Gotthelf an Fueter, 10. März 1842, zitiert in: Müller, S. 58 f.
  282. Gotthelf, Anne Bäbi Jowäger, Zürich 1963, S. 29 f.
  283. ebd., S. 32 f.
  284. ebd., S. 36.
  285. Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1831 bis 1833, S. 64.
  286. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1838, S. 45.
  287. ebd., S. 46.
  288. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1842, S. 56.
  289. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1843, S. 53.
  290. Tagblatt des Grossen Rates, 1849, S. 758 ff.
  291. StAB MS c I 2.
  292. Tagblatt des Grossen Rates, 1849, S. 759.
  293. ebd., S. 200.
    Gubler schreibt 1915 zum selben Thema: "Wenn wir also streng logisch unsere Konsequenzen ziehen wollten, müssten wir auch für unser Land den Impfzwang fordern; denn dadurch würden wir demselben den denkbar höchsten Grad von Schutz gegen die Pocken sichern. [...] Wenn wir nun trotzdem für die Schweiz die Einführung des Impfzwanges nicht postulieren, so geschieht es aus folgenden Gründen. Ein Impfzwangsgesetz ist seiner Natur nach ein ausgesprochenes Polizeigesetz. Nun besteht in unserer Bevölkerung eine, vielfach nicht ganz ungerechtfertigte Abneigung gegen solche Gesetze, da sie die Freiheit des Einzelnen stark einschränken und ihn von Staatswegen gewissermassen bevormunden." (Gubler Robert, Pocken und Pockenschutzimpfung mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in der Schweiz, Basel 1915, S. 46)
  294. StAB MS c I 2.
  295. Schweizerische Zeitschrift für Medizin, Chirurgie und Geburtshülfe, Jg. 1853, S. 49 f.
  296. ebd., S. 50.
  297. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1851, S. 59.
  298. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1852, S. 37.
  299. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1855, S. 21.
  300. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1856, S. 31.
  301. Schweizerische Zeitschrift für Medizin, Chirurgie und Geburtshülfe, Jg. 1853, S. 50.
    Auch nach dem Verbot des Transportes von Pockenkranken vom dem Dezember 1864 (vgl. Verordnung betreffend den Transport von Blatternkranken, Bern 1864) geschah dies immer noch (vgl. Fussnote 169).
  302. So wurde bei der Epidemie der Jahre 1831/32 in Bern ein solches Spital eingerichtet: "Da der Inselspital nicht für ansteckende Krankheiten bestimmt und eingerichtet ist, so musste eine besondere Anstalt zu Besorgung armer Kranker eingerichtet werden. Auf den Vorschlag der Sanitätsbehörde geschah dieses dadurch, dass das Haus Nro. 94 an der Matte in Bern, das bereits als Choleraspital eingerichtet war, zu einem Pockenspital bestimmt wurde, und zwar für Kranke aus der Classe der Dienstboten, Handwerksgesellen und anderen Personen, welche durch Armuth oder sonst ausser Stande waren, sich selbst gehörig besorgen zu lassen [...] Bei der abnehmenden Epidemie [...] beschloss die Regierung unterm 23. April keine neuen Pockenkranke mehr in der Anstalt aufzunehmen und dieselbe allmählig eingehen zu lassen. Der Spital wurde somit unterm 26. gleichen Monats geschlossen." (Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1831 bis 1833, S. 73 f.) Unter anderem auch bei den Ausbrüchen der Pocken in den Jahren 1843, 1864/65 und 1870 bis 1872 wurden kurzfristig spezielle Pockenspitäler bereitgestellt.
  303. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1877, S. 217.
  304. Folgende Publikationen entstammen der Feder von Adolf Vogt:
    - Die Pocken- und Impffrage im Kampfe mit der Statistik. Eine kritisch-statistische Studie, in: Zeitschrift für Schweizerische Statistik, 1877, S. 14 - 31. (und als Erwiderung auf diesen Artikel: Theodor Lotz, Die Impfungen im Kampfe mit den kritisch-statistischen Studien des Herrn Prof. A. Vogt, in: ebd., 1877, S. 118 - 124, sowie: Burckhardt-Merian, Zusammenstellung der Voten der sämmtlichen Legitimen Schweizer Aerzte, die Impfung betreffend, in: Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte, Jg. VII, 1877, Nr. 3 und 4.)
    - Ein Postskriptum zu meinem Aufsatze 'Die Pocken- und Impffrage im Kampfe mit der Statistik', in: ebd., 1877, S. 173 - 179. (dazu wieder: Theodor Lotz, Etwas mehr Licht über die Impffrage und deren Behandlung durch Herrn Prof. A. Vogt in Bern, in: ebd., 1877, S. 201 - 214, und: Rudolf Escher, Beitrag zur Kenntnis der Vogtschen Impfstatistik, in: ebd., S. 214 - 216, sowie: Lotz Th. und Zehnder C., Schutzpockenimpfung und Tendenzstatistik, Zürich 1878)
    - Für und wider die Kuhpockenimpfung und den Impfzwang etc. Den schweizerischen Bundesbehörden gewidmet. Bern 1879.
    - Pockenseuche und Impfverhältnisse in der Schweiz, Bern 1888.
    Sowie als weiteren Gegner des Impfzwanges: Füri Johann, Offene Fragen an die Tit. Direktion des Innern in Betreff der Blattern- und Impfstatistik des Kantons Bern, Bern 1884.
    Die Diskussion wurde in den 1870er und 1880er Jahren nicht nur auf schweizerischer, sondern auf gesamteuropäischer Ebene geführt, vgl. dazu Bohn, S. 285 ff.
  305. Der Impfgegner [später "Impfzwanggegner"], Organ der Impfgegner Deutschlands, Oesterreichs, der Schweiz und Hollands. Erstmals erschien diese Zeitschrift 1876. Leider sind die Nummern dieses Blattes in der schweizerischen Landesbibliothek verschollen und als verloren anzusehen. Eine einzige Nummer aus dem Jahr 1883 wird im Staatsarchiv des Kantons Bern aufbewahrt (StAB MS c I 4). Wenn diese repräsentativ für alle anderen Ausgaben ist, wurde vor allem mit statistischem Material jongliert, die Schädlichkeit der Impfung gebetsmühlenartig wiederholt, der Eingriff in die persönliche Freiheit des Individuums beklagt, Fälle von durch Impfungen aufgetretenen Schädigungen behandelt etc.
  306. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1880, S. 249.
  307. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1882, S. 174.
  308. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1885, S. 256.
  309. Beilagen zum Tagblatt des Grossen Rathes, Nr. 19, 1894, S. 239 f.
  310. Tagblatt des Grossen Rates, 1895, S. 25.
  311. StAB B XI 370 und 371.
  312. Dieses Plazieren eines Sternes geschah bei der Aufnahme der Daten durch Zuweisung eines simplen Codes bei der Variable EPIJAHR: 1 bedeutet ein Epidemiejahr, 0 keines. Mit ANNOTATE unter GPLOT des Softwarepaketes SAS (Statistical Analysis System) war es danach möglich, die Grafiken serienmässig zusätzlich mit verschiedenen Symbolen zu versehen.
  313. Zahlen aus: Datenedition BERNHIST.
  314. Das Erscheinen des Symbols für die nicht komplette Einreichung der Impfstatistiken wurde mit der Variable IMPFSTAT gesteuert. 1 steht für fehlende Tabellen, bei 0 wurden keine Klagen über ausstehende Listen artikuliert.
  315. Zahlen aus: ebd.
  316. Der damalige Oberimpfarzt Schiferli erwähnt in seinem Bericht: "Jzt kannten die Impfärzte den Fortgang der Anstalt noch nicht, sie wussten nicht was etwa für Vortheile ihnen zufallen möchten, einerseits, und anderseits erforderte es doch ihr Ehrgefühl sich zum erstenmale durch eine angefüllte Impftabelle bey Eure Wohlgeboren zu empfehlen." (StAB B XI 370)
  317. StAB B XI 370.
  318. "[...] dass von 22. Oberämtern des alten Cantons nur 8 von den wahren Poken frey blieben." (StAB B XI 370)
  319. StAB B XI 370.
  320. StAB B XI 370.
  321. StAB B XI 370.
  322. StAB B XI 370.
  323. StAB B XI 370.
  324. StAB B XI 370.
  325. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1855, S. 19.
