FUSSNOTEN
- Rürup Reinhard (Hrsg.), Historische Sozialwissenschaft,
Beiträge zur Einführung in die Forschungspraxis, Göttingen
1977, S. 6.
- Imhof Arthur [1977a], Einführung in die
historische Demographie, München 1977, S. 10.
- Chaunu Pierre, Les élémentes de
longue durée dans la société et la civilisation
du XVIIe siècle.
La démographie. In: Revue XVIIe
siècle 106-107, 1975, S. 22, zitiert in: Imhof [1977a],
S. 12.
- Wenn im Folgenden immer wieder vom "Kanton
Bern" die Rede sein wird, ist - wenn nicht anders vermerkt
wird - das Gebiet des Kantons in den Grenzen von 1980 zu verstehen.
- Hopkins Donald, Princes and peasants, smallpox
in history, Chicago 1983, S. 41.
- Diese Hypothese konnte 1990 in einer Seminararbeit,
die am Historischen Institut der Universität Bern verfasst
wurde, falsifiziert werden (vgl. Siffert Erich, Internierung der
Bourbakiarmee und Pockenseuche im Kanton Bern 1870 bis 1872, Bern
1990 (unveröffentlichte Seminararbeit)).
- Dabei handelt es sich vorwiegend um narrative
Quellen aus dem Staatsarchiv Bern und Bestände aus der Datenbank
BERNHIST: Pfister Christian und Schüle Hannes (Hrsg.) [Datenedition
BERNHIST], Datenedition historisch-geographisches Informationssystem
BERNHIST, Bern 1990 ff.
- So wurde versucht, mit folgenden Methoden Rückschlüsse
auf das Auftreten der Pocken im 18. Jahrhundert zu ziehen: Einerseits
wurde ein sogenannter "Krisenindex" (nach: Dupâquier
Jacques, Histoire de la population francaise, Paris 1988, S. 177
f.) berechnet, um dann mit dem erhaltenen Resultat auf mögliche
Pockenepidemien zu schliessen. Andererseits wurde auch für
Genf (wo die Pocken ausserordentlich gut erfasst worden sind)
diesen Krisenindex berechnet und im Vergleich des Verlaufs der
Kurven von Bern und Genf wurde versucht, Pockenseuchen zu erkennen
(in der Hoffnung, dass die relative geographische Nähe der
beiden Kantone ausreichend war). Diese Resultate wurden immer
wieder auch mit dem Material der Datenedition BERNHIST und mit
Quellentexten aus dem Staatsarchiv verglichen. Konnten die Aussagen
der verschiedenen Quellenformen in Einklang gebracht und Widersprüche
ausgeschaltet werden, liess sich so eine Aussage machen, welche
den wirklichen Verhältnissen trotz der gemachten Einschränkungen
sehr nahe kommen sollte.
- Fenner Frank (Hrsg.) [WHO], Smallpox and its
eradication, Genf 1988.
- Hopkins, Vorwort.
- ebd., S. 32 und S. 41.
- Carmichael Ann G., Smallpox in Europe before
the seventeenth century: virulent killer or benign disease?, in:
Journal of the history of medicine and allied sciences, Vol. 42,
1987.
- Die Letalitätsziffer ist ein Mass dafür,
wie häufig die an einer bestimmten Krankheit C leidenden
Menschen an dieser Ursache sterben: die während einer Periode
an Ursache C Gestorbenen werden zu 10'000 (oder auch 1000) an
Ursache C Erkrankten dieser Periode in Beziehung gesetzt. Altersspezifisch:
die während einer Periode an Ursache C Gestorbenen im Alter
X werden zu 10'000 (oder auch 1000) an Ursache C Erkrankten dieser
Periode in Beziehung gesetzt (Hauser Jürg, Bevölkerungslehre,
Bern 1982, S. 81).
- Carmichael, S. 154.