  326. 1864 wurden 163 Kranke und 15 Tote gezählt, 1865 366 Kranke und 30 Todesfälle.
  327. Vermisst wurden 1873 die Impfbücher der Kirchgemeinden Sombeval, Tramlingen, Genevez, La Joux, Sornetan, Dachsfelden, Unterseen und Seeberg. 1874 wurden von total 21 Kirchgemeinden keine Bücher eingesandt (3 Kirchgemeinden des Amtes Freibergen, 3 von Interlaken, 2 von Nidau und 13 von Pruntrut). (Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1873, S. 302, und 1874, S. 438)
  328. Diese zwei ersten Faktoren bestimmten im wesentlichen auch den Grad der Ablehnung oder Zustimmung der Impfung in der Bevölkerung.
  329. Beispielsweise Hirsch August, Handbuch der historisch-geographischen Pathologie, Erlangen 1860, S. 214 ff., Bohn, S. 3 ff., Wernher Adolf, Das erste Auftreten und die Verbreitung der Blattern in Europa bis zur Einführung der Vaccination, Giessen 1882, S. 12 ff., Gins Heinrich [1917], Der Pockenschutz des deutschen Volkes, Berlin 1917, S. 2 ff. etc.
  330. Wernher, S. 15 ff.
  331. Hopkins, S. 100 f.
  332. Carmichael, S. 157.
  333. "[...] sure instances of killing smallpox epidemics are very difficult to find. One cannot but wonder why a disease so lethal in the eigteenth century caused neither demographically appreciable losses nor much concern to those living before the sixteenth century." (Carmichael, S. 154)
  334. Hopkins, S. 27 ff.
    Bei Imhof, welcher sich mit der demographischen Entwicklung Islands seit dem 9. Jahrhundert auseinandersetzte, finden sich jedoch keinerlei Hinweise auf diese Ausbrüche im 13. Jahrhundert ( vgl. Imhof [1977a] und ders. [1977b]).
  335. WHO, S. 229 ff.
  336. Für Island stützt sich Hopkins auf Edwardes E., A century of vaccination: Small-pox epidemics and Small-pox mortality before and since vaccination came into use, London 1902 sowie ders., A concise history of Small-pox and vaccination in Europe, London 1902. Vermutlich beruft sich Edwardes auf Wendt, Beiträge zur Geschichte der Menschenpocken im dänischen Staate, Kopenhagen 1825. Im Falle Englands benutzt Hopkins einen Beitrag von Paschen, Die Pocken, Berlin 1924. Und für Frankreich baut er seine Aussage auf Rolleston J., The smallpox pandemic of 1870-1874, London 1933, auf.
  337. Carmichael, S. 155.
  338. "There was the most dreadful outbreak of smallpox this year that anyone could remember, from the middle of August till after St. Andrew's day, especially affecting young children; more than six thousand people in Paris suffered from it during this period. Many of them died of it and many died after they had recovered from this accursed smallpox. A lot of grown men and women of all ages fell ill of it, in Paris especially." (A parisian journal, ed. and trans. Shirely Janet, Oxford 1968, S. 359, zitiert in: Carmichael, S. 155) Shirley nimmt im Gegensatz zu Carmichael für Paris eine Bevölkerung von 70 - 80'000 Menschen im frühen 15. Jahrhundert an. Die Verwirrung wird noch grösser, wenn man Hopkins (S. 30) mit einbezieht. In Uebereinstimmung mit Bonner (The complete work of François Villon, New York 1964) geht er vom Folgenden aus: "[...] an epidemic of smallpox that struck Paris around 1438 killed 'some fifty thousand people, mostly children'". Weiter erwähnt er, dass ein Jahrhundert zuvor sich die Bevölkerung von Paris ungefähr auf 200'000 Personen belief ("[...] since a century before, Paris's population was only about two hundred thousand."). Die Epidemie von 1444 erwähnt er ebenfalls ("[...] over six thousand small children were affected."). Die Konfusion ist also vollständig, wem soll man glauben schenken?
  339. Drei dieser Ausbrüche fanden in der Toskana statt: 1335 in Florenz und zwei im Jahre 1363 in Siena. Berichtet wurde weiter von einer Pockenepidemie in Neapel 1336, einer in Venedig von 1386, einer in Bologna 1393 und Florenz sah 1390 "pestilenzartige Pusteln". (Carmichael, S. 155)
  340. "febbri, vajuoli, e pneumonili" (Corradi Alfonso, Annali delle epidemie occorse in Italia, 1465, repr. Bologna 1974, zitiert in: Carmichael, S. 156)
  341. Gottfried Robert, Epidemic disease in fifteenth-century England, New Brunswick 1979, S. 51, S. 62 f. und S. 105, zitiert in Carmichael, S. 156. Gottfried findet die "poxs" (also nicht "smallpox", hier wohl noch im eigentlichen Sinn als "Pusteln", "Ausschläge" zu verstehen) von 1462 sehr zerstörerisch im nördlichen Teil des Landes. Der Mortalitätsgipfel dieser Epidemie wird im Frühling erreicht, was sehr uncharakteristisch für die Pest ist. Die einzigen anderen schweren Epidemien nebst der Pest, welche er im 15. Jahrhundert identifizieren konnte, waren "flux" (Dysenterie), "sweat" und "French pox", also vermutlich Syphilis.
  342. Die Morbiditätsziffer ist ein Ausdruck für die Erkrankungshäufigkeit an einer bestimmten Ursache (Krankheit): die während einer Periode an Ursache C Erkrankten pro 10'000 Personen der Bevölkerung dieser Periode. Altersspezifisch: die während einer Periode an Ursache C Erkrankten im Alter X pro 10'000 Personen der mittleren Bevölkerung im Alter X dieser Periode (Hauser, S. 81).
  343. Carmichael, S. 156 f. Sie macht zusätzlich die Einschränkung, dass zwar sowohl für Italien wie auch Spanien recht gute Aufzeichnungen der Todesfälle verfügbar sind, diese aber bezüglich der Pocken nicht sehr aufschlussreich seien.
  344. Razzell [1977b], S. 113.
  345. Carmichael, S. 158.
  346. "[...] few [children] who had smallpox escaped, and there were five or six thousand dead children, with many other deads among adults." (ebd., S. 159)
  347. ebd., S. 159.
  348. Bohn, S. 8 f.
  349. vgl. ebd., S. 8, WHO, S. 229 und Kisskalt, S. 486. Kisskalt weist noch darauf hin, dass diese Pandemie in der Literatur besonders hervorgehoben werde, so etwa in: Fossel, Puschmanns Handbuch der Geschichte der Medizin, Jena 1903.
  350. Bohn (S. 8) machte nur einen Verweis auf Hildanus. Eine Jahresangabe oder ein Quellenverweis fehlt jedoch.
  351. Bohn S. 9 f.
  352. Hopkins, S. 41.
  353. Bohn, S. 11. Dies nach Angaben von: Tissot August, Lettre à M. de Haen sur l'inoculation, 1759.
  354. Bohn, S. 12. Einmal mehr fehlt eine genaue Quellenangabe.
    Die Pocken und vor allem die "Pockenimpfung" waren Themen, die in der Korrespondenz von Haller häufig zur Sprache kamen. Behandelt wurden dabei vor allem die angewandte Methode der Inokulation, deren Erfolg oder Misserfolg (beispielsweise bei einem Todesfall eines französischen Offiziers durch Impfpocken. Dieser soll jedoch in weniger als einem Tag mehr als 40 Birnen gegessen und sich dadurch eine Darmstörung zugezogen haben), Sekundärfolgen, einschränkende oder fördernde obrigkeitliche Vorschriften bezüglich der Inokulation etc. Bei ausgebrochenen Pockenepidemien konnte Haller jedoch nie Angaben über deren Ausmass machen (vgl. Hintzsche, S. 26 ff., S. 107 f., 122 ff., 166 f., 177 ff., 183 f., 239, 310 f., 352 f., 359 f.)
    Vergeblich sucht man auch Anhaltspunkte in den Daten von BERNHIST für die von Haller erwähnte blutige Epidemie von 1735, da in BERNHIST erstmals 1746 in der Kirchgemeinde Biel eine die Pocken betreffende Eintragung aufgenommen wurde.
  355. Die Angaben stammen aus den folgenden Werken: Hopkins, S. 41 ff., WHO, S. 230 f. und Bohn, S. 11 ff.
  356. Rödel, S. 222.
    Hinweise auf solche Massnahmen finden sich noch ca. ein Jahrhundert später in der "Aktensammlung über das Auftreten epidemischer Krankheiten in verschiedenen Gebieten des In- und Auslandes". Diese Sammlung von Dokumenten umfasst die Jahre 1769 bis 1772 und enthält beispielsweise Berichte über die angeblich in Marseille vorkommende Pest und aus diesen Informationen induzierte Anweisungen (StAB B XI 175).
  357. Gins [1917], S. 3.
  358. Die Masern sind bezüglich Populationsdichte und Verbreitungsmodus besser untersucht als die Pocken. So wird eine minimale Bevölkerung von 200'000 bis 250'000 Bewohnern angenommen, um endemische Masern zu unterhalten. Fenner vermutet, dass diese Zahl für die Pocken noch niedriger anzusetzen ist (Carmichael, S. 161).
  359. Als Vergleich: bei der schwersten bernischen Epidemie des 19. Jahrhunderts, 1870/71 , hatten die Pockentoten lediglich einen Anteil von 3,1% am Total aller Todesfälle aufzuweisen (Siffert, S. 22).
  360. Carmichael, S. 161.
  361. McNeill schreibt, dass eine umfassende Demoralisierung und widerstandslose Aufgabe des Lebenswillens durch die vernichtende Wirkung der Pocken sicherlich eine grosse Rolle bei der Zerstörung indianischer Gemeinschaften spielten. Die erste Begegnung ereignete sich 1518, als die Pocken Hispaniola erreichten und die indianische Bevölkerung mit derartiger Virulenz befiel, dass nur wenige am Leben blieben, im Gegensatz zu den Spaniern, die grösstenteils eine Immunität im Kindesalter in Europa erworben hatten. Von Hispaniola kamen die Pocken 1520 nach Mexiko, genau in der Phase der Eroberung, als Montezuma getötet worden war und sich die Azteken zum Angriff auf die Spanier rüsteten. Die Pocken wüteten jedoch mit grösster Heftigkeit in Tenochtitlan. Der Führer des Angriffs und viele andere starben innerhalb von Stunden, nachdem sie die Spanier schon zum Rückzug aus der Stadt gezwungen hatten. Statt diesen Erfolg zu Nutzen und die Handvoll Spanier hinwegzufegen, hätten die Pocken diese Aktion nicht gelähmt, verfielen die Azteken in ohnmächtige Untätigkeit und Cortez gelang es, in die Stadt zurückzukehren. Aehnliches spielte sich beim Freibeuterzug Pizarros nach Peru ab. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass sowohl die Spanier wie auch die Indianer der einhelligen Meinung waren, dass epidemische Krankheiten eine besonders schreckliche und eindeutige göttliche Strafe waren. Wenn sich aber göttliche und natürliche Ordnung so klar gegen die Tradition und den Glauben der Eingeborenen richtete, welchen Sinn hätte dann noch der Widerstand gehabt? Die ausserordentliche Leichtigkeit, mit der die Spanier ihre Eroberungen durchführten, und der Erfolg einiger hundert Mann bei der Erlangung der Kontrolle über solche riesigen Gebiete ist auf jeder anderen Grundlage unverständlich (McNeill, S. 8 f., 233 ff.).
  362. Imhof [1977a], S. 38 f.
  363. vgl. Carmichael, S. 162 f. und Smith, S. 11 f.
  364. Wrigley Edgar und Schofield Roger, The population history of England 1541 - 1871, Cambridge 1981, S. 166 ff.
  365. Hopkins, S. 74.
  366. vgl. Smith, S. 26 f. und McNeill, S. 281 f. Smith erwähnt, dass an Orten mit endemischen Pocken beinahe alle Einwohner spätestens im Alter von sieben Jahren diese Krankheit durchgemacht haben (Smith, S. 63). Hopkins meint, dass in britischen Städten, speziell in Glasgow, neun von zehn Personen, die an Pocken starben, unter fünf Jahren alt waren (Hopkins, S. 74). Gins schreibt, dass die meisten in London geborenen Kinder innerhalb ihrer ersten sieben Lebensjahre die Pocken bekamen (Gins [1917], S. 3).
  367. Carmichael, S. 163.
  368. Dies ist natürlich eine sehr grobe Annahme: 150'000 Pockenfälle in zehn Jahren sowie 10'000 Pockentote in zehn Jahren ergeben eine Pockenletalität von 6,66%.
  369. McKeown vermutet - in Ermangelung an anderen plausiblen Erklärungen -, dass es zu Veränderungen im Charakter von Infektionskrankheiten kommen konnte. Die Beziehung zwischen Mikroorganismen und Menschen sind ständig Wechseln unterworfen aufgrund von natürlichen Selektionen sowohl beim "Wirt" wie auch beim "Parasiten". Nach McKeown gibt es kaum Infektionskrankheiten, welche über einen längeren Zeitraum hinweg nicht Veränderungen erfuhren, dass beste Beispiel in diesem Zusammenhang stellt der Scharlach dar, bei welchem (analog zu den Pocken im 18. und 19. Jahrhundert) grosse Unterschiede in der Mortalität des 19. und 20. Jahrhunderts beobachtet wurden (McKeown Thomas, Food, Infection and Population, in: Hunger and History, Cambridge 1985, S. 33).
  370. Sogar die Mutationstheorien der Polioviren lassen sich heute nicht mehr empirisch belegen, auch wenn sich die Viren in Teilen der dritten Welt erst nach 1950 verändert haben sollen. Zu diesem Zweck hätten Polioviren in allen Teilen der Welt vor 1950 gesammelt werden müssen, um sie danach mit modernsten Methoden mit heutigen Viren zu vergleichen (Knolle Helmut, Das Puzzle aus Hygiene, GIs und Polioviren, in: Die Weltwoche, Nr. 12, 25. März 1993, S. 61 - 63).
  371. Smith, S. 32 f.
  372. 1778 starben gegen 2500 Menschen (12% aller Toten) an den Pocken in London und 1780 waren es ungefähr 3500 (16,9% aller Toten). In den zwei letzten Dekaden des 18. Jahrhunderts erlagen mehr als 36'000 Personen den Pocken (Hopkins, S. 74 f., Prozentangaben in: WHO, S. 230).
  373. vgl. Smith, S. 40 ff. und McNeill, S. 280 ff.
  374. Nach der Verbreitung der Jennerschen Schutzimpfung ab 1800 kam es zu einer Veränderung der von den Pocken betroffenen sozialen Schichten in denjenigen Ländern, die die Impfung nicht unentgeltlich durchführen liessen (v.a. Frankreich und England, im Gegensatz zu verschiedenen deutschen Staaten). Waren noch im 18. Jahrhundert alle Klassen mehr oder weniger gleichmässig von den Pocken betroffen, waren nun in den Ländern ohne vom Staat bezahlte Impfungen die Pockenfälle in erster Linie in den unteren Schichten zu finden (WHO, S. 272).
  375. Hopkins, S. 81.
  376. Pfister [1988], Bd. 1, S. 121.
  377. Perrenoud, S. 193 f.
  378. WHO, S. 180, Hopkins, S. 8 f.
  379. In den fünf Dezennien 1810 bis 1860 blieben die Jahrestemperaturen unter dem Mittel des 20. Jahrhunderts und gemessen an der Dauer und der Grösse des thermischen Defizits handelte es sich um die ausgeprägteste Kaltperiode seit 1520. Und vom Niederschlagsgeschehen her gliederte sich die Periode in eine Trockenphase zwischen 1810 und 1830 und eine Feuchtphase von 1840 bis 1860 (Pfister [1988], Bd. 1, S. 131).
  380. ebd., S. 130.