Als Sekundärliteratur dieser Art versteht sie etwa Hopkins
und Razzell Peter [1997a], The conquest of smallpox: the impact
of inoculation on smallpox mortality in 18. century britain, Sussex
1977
- Smith J. R., The speckled monster, Chelmsford
1987.
- ebd., S. 62 ff.
- ebd., S. 16.
- Perrenoud Alfred, Contribution à l'histoire
cyclique des maladies. Deux siècles de variole à
Genève (1580-1810), in: Mensch und Gesundheit in der Geschichte,
Husum 1980, S. 175 - 198.
- "Pockenmortalität": todesursachenspezifische
Sterbeziffer. Die (alters- und geschlechtsspezifische) Todesursachenziffer
bezieht die während einer Periode an Ursache C Gestorbenen
(im Alter X) auf 10'000 Personen der mittleren Bevölkerung
(im Alter X) dieser Periode (Hauser, S. 80 f.).
- ebd., S. 183.
- ebd., S. 186 ff.
- vgl. dazu Carmichael, S. 161 und Fussnote 358.
- Turpeinen Oiva, Die Sterblichkeit an Pocken,
Masern und Keuchhusten in Finnland in den Jahren 1751 bis 1865,
in: Imhof Arthur (Hrsg.) [1980], Mensch und Gesundheit in der
Geschichte, Husum 1980, S. 135 - 162.
- Lindskog Bengt, Mortalitätsanalyse einer
südschwedischen Bevölkerung 1749-1818, in: Mensch und
Gesundheit in der Geschichte, Husum 1980, S. 163 - 174.
- bspw. Ackerknecht Erwin [1963], Geschichte und
Geographie der wichtigsten Krankheiten, Zürich 1963; Hitzig
Walter, Seuchen in neuer und alter Zeit, Zürich 1987; Kollath
Werner, Die Epidemien in der Geschichte der Menschheit, Wiesbaden
1951; McNeill Williams, Seuchen machen Geschichte. Geisseln der
Völker, München 1978; Ruffié Jacques, Sournia
Jean-Charles, Die Seuchen in der Geschichte der Menschheit, Stuttgart
1987; Vasold Manfred, Pest, Not und schwere Plagen, München
1991; Sagan Leonhard, Die Gesundheit der Nationen, Hamburg 1992.
- Zu nennen sind hier: Imhof Arthur [1981], Die
gewonnenen Jahre. Von der Zunahme unserer Lebensspanne seit dreihundert
Jahren oder von der Notwendigkeit einer neuen Einstellung zu Leben
und Sterben, München 1981 und ders. [1977a], Einführung
in die historische Demographie, München 1977.
- bspw. Norden Wilhelm, Eine Bevölkerung in
der Krise. Historisch-demographische Untersuchungen zur Biographie
einer norddeutschen Küstenregion (Butjadingen 1600 - 1850),
Hildesheim 1984; Ruesch Hanspeter, Lebensverhältnisse in
einem frühen schweizerischen Industriegebiet, Basel 1979;
Schelbert Urspeter, Bevölkerungsgeschichte der Schwyzer Pfarreien
Freienbach und Wollerau im 18. Jahrhundert, Zürich 1989;
Sorgésa Beatrice, Contribution à l'étude
de l'évolution des structures familiales de l'époque
protoindustrielle à l'ere industrielle (Fleurier 1727 -
1914), Diss. phil. (Typoskript), Neuchâtel 1991.
- Rödel Walter, Mainz und seine Bevölkerung
im 17. und 18. Jahrhundert, Demographische Entwicklung, Lebensverhältnisse
und soziale Strukturen in einer geistlichen Residenzstadt, Stuttgart
1985, S. 10 ff. und S. 213 ff.
- Oder auch "Inokulation", "Einpfropfung
der Pocken" oder "Schutzblattern" genannt.
Dabei handelt es sich um eine Frühform der späteren
Schutzimpfung, die ab 1721 in Europa bekannt war: Die zu impfende
Person wurde bei diesem Verfahren mit menschlichem Pockenstoff
(Eiter aus einer Blase oder angetrocknete Pockenkrusten) über
eine Hautläsion mit den Pocken infiziert. Man hatte die Hoffnung,
dadurch die unvermeidlich erscheinende Krankheit in selbstgewählter
Zeit in milderer Form zu erleiden (vgl. Kap. 3.2.).
Nicht zu Verwechseln sind die zwei Methoden der Variolation und
der Schutzpockenimpfung (oder Vaccination bzw. Vakkzination).
Die Schutzpockenimpfung wurde 1796 von Jenner entdeckt und wurde
im Gegensatz zur Variolation mit tierischem Material (welches
von Kühen stammte, die an den Eutern an Kuhpocken leiden
konnten) durchgeführt und verlief im Gegensatz zur älteren
Methode in der Regel sehr mild (vgl. Kap. 3.3.).
- Klebs Arnold, Die Variolation im 18. Jahrhundert.
Ein historischer Beitrag zur Immunitätsforschung, Giessen
1914, S. 33
- Reust Elisabeth, Die Säuglings- und Kindersterblichkeit
in der Stadt Bern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
(1750 - 1780), Lic. phil., Bern 1980, S. 8 f.
- Datenedition BERNHIST.
- So liegen von 1728 bis 1803 nur 69 Angaben über
das Auftreten von Pocken in den bernischen Kirchgemeinden vor.
Ausser zwei Eintragungen von 1746 und 1752 datieren alle aus der
Zeit von 1770 bis 1803, wobei alleine 40 Vermerke zwischen 1790
und 1803 gemacht wurden. Zudem liegen vielfach nur Angaben wie
"Pocken", "Blattern", "Kindsblattern",
"viele Kinder an Pocken" etc. vor, ohne die Anzahl der
Betroffenen oder Verstorbenen genau zu beziffern.
- Rödel, S. 213.
- Reust, S. 77.
- Rödel, S. 15.
- Unter dem Begriff "Erfassungsfehler"
sind Zählauslassungen oder Doppelzählungen zu verstehen,
wobei normalerweise die ersteren die letzteren bei weitem überwiegen.
Solche Erhebungsfehler beruhen z.B. bei einer Volkszählung
darauf, dass entweder nicht alle Haushalte erfasst oder nicht
alle Haushaltmitglieder gezählt werden. Ein recht typischer
Fehler ist das Nichtzählen von Kindern und Frauen. Trotz
verschiedener Ansätze gibt es noch keine perfekte und befriedigende
Methode, diese Fehler festzustellen und zu messen, noch weniger
gibt es perfekte Methoden, solche Fehler zu korrigieren (Hauser,
S. 53). Bei Zählungen von Kranken beim Auftreten einer bestimmten
epidemischen Krankheit können "Erfassungsfehler",
die in diesem Fall wohl ausschliesslich auf Zählauslassungen
zurückzuführen sind, folgendermassen entstehen: Die
zuständigen Aerzte führen ihre Kontrollen nicht oder
nur ungenügend. Viele Kranke entgehen weiter einer Registrierung,
da sie (z.T. auch aus Kostengründen) nie einen Arzt konsultierten.
- StAB A 1, 470, Bd. 16 (P.B. 16, 426), 21. März
1777. Im "Instructionen-Buch des Santitätsrats, enthaltend
die behördlichen Erlasse auf dem ganzen Gebiete des Sanitätswesens"
(StAB B XI 9) war diese Anweisung ebenfalls niedergeschrieben.
- StAB A 1, 507, Bd. 27 (M.B. 27,15), 14. April
1777.
- StAB B XI 160.
- StAB IV 58, 1785.
- StAB B XI 318.
- StAB B XI 175.
- StAB B XI 176.
- Unter dem Grobbegriff "Ruhr" werden
verschiedene Infektionskrankheiten des Verdauungsapparates mit
bestimmten klinischen Symptomen und Verläufen zusammengefasst.