  381. Ruffié und Sournia sprechen davon, dass zur Verhinderung einer Epidemie nie die gesamte Bevölkerung geimpft sein muss. Ein Schutz von 40% der Population sei genügend, um die Ausbreitung der Pocken einzudämmen. Bei einem Anteil von 60% soll die Krankheit keine Verbreitungschance mehr haben, da die Bevölkerungsdichte für eine massive direkte Ansteckung nicht mehr ausreiche (Ruffié, Sournia, S. 128).
    Dem Teil ihrer Aussage, dass nie die ganze Bevölkerung eines Schutzes bedarf, ist einwandfrei beizupflichten. Woher aber die Prozentangaben stammen, wird nicht klar, da keine Fussnoten vorliegen und auch das Literaturverzeichnis äusserst bescheiden ausgefallen ist.
    In der Monographie der WHO lassen sich für die Pocken keine so genauen Angaben finden!
  382. Matzel, S. 7 f.
  383. Léon Gautier, La médecine à Genève jusqu'à la fin du dix-huitième siècle, Genf 1906, in: Senn-Schnyder, S. 23 f.
  384. Perrenoud, Fussnote 4, S. 197.
  385. Hopkins, S. 52. Korrekt wurden die prozentualen Angaben übernommen: Wie Perrenoud kommt er auf das Resultat, dass der Anteil der 0 bis 5-jährigen Kinder insgesamt 83,1% aller Pockentodesfälle in Genf ausmachte.
    Werden die Zahlen ausgezählt, erhält man für die Dauer von 1581 bis 1760 ein Resultat von 6774 Pockentoten. Lotz, der die Genfer Zahlen ebenfalls verwendet, kommt im Zeitraum von 1580 bis 1760 auf 6792 Pockentote (Lotz, S. 15).
  386. Hier wurden die Jahre 1615 und 1616 nicht mitgerechnet.
  387. Perrenoud gibt folgende Zahlen: Zwischen 1643 und 1655 um 13'000 Einwohner, um 1710 ca. 18'800 und 1740 22'100 (Perrenoud, S. 179).
  388. Perrenoud erwähnt in diesem Zusammenhang v.a. die Zunahme der Mortalität in den Jahren 1685 bis 1689, in denen viele protestantische Flüchtlinge nach Genf kamen (ebd., S. 179.)
  389. ebd., S. 185.
  390. Um diese Hypothese zu verifizieren, sollte man im Besitz der Daten über die betroffenen Altersklassen des Jahres 1634 sein. Würde sie zutreffen, müsste der Anteil der 5 bis 15-jährigen unter den Pockentoten signifikant grösser sein als bei Ausbrüchen, welche sich im Vier- oder Fünfjahreszyklus ereignen.
  391. Ob diese Zunahme der ständig vorkommenden Pockenfälle einen Zusammenhang mit der Einführung der Inokulation in Genf hat, ist nicht eindeutig zu belegen. Die Sorglosigkeit, mit der bei der Inokulation vorgegangen wurde, lässt diese Vermutung jedoch als nicht unmöglich erscheinen. Klebs erwähnt, dass die erste Inokulation auf Schweizer Boden 1749 in Genf stattfand und diese Methode 1752 schon eine beträchtliche Verbreitung gefunden hatte: "Die Opposition war unbedeutend. Schon 1752 wurden Versuche an unehelichen Kindern im Spital gemacht und bald nachher zu diesem Zwecke besondere Räume reserviert. Ranby, der englische Chirurge, scheint auch um diese Zeit Genf besucht zu haben, um zu impfen. 1754 kehrt Tronchin definitiv nach Genf zurück. Sein Freund, Patient und Impfapostel Voltaire erscheint auch mit seinem grossen Gefolge von Bewunderern. Genf wird ein kleines Paris, und alle wollen von Tronchin inokuliert werden. Der Zuzug von Fremden, die zu diesem Zweck nach der schönen Stadt zogen, muss ein grosser gewesen sein. Es waren aber meistens die Kinder reicher und vornehmer Leute, die geimpft wurden, dem Volk bot die Impfung im Anfang wenig Nutzen. Es ist später öfters bemerkt worden, wie wenig pockennarbige Gesichter man unter den Genfer Patriziern zu sehen bekam. Mit der Einführung der Suttonschen Methode durch Vieusseux 1773 [...] verallgemeinerte sich die Praxis. Man sah aber bald auch gewisse Nachteile, als sich die in der frischen Luft herumwandelnden Impflinge überall zeigten. Der Rat der Zweihundert diskutierte die Sachlage; eine besondere Impfanstalt wurde geplant und der Vorschlag gemacht, Impflinge nur dann auf die Strasse zu lassen, wenn sie sich durch ein besonderes Abzeichen kenntlich machten. Die Behörde war aber im Ganzen sehr impffreundlich, sie ermunterte z.B. Aerzte auch auf dem Lande, unter den Bauern die Impfung zu verbreiten." (Klebs, S. 30 f.)
  392. 1700 bis 1749: 31 Jahre mit weniger als 10 Pockentoten pro Jahr und 20,13% aller verzeichneten Pockentodesfälle von 1581 bis 1812;
    1650 bis 1699: 28 Jahre und 18,07% der gesamten Pockentoten;
    1600 bis 1649 (1615/1616 nicht eingerechnet): 28 Jahre und 25,51% der Pockentoten;
    1581 bis 1599: 14 Jahre mit weniger als 10 Pockentoten jährlich und 9,1% aller Pockentoten!
    1800 bis 1812: 9 Jahre mit 4,92% (ohne Epidemie 1800: 1,92%).
  393. Perrenoud, S. 178 f.
  394. Lindskog, S. 168. Er stützt sich bei seiner Aussage auf eigene Studien und folgende Publikationen: Svenska Läkartidningen 73, 1976, S. 4576 sowie Harrison's Principles of International Medicine, McGraw-Hill Inc., 1977, S. 1012.
  395. Turpeinen, S. 136 f.
  396. Einmal mehr wird also die These einer Veränderung oder Verdrängung einer bestimmten Virusform bemüht. Turpeinen schreibt, "man könnte sich vorstellen, dass das Masernvirus im frühen 19. Jahrhundert tödlicher wirkte als im 18. Es ist ja bis heute unklar, was die niedrige Sterblichkeit von Kindern, die im 20. Jahrhundert von Masern befallen werden, verursacht." (ebd., S. 136)
  397. Gins [1917], S. 135. Seine Angaben sind aus folgendem Werk entnommen: Petersson, Annales de l'institut Pasteur, 1912.
  398. vgl. Ruffié, Sournia, S. 128.
  399. Gins [1917], S. 137 f.
  400. Anteil der Pockentoten am Total aller Todesfälle in Finnland (nur Jahre mit Werten über 20%):
    1754: 23,2%
    1756: 24%
    1762: 20,5%
    1763: 27,8%
    1770: 21,2%
    1744: 24,8%
    1803: 25%
    (Turpeinen, Tabelle 5 und 6)
  401. Aus zeitgenössischen Berichten und späteren Untersuchungen geht hervor, dass die Variolation in Finnland hauptsächlich im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts praktiziert worden ist (Turpeinen, S. 135).
  402. ebd., S. 139.
  403. ebd., S. 140.
  404. Moehsen, Sammlung merkwürdiger Erfahrungen, die den Wert und grossen Nutzen der Pocken-Inokulation näher bestimmen können, Lübeck 1774, zitiert in: Gins [1917], S. 5.
  405. ebd., S. 7.
  406. Es wurden vor dem 19. Jahrhundert zwar Totenrödel und andere Verzeichnisse mit Angaben über die Todesursache und das Alter der Verstorbenen geführt, was aber noch lange nicht heissen will, dass diese Eintragungen nach der Niederschrift noch einmal reflektiert wurden. Wie schon erwähnt, stieg das Interesse an wissenschaftlichen statistischen Auswertungen erst im Verlaufe des 18. Jahrhunderts, verarbeitet wurden jedoch vorwiegend diejenigen Daten, die von den Behörden und Institutionen selbst erhoben wurden und nicht die Zahlen, welche noch in den Archiven schlummerten.
  407. Gins vermutet, dass es sich dabei wahrscheinlich um Brechdurchfall handelt.
  408. Turpeinen, S. 136 f.
  409. Kisskalt, S. 485.
  410. WHO, S. 195.
  411. Hopkins S. 52.
  412. In der Folge wurden während solchen epidemischen Zeiten wegen der bestehenden Ansteckungsgefahr viele Märkte aufgehoben oder nicht durchgeführt, was bis zum Ruin von Händlern und Wirten führen konnte (Smith, S. 21 ff.).
  413. ebd., S. 63 ff.
  414. Bohn, S. 38 ff.
  415. Wernher, S. 81 f.
  416. Lotz, S. 14.
  417. Ruesch, S. 408.
  418. ebd., S. 409 ff.
  419. Sorgésa Beatrice, Contribution à l'étude de l'évolution des structures familiales de l'époque protoindustrielle à l'ere industrielle (Fleurier 1727 - 1914), Diss. phil. (Typoskript), Neuchâtel 1991, Kap. 4., S. 3 ff.
    Diese Zusammenstellung stellt einen Vergleich von Jahren mit einer Uebersterblichkeit zwischen Fleurier, Vallorbe und Pays d'enhaut dar. Teilweise werden die betroffenen Bevölkerungsgruppen mit der Ursache des Todes genannt:
    1731 herrschen in Vallorbe die Pocken, betroffen sind vor allem Kinder.
    1737 werden in Vallorbe bei Kindern Pocken vermutet.
    1742 herrschen in Vallorbe unter Kindern die Pocken.
    1747 kommen in Pays d'enhaut die Pocken vor.
    1754 sind in Vallorbe sowohl Kinder wie auch Erwachsene von den Pocken betroffen.
    1763 leiden Kinder und Erwachsene an den Pocken in Vallorbe.
    1773 befallen in Vallorbe die Pocken Kinder und Jugendliche.
    1777 sterben in Fleurier vorwiegend Kinder bis fünf Jahre (evt. Pocken).
    1783 sterben zwischen Juni und August viele Kinder (dabei könnte es sich um die Pocken handeln).
    1788, von August bis Dezember, sterben wiederum Kinder in Fleurier.
    1791 sterben von März bis Juni Kinder in Fleurier und in Vallorbe herrschen die Pocken.
  420. ebd., Kap. 4, S. 34.
  421. Rödel, S. 213 f.
  422. ebd., S. 213.
  423. ebd., S. 222 f.
  424. So vermutet er 1738 anhand des Verhältnisses von 364 gestorbenen Erwachsenen zu 574 gestorbenen Kindern eine Pockenepidemie. Ebenso 1750, als 691 (61%) Kinder und 445 (39%) Erwachsene starben. Weiter nimmt er für 1753 bei einer Relation von 62% gestorbenen Kindern zu 38% gestorbenen Erwachsenen ebenfalls das Vorhandensein einer Pockenepidemie an. Auch 1766 vermutet er anhand der hohen Spitze in der Mortalitätskurve ein erneutes Auftreten der Pocken. Ein weiterer Grund, der für diese Annahme spricht, ist, dass dieses Maximum der Sterblichkeit allein durch die grosse Anzahl der gestorbenen Kinder hervorgerufen wurde, denn die Anzahl der verstorbenen Erwachsenen hielt sich im normalen Rahmen. Auch 1770, 1774, 1782 und 1788 sind Jahre, in welchen der Anteil der gestorbenen Kinder mit 55 bis 58,5% deutlich erhöht war. Lediglich für 1774 fand sich ein konkreter Hinweis in den Kirchenbüchern, der die Annahme einer herrschenden Pockenseuche bestätigt. 1782 sprechen zusätzlich die vielen verstorbenen Kinder unter fünf Jahren für den Ausbruch einer Pockenepidemie (ebd., S. 242 ff.).
  425. Norden, S. 82.
  426. ebd., S. 85.
  427. Bei der Analyse der Kindersterblichkeit behilft sich die Historische Demographie in Ermangelung von Zählergebnissen mit der Methode, die Sterbfallhäufigkeit statt auf die Anzahl der tatsächlich lebenden auf die Zahl der jeweils geborenen Kinder zu beziehen (d.h. vielfach sind auch Totgeburten in diesen Werten enthalten) und in Prozenten dieser Bezugsgrösse auszudrücken (ebd., S. 58).
  428. Erste Impfungen, die zudem kostenpflichtig waren, wurden 1806 im grösseren Stil durchgeführt. Das Impfwesen im Departement Wesermündung wurde aber erst zur Zeit der französischen Besatzung (1810 bis 1813) straff organisiert. Trotzdem trat nach Angabe von Norden zwischen 1803 und 1820 kein Pockenfall auf (ebd., S. 83)!
  429. Hinrichs E. und Norden W., Demographische Strukturen in zwei Oldenburger Landgemeinden (1700 bis 1850), in: dies., Regionalgeschichte - Probleme und Beispiele, Hildesheim 1980, zitiert in: Norden, S. 61.
  430. Burri H.-R., Die Bevölkerung Luzerns im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Luzern 1975, zitiert in: Norden, S. 61.
  431. BA B 1135 f.
  432. StAB B XI 160.
  433. BA B 1135 f.
  434. BA B 1135 e.
  435. BA B 1135 f.
  436. Die folgenden Ortschaften waren betroffen:
    Thun: 61 Kranke (0 über 10 Jahre, 61 unter 10 Jahre) und 19 Tote (0/19)
    Ringgenberg: 58 (0/58) und 20 (0/20)
    Grindelwald: 30 (21/9) und 9 (6/3)
    Lauterbrunnen: 4 (0/4) und 2 (0/2)
    Spiez: 8 (0/8) und 3 (0/3)
    Aeschi: 63 (4/59) und 23 (1/22)
    Reichenbach: 22 (2/20) und 17 (1/17)
    Frutigen: 32 (10/22) und 10 (3/7)
    Adelboden: 6 (0/6) und 2 (0/2)
    Diemtigen: 3 (0/3) und 0
    Boltigen: 1 (0/1) und 0
  437. BA B 1135 f.
  438. BA B 1135 f. Erfasst wurden lediglich die Verstorbenen ohne die Todesursache zu berücksichtigen. Die Aufstellung ist jedoch sehr detailliert. Unterteilt wurde in folgende Kategorien: Zwei Hauptgruppen: "Kinder unter 10 Jahren" und "Erwachsene über 10 Jahre". In jeder dieser zwei Hauptgruppen wurde unterschieden zwischen "Bürger" und "Aussere", diese wurden wiederum nach "Knaben" und "Mädchen" bzw. "Männer" und "Weiber" aufgesplittert.
  439. Erwachsene über 10 Jahre:
    Bürger, Männer: 1796: 22 Tote; 1797: 28 Tote; 1798 (1. Hälfte): 25 Tote
    Bürger, Weiber: 1796: 57 Tote; 1797: 32 Tote; 1798 (1. Hälfte): 34 Tote
    Aussere, Männer: 1796: 137 Tote; 1797: 98 Tote; 1798 (1. Hälfte): 141 Tote
    Aussere, Weiber: 1796: 146 Tote; 1797: 120 Tote; 1798 (1. Hälfte): 72 Tote
    Kinder unter 10 Jahren:
    Bürger, Knaben: 1796: 21 Tote; 1797: 12 Tote; 1798 (1. Hälfte): 39 Tote
    Bürger, Mädchen: 1796: 8 Tote; 1797: 15 Tote; 1798 (1. Hälfte): 37 Tote
    Aussere, Knaben: 1796: 40 Tote; 1797: 45 Tote; 1798 (1. Hälfte): 101 Tote
    Aussere, Mädchen: 1796: 67 Tote; 1797: 42 Tote; 1798 (1. Hälfte): 119 Tote
  440. Bei einer angenommenen Letalität von 33%, wie sie für die Epidemie von 1798 im Kanton Oberland für die unter 10 Jahre alten Kinder berechnet wurde, ergäbe dies insgesamt 163 Pockenfälle für Lausanne.
  441. 1776 herrschte im Frühling schon in Morges und Umgebung eine Pockenepidemie. Leider ist hier das Alter der Kranken nicht aufgezeichnet, vermutlich weil zu viele Personen von den Pocken befallen waren, was wiederum dem zuständigen Arzt wegen des dadurch entstandenen grossen Arbeitsaufwandes das Führen einer genauen Kontrolle verunmöglichte. Insgesamt wurden 896 Kranke gezählt, 122 Menschen starben, 724 konnten geheilt werden und von 50 ist der Ausgang unbekannt (StAB B XI 160).
    Ziemlich sicher handelt es sich angesichts der geographischen Nähe (und der Verkehrswege entlang des Genfersees) von Morges und Lausanne um dieselbe Epidemie, die im August 1776 Lausanne erreichte und sich 1777 eventuell auch in Bern manifestierte (in Genf brachen 1776 die Pocken ebenfalls aus und verursachten 210 Todesfälle, was einem Anteil von 24% am Total aller Verstorbenen entsprach).
  442. Rellstab, Tabelle 1 und 5.
    Von ursprünglich 2797 Erkrankungen sind immerhin 2159 für die Auswertung bezüglich der Altersverteilung verwendbar.
  443. Flügel, S. 24. Mehr als diese allgemein gehaltenen Aussage liegt für die Altersverteilung bei dieser Epidemie nicht vor.
  444. vgl. Fussnote 210 und Imhof [1981], S. 43 f.
  445. Der Sanitätsrat erhielt am 20. Marty 1777 davon Bericht, dass es in Lausanne, Murten und Vitris im Anschluss an Inokulationen zu Epidemien kam, "alwo bey 60, und mehr Kinder in kurzer Zeit an diesen Orten verstorben sind." (StAB B XI 160)
  446. Der Sanitätsrat liess am 28. September 1773 das "Publicum anmahnen": "Wer Kindern wolle die Blattern einpfropfen lassen, dass dieselben ihre Kinder bis zur völligen Genesung innbehalten." (StAB B XI 160) Am 21. Dezember 1782 wurde bezüglich der Pocken folgendes publiziert: "Kinderblattern: Kinder die dieselben überstanden, dennoch aber davon nicht vollkommen gereiniget sind, sollen bey Haus behalten werden." (StAB B XI 318)
  447. Datenedition BERNHIST.
  448. Dafür sprechen auch die Bevölkerungszahlen des Kantons Bern:
    1700 ca. 170'000 Einwohner
    1730 ca. 193'000 Einwohner
    1764 ca. 202'000 Einwohner
    1798 ca. 244'000 Einwohner
    1818 ca. 298'000 Einwohner
    1837 ca. 374'000 Einwohner
    1846 ca. 401'000 Einwohner
    1850 ca. 413'000 Einwohner
    1856 ca. 403'000 Einwohner
    1860 ca. 420'000 Einwohner
    1870 ca. 450'000 Einwohner
    1880 ca. 478'000 Einwohner
    1888 ca. 483'000 Einwohner
    1900 ca. 532'000 Einwohner
    Endemische Pocken sind zwar bei einer Bevölkerungsgrösse um ca. 200'000 Personen möglich, doch in diesem Fall dürfte sich die Population nicht auf ein so grosses Gebiet wie den Kanton Bern verteilen, sondern müsste sich in städtischem Gebiet auf kleinem Raum aufhalten! Gegen die Annahme endemischer Pocken im Amt (Amt) Bern und vor allem auch in der Kirchgemeinde (Kgde) Bern (mit Bümpliz) sprechen allein schon die Einwohnerzahlen:
    1700: Amt: 21'723 Kgde: 14'219
    1730: Amt: 24'387 Kgde: 15'932
    1764: Amt: 23'775 Kgde: 14'515
    1798: Amt: 24'490 Kgde: 12'186
    1818: Amt: 33'867 Kgde: 18'997
    1837: Amt: 43'786 Kgde: 24'362
    1846: Amt: 47'776 Kgde: 27'132
    1850: Amt: 50'660 Kgde: 29'700
    1856: Amt: 49'000 Kgde: 28'386
    1860: Amt: 52'324 Kgde: 31'050
    1870: Amt: 59'810 Kgde: 37'548
    1880: Amt: 69'399 Kgde: 45'743
    1888: Amt: 71'697 Kgde: 48'605
    1900: Amt: 92'385 Kgde: 67'550
    (Bevölkerungszahlen aus: Datenedition BERNHIST)
    Smith erwähnt den expandierenden englischen Industrieort Warrington und die Stadt Kilmarnock, wo es zu verschiedenen Ausbrüchen der Pocken während dem 18. Jahrhundert kam. Dabei waren in den seltensten Fällen Menschen im Alter über 10 Jahre betroffen. Unklar ist aber, ob es sich dabei um endemische Pocken handelte oder nicht. Smith ist der Meinung, dass wenn es tatsächlich nicht durch endemische Pocken verursachte Todesfälle waren, es zu häufigen Einschleppungen gekommen sein muss (Smith, S. 63).
  449. Smith schreibt dazu, dass die Proportion der nichtimmunen zu den immunen Einwohner und der Altersbereich der potentiellen Leidenden an Orten mit nichtendemischen Pocken anwachsen sollte, wenn die Intervalle zwischen den Einschleppungen länger werden (Smith, S. 63 f.).
  450. StAB B XI 160.
  451. Reust, S. 82.
  452. In der Stadt Bern erkrankten 1778 910 Personen an der Roten Ruhr, davon verstarben 58 (ebd., S. 81 f).
  453. StAB B XI 160.
  454. Dafür spricht auch, dass am 22. August und am 17. Dezember 1778 den Geistlichen der Heilig Geist- und der Nydegggemeinde ausdrücklich für ihre zusätzliche Arbeit gedankt wurde (und nicht schon im Frühling oder Frühsommer), weil "in diesen Gemeinden diese Krankheit zum meisten grahsiert hat." (Reust, S. 82)
  455. StAB B XI 160.
  456. Die Anweisung vom 21. Dezember 1782, die Erwähnung eines "Consultum Medicum über die Einpfropfung" am 13. Februar 1783 (StAB B XI 318) und das vom Landarzt von Aubonne vorgeschlagene und am 10. September 1781 verworfene Projekt zur "Hemmung der Poken" (StAB B XI 160).
  457. vgl. Kap. 3.2.
  458. vgl. Fussnote 232.
  459. vgl. Kap. 4.3.1.
  460. Aus der Datenedition BERNHIST liegen für folgende Kirchgemeinden Angaben vor:
    1797: Meiringen: Blattern.
    1798: Bolligen: 14 Blatterntote, Kriegstote; Utzenstorf: 3 Pockentote; Aeschi: an Kindsblattern 42 Kinder und 1 Tochter; Reichenbach 27 Blatterntote; Brienz: viele Kleinkinder; Grindelwald: viele Kinder im Sommer (evt. Ruhr?); Lauterbrunnen: Kinderblattern; Ringgenberg: Kinder und Kleinkinder; Meiringen von 143 Toten 103 Kinder an Blattern; Signau: viele Kinder an Kindsblattern, vor allem im November und Dezember; Blumenstein: äusserst viele Kinder sind gestorben; Schwarzenegg: Pocken.
    1799: Aarwangen: 44 Kinder sind gestorben; Bolligen: 27 Blatterntote; Bümpliz: Kinderblattern; Vechigen: Pocken; Oberburg: 36 Pockenfälle; Limpach: 11 Pockentote von 16 Toten; Utzenstorf 11 Pockentote; Beatenberg: von 35 Toten sind 21 Kinder und 7 Säuglinge; Unterseen: Kleinkinder und Säuglinge; Signau: von 153 Toten 90 an Kinderblattern von Januar bis April; Reutigen: Kindsblattern; Schwarzenegg: Pocken; Steffisburg: von 168 Toten 67 Kinder an Blattern; Wangen: Blattern.
  461. Beispielsweise war der Kanton Neuenburg nach einer Periode von zehn Jahren ohne Pockentote nach dem Durchmarsch der alliierten Truppen 1815 wieder von einer Epidemie betroffen, dasselbe geschah 1871 nach der Passage der Bourbakiarmee, welche sich in der Schweiz internieren liess (vgl. Guillaume, Recherches sur le mouvement de la population dans le canton de Neuchâtel de 1760 à 1875, in: Zeitschrift für Schweizerische Statistik, 12. Jg., Bern 1876, S. 37). Diese Aufnahme der französischen Ostarmee 1871 verursachte ebenfalls im Kanton Bern eine Epidemie (vgl. Siffert, S. 18 ff.).
  462. vgl. Merz Hermann, Wie man im 17. und 18. Jahrhundert gegen die Seuchen kämpfte, in: Blätter für bernische Geschichte, Kunst und Altertumskunde, 15. Jg., Bern 1919, S. 18 - 30.
  463. Zu unterscheiden ist zwischen "Krisenmortalität" ("mortalité de crise") und "Mortalitätskrisen" ("crise de mortalité"). Bei der Krisenmortalität handelt es sich in der Regel um die Auswirkungen von sogenannten Subsistenzkrisen. Die Verminderung des quantitativen und qualitativen Nahrungsangebotes aufgrund einer Missernte hatte nicht nur eine Erhöhung bestimmter, im wesentlichen mit den verschlechterten Ernährungsbedingungen zusammenhängenden Krankheiten wie Ruhr oder Bauchtyphus zur Folge, sondern sie führte gleichzeitig zu einem Rückgang der Fruchtbarkeit (durch vorzeitige Auflösung von Ehen wegen Todesfall oder dem Ausbleiben der Ovulation, der sogenannten Hunger-Amenorrhöe), was das Geburtendefizit noch erhöhte.
    Mortalitätskrisen wurden dagegen meistens durch seuchenbildende Infektionskrankheiten verursacht, die wenig mit einem Mangel an Subsistenzmitteln zu tun hatten, dafür beispielsweise mehr mit mangelnder Hygiene. Diese Krankheiten suchten meist Menschen im noch nicht oder nicht mehr fruchtbaren Alter heim (Imhof [1981], S. 202).
  464. Dupâquier, S. 177 f.
  465. Pfister [1989], S. 356.
  466. vgl. Sonderegger Christian, Die Grippeepidemie 1918/19, Lic. phil., Bern 1991.
  467. Pfister [1989], S. 354 f.
  468. ebd., S. 354 f. 1793 werden 4350 und 1794 3667 Ruhr-Kranke erwähnt. StAB B XI 317 berichtet über eine Ruhrepidemie der Jahre 1795/96.
  469. In Siselen starben 1770 von 47 Personen immerhin 36, die unter acht Jahre alt waren, an den Pocken, in Gsteig waren von 121 Toten 85 Kinder mit Pocken und in Oberwil waren von 33 Toten 22 Kinder mit Pocken. 1788 starben in Ins von 74 Menschen 30 an den Pocken, in Meiringen von 90 62 Kinder an den Blattern, in Signau von 29 11 an Pocken etc. (Datenedition BERNHIST)
  470. WHO, S. 199 f.
  471. Und die zudem dokumentiert sein sollten, da, wie Imhof schreibt, "Katastrophen aller Art seit jeher quellenfreundliche Ereignisse [waren], was dem Historiker die Arbeit erleichtert." (Imhof [1981], S. 201)
  472. ebd., S. 31.
  473. So ist in den 1760er Jahren die Kindersterblichkeit (0 bis 14 Jahre) in der Stadt Bern mit 37% (Reust, S. 63) im Vergleich mit anderen Städten (bspw. Luzern 1760 bis 1769: 46%) relativ niedrig und die These "two births were necessary to produce an adult" hat nur beschränkte Gültigkeit.
  474. 1737 (12,4% Anteil, absolut: 107 Pockentote)
    1742 (21,9% Anteil, absolut: 183 Pockentote)
    1750 (11,3% Anteil, absolut: 98 Pockentote)
    1754 (15,9% Anteil, absolut: 130 Pockentote)
    1759 (19,5% Anteil, absolut: 172 Pockentote)
    1764 (17,4% Anteil, absolut: 168 Pockentote)
    1771 (10,5% Anteil, absolut: 78 Pockentote)
    1776 (24% Anteil, absolut: 210 Pockentote)
    1777 (9,8% Anteil, absolut: 87 Pockentote)
    1778 (10,2% Anteil, absolut: 83 Pockentote)
    1780 (9,6% Anteil, absolut: 84 Pockentote)
    1787 (10,7% Anteil, absolut: 92 Pockentote)
    1800 (26,7% Anteil, absolut: 259 Pockentote)
    1808 (8,7% Anteil, absolut: 77 Pockentote)
  475. StAB B XI 318, im Oktober 1787: "Es haben MeHgHH die Gesundheits-Räthe bey gegenwärtiger Epidemie der Kinderblattern beobachtet, dass die mit derselben behafteten Kinder sich offensichtlich auf den Spaziergängen und in den Lauben zeigen. Damit nun das Publicum vom Schreken dieser Epidemie und derselben Folgen gesichert werde: so verbieten Wohldieselben allen Haus Vatern, so dergleichen mit den Blattern behaftete Kinder haben, solche weder in den Lauben noch auf den Spaziergängen herum gehen zu lassen."
  476. Hier äusserte sich die Epidemie erst 1801 und verursachte 254 Todesfälle, was einem Anteil von 21% an sämtlichen Todesfällen dieses Jahres entsprach (Guillaume, Tab. XIII, S. 47).
  477. Reust, S. 43.
  478. 1768 ist - zumindest in der Stadt Bern - eine Ruhrepidemie ausgebrochen (ebd., S. 81).
  479. So ist zu erfahren, dass sich drei Pockenfälle "böser Art" im Amt Thorberg vom "Hornung bis May" 1768 ereigneten (StAB B XI 176). Nach mündlicher Mitteilung von Prof. Christian Pfister sollen zudem in einzelnen Kirchgemeinden des Berner Oberlandes ebenfalls die Pocken ausgebrochen sein.
  480. Guillaume, S. 37.
  481. 1812 berichtet der damalige Oberimpfarzt Dr. Lutz: "Im Jahre 1812 herrschte während mehreren Monaten so wie in den beyden vorangegangenen Jahren die wahren Poken in den meisten Gegenden des Cantons." (StAB B XI 370)
  482. Auch wenn die Ruhr als typische Kleinkinderseuche bezeichnet wird und in der Regel zwei Drittel der Todesfälle auf Menschen in diesem Lebensabschnitt entfallen (vgl. Pfister [1989], S. 355 f.).
  483. So schreibt beispielsweise auch Albrecht von Haller am 24. März 1754 in einem Brief an August Tissot: "Quoique la maladie [gemeint sind die Pocken] soit moins mauvaise qu'en Angleterre, elle l'est assés dans de certaines années." (Hintzsche, S. 26)
  484. McKeown kommt zum Schluss, dass:
    - therapeutische und immunisierende ärztliche Massnahmen wie die Pockenimpfung vor dem 20. Jahrhundert - wenn überhaupt - nur unwesentlich zur Verlängerung der Lebenserwartung beigetragen haben
    - das Absinken der allgemeinen Mortalität während dem 18. und 19. Jahrhundert nicht auf das Verschwinden einer einzelnen Krankheit zurückgeführt werden kann.
    McKeown stellt Verbesserungen des Ernährungsstandards in den Vordergrund, welche die Resistenz gegen Infektionen verbesserten (McKeown, S. 29 ff.)
  485. Dies in Anlehnung an Hopkins (S. 32), der folgendes schreibt: "By the end of the seventeenth century, Variola major had clearly succeded plague, leprosy and syphilis as the continent's foremost pestilence. Typhus, dysentery and plague were still common killers of Europeans, but smallpox was now the most common."
  486. StAB B XI 104.
  487. StAB B XI 370.
  488. StAB B XI 370.
    Müller, S. 18, erwähnt, dass um den Mai 1812 "eine schwere Pockenepidemie ausbrach". Dabei gehörte der damals elfjährige Emanuel Eduard Fueter, welcher unter anderem von 1833 bis 1847 Mitglied des Sanitätskollegiums war, zu den Erstbetroffenen. Müller schreibt: "Die Eltern, befangen durch Vorurteil gegen Dr. Jenners Entdeckung der Pockenschutzimpfung, hatten sich geweigert, ihren einzigen Sohn impfen zu lassen, der nun diese schwerwiegende Unterlassung beinahe mit dem Verlust seines Augenlichts büssen musste. Am Rande des Grabes überwand der kleine Eduard die Krise, doch die gesunden Kräfte wollten nicht zurückkehren. Die Augen hatten einen dauernden Schaden davongetragen."
  489. StAB B XI 370.
  490. StAB B XI 370.
  491. StAB B XI 370.
  492. StAB B XI 370.
  493. StAB B XI 370.
  494. StAB B XI 370.
  495. StAB B XI 370.
  496. StAB B XI 370.
  497. StAB B XI 370.
  498. StAB B XI 370.
  499. StAB B XI 370.
  500. StAB B XI 370.
  501. ab 1831 sind, wenn nicht anders vermerkt, sämtliche Angaben dem Staatsverwaltungsbericht des jeweiligen Jahres entnommen.
  502. Flügel, S. 18.
  503. ebd., S. 19 f.
  504. ebd., S. 24.
  505. ebd., S 18 f.
  506. Rellstab, S. 10 f., Tab. 1.
  507. vgl. dazu auch: Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus, Jg. 1900, Lieferung I, S. 71 und Dutoit Charles, Bericht über die Blatternepidemie während des Jahres 1881, S. 11 f.
  508. Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus, Jg. 1887, Lieferung II, Tab. XIX, S. 53.
  509. ebd., Tab. XIX, S. 53.
  510. ebd., Tab. XIX, S. 53.
  511. ebd., Tab. XIX, S. 53.
  512. Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus, Jg. 1892, Lieferung II, Tab. XIX, S. 50.
  513. Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus, Jg. 1900, Lieferung I, S. 71.
  514. ebd., S. 71. Für die Epidemie dieser Jahre auch: Bemerkungen zur Blattern-Statistik 1891 und 1892 (Autor unbekannt), Bern 1893.
  515. Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus, Jg. 1900, Lieferung I, S. 71 und Dutoit Charles, Bericht über die Blatternepidemie des Jahres 1894, Tab. I.
  516. "Die zahlreichen Flüchtlinge aus dem Elsass und Burgund brachten ferner die Blattern in den Amtsbezirk Pruntrut." Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1870, S. 396.
  517. vgl. Matzel, S. 19 ff.
  518. Siffert, S. 18 ff.
  519. Auszählen aufgrund quantitativer Angaben, ohne Einbezug narrativer Erwähnungen wie "viele Tote", "einzelne Tote" etc. liessen sich von 1804 bis 1900 922 Pockentote!
  520. Datenedition BERNHIST. Von 1804 bis und mit 1900 werden 899'906 Tote für den Kanton Bern ausgewiesen.
  521. Gubler, S. 11.
  522. Bei endemischem Vorkommen ist die Chance minim, bis zum Alter von 20 und mehr Jahren den Pocken zu entgehen.
  523. Aus diesem Grund sollten auch eher die männliche als die weibliche Bevölkerung betroffen gewesen sein. Wobei die Frauen dann zu Hause von ihrem heimkehrenden Mann wiederum angesteckt werden konnten.
  524. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1856, S. 31.
  525. Beispielsweise schreibt Rellstab in seinem Bericht über die Epidemie von 1871/72: "Die Ansteckung geschah also im Anfang durch Einschleppung von Frankreich her, meist durch Personen, aber auch durch Gegenstände; so sind von mehreren Orten her aus Fabriken die Lumpen oder andere Waaren als Quelle der Ansteckung angegeben worden." (Rellstab, S. 3) Im Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1870, S. 396, ist folgendes erwähnt: "Im April und Mai erkrankten fast gleichzeitig in einer Kunstwollefabrik in Burgdorf und deren Filialen in Sumiswald und Rügsau mehrere Arbeiter und Arbeiterinnen, besonders solche, welche das Zerreissen von wollenen Lumpen besorgten. Diese waren hauptsächlich aus Frankreich (Paris) bezogen worden, wo damals bekanntlich die Blattern stark regierten." Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1873, S. 285: "Die zweite Einschleppung erfolgte wiederum durch Lumpen der Kunstwollefabrik von Hubler und Schafroth in Burgdorf und hatte 3 Erkrankungen zur Folge." Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1874, S. 430: "Am 2. April erkrankte in Bern eine Bettwaarenhändlerin, offenbar angesteckt durch einen von Frankfurt a.M. bezogenen Transport Bettfedern aus Ungarn."
  526. Sich über die föderalistische Vielfalt der Regelung des Impfwesens und dessen häufige Aenderungen über das ganze Jahrhundert hinweg einen Ueberblick zu verschaffen, ist beinahe unmöglich. Lange Zeit wurde vor allem in den West- und Zentralschweizerkantonen in dieser Hinsicht nichts unternommen. 1880 war die Situation folgendermassen: Die Impfung war in sämtlichen Kantonen der Schweiz obligatorisch, ausser in Uri, Glarus (Obligatorium 1876 aufgehoben) und Genf. Mit Ausnahme von Freiburg durfte die Impfung nur von Aerzten vorgenommen werden. Die Revaccination war in folgenden Kantonen obligatorisch: Freiburg, Baselstadt und Graubünden. Bei Ausbruch von Epidemien konnte sie zudem in den Kantonen Zürich, Zug, Aargau, Neuenburg und Solothurn angeordnet werden (Lotz, S. 40 f.). 1882 wurde in Zürich der Impfzwang abgeschafft (Gubler, S. 38). Wann jedoch in den einzelnen Kantonen das Obligatorium eingeführt wurde, wie lange dieses Bestehen blieb und wie restriktiv es durchgeführt wurde, ist mir nicht bekannt.
  527. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1865, S. 83.
  528. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1868, S. 293.
  529. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1886, S. 124.
  530. In diesem Sinn sind auch die Kampagnen gegen die Quacksalber und Kurpfuscher in der Zeit um 1840 und 1850 zu verstehen.
  531. Das Statistische Jahrbuch für den Kanton Bern, Jg. VI und VII für 1871 und 1872, S. 232 f., hält in diesem Zusammenhang fest: "Bei Beurtheilung des Jahres 1871 darf nun allerdings nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Sterblichkeit im Kanton Bern schon seit frühern Jahren im Zunehmen begriffen ist und zwar ziemlich rasch. Die Bewegung des Jahres 1871 sowohl als die des Jahres 1870 kann somit allerdings nur als ein Weiterschreiten einer allgemeinen und schon längerer Zeit vorhandenen Erscheinung betrachtet werden. Doch ist die Ansicht gerechtfertigt, dass in diesen beiden Jahren der deutsch-französische Krieg, die daherigen Truppenaufgebote und die grössere Schwierigkeit der Existenz, infolge der Stockung vieler Industrien, für die ärmern Arbeiterklassen nicht ohne Einfluss auf die Vitalität unserer Bevölkerung geblieben ist. [...] Ein wichtiges Indiz bei dieser grössern Sterblichkeit bildet nun der Umstand, dass die Vermehrung auf die Jahre des kräftigsten Alters von 20-40 fällt, während die Sterblichkeit der Einwohner unter 20 Jahren erheblich geringer ist und sogar die Kindersterblichkeit eine günstigere Ziffer zeigt. [...] dass die Kindersterblichkeit, welche mit der wachsenden Gesammtsterblichkeit erheblich gestiegen ist und 1870 die bedeutende Höhe von 24,1% der Gestorbenen oder 19,2% der Lebendgeborenen erreicht hat, im Berichtjahr ziemlich gesunken ist und eine sehr ausgesprochene Neigung zur Abnahme gezeigt hat."
    Werden die Todesursachen des Jahres 1871 in der Gemeinde Bern aufgeschlüsselt (vgl. Schärer Ernst, Statistik der Todesfälle in Bern in der fünfjährigen Periode 1871 - 1875, Bern 1884), ergibt sich folgendes Bild (insgesamt starben 1280 Personen):
    19,1% an Tuberkulose
    18,5% an Krankheiten der Atmungsorgane
    11,7% an akuten Infektionskrankheiten (wobei an 1. Stelle Typhus, an 2. Stelle Scharlach und erst an 3. Stelle die Pocken erscheinen)
    9,7% an Krankheiten der Verdauungsorgane
    7,6% an übrigen chronischen Infektionskrankheiten
    7,2% an Krankheiten des Nervensystems
    5,1% an Krankheiten der Kreislauforgane
    4,8% an Lebensschwäche und Bildungsfehlern
    4,8% an Gewalteinwirkung
    3,7% an Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane
    2,6% an Altersschwäche, 1,1% an unbekannter Ursache, 0,7% an Krankheiten des Haut- und Bindegewebes.