Verschafft man sich einen Ueberblick über die Fülle
der die Ruhr betreffenden Bestände im Staatsarchiv des Kantons
Bern, kann der bei Pfister (Pfister Christian [1989], Der Rote
Tod im Kanton Bern, Demographische Auswirkungen und sozio-hygienisches
Umfeld von Ruhrepidemien im 18. und 19. Jahrhundert unter dem
Einfluss einer umweltorientierten Medizin, in: 'Medizin' für
die Medizin; Arzt und Aerztin zwischen Wissenschaft und Praxis,
Basel 1989, S. 345) wiedergegebenen Ansicht, dass die Ruhr in
Westeuropa zwischen 1500 und 1800 mehr Opfer gekostet habe als
die Pest oder die Pocken, zugestimmt werden.
- Da die Krankheiten im 18. Jahrhundert nicht nach
den verschiedenen Ursachen eingeteilt wurden, sondern nach ihren
Symptomen, kam es zur Unterscheidung mehrerer Fieberarten. Eine
Diagnose nach heutigen Begriffen ist dabei nur selten möglich,
da es zwischen dem damaligen nosologischen (systematische Bezeichnung
und Beschreibung der äusseren Symptome) und dem heutigen
ätiologischen Bezugssystem keine gemeinsame logische Basis
gibt.
- 1720/21: Pest in Marseille (Frankreich);
1740: Pest in Siebenbürgen (Ungarn);
1765 bis 1768: Pest und Fleckfieber in Bosnien, auf dem Orient,
in Albanien, Dalmatien, Toskana, Tripolis, Marseille und Salzburg;
1770: Pest in Podolien und der Walachei;
1770 bis 1772: Pest in Polen;
1771 bis 1772: Pest in Moskau;
1781 bis 1785: Pest in Dalmatien;
1781 bis 1786: Pest unter anderem in Genua und Marseille.
(vgl. "Inventar über die Archivabteilung: Register über
das Sanitätswesen bis 1831" des StAB).
- StAB B XI 116 und 117, von 1744 bis 1769 bzw.
1756 bis 1774.
- StAB B XI 316, von etwa 1795 bis 1803.
Ausführlich berichtet wird hier und unter der Signatur StAB
B XI 317 vor allem über eine Epidemie der Roten Ruhr von
1795/96 im Kanton Bern.
- Dabei handelt es sich um über hundert handschriftliche
Bände, welche im Zeitraum von Oktober 1709 bis ins Jahr 1830
verfasst wurden und im Staatsarchiv Bern eingelagert sind.
Reust, welche für ihre Arbeit diese Bestände durchgesehen
hatte, schreibt, sie habe diese Manuale in der Hoffnung beigezogen,
einiges über Krisenjahre und Epidemien zu erfahren. Die Ausbeute
sei jedoch in Anbetracht der durchgesehenen Aktenfülle sehr
gering gewesen (Reust, S. 8). Bezüglich der Pocken wurde
sie in diesen Dokumenten ebenfalls nur im Zusammenhang mit der
Einführung der Impfung fündig (ebd., S. 85).
- StAB B XI 103 und 104.
- StAB B XI 1 (1667 bis 1746), 2 (1748 bis 1771)
und 3 (1771 bis 1788).
- StAB B XI 127, von 1709 bis 1742.
- BA B 1135 e und 1135 f.
Die einzige Tabelle, welche überliefert worden ist, ist diejenige
des Kantons Oberland. Von den anderen Kantonen ist - wenn überhaupt
- lediglich die Korrespondenz erhalten geblieben, die in den meisten
Fällen zum Erstellen oder zum Einsenden der Tabellen auffordert.
- vgl. zur "Roten Ruhr" im Kanton Bern:
Pfister [1989], S. 345 - 373.
- vgl. Kap. 4.4.
- vgl. Kap. 2.4.3.
- Auch Reust interpretiert das Fehlen von Angaben
in den Quellen auf ähnliche Art: "Wir wissen, dass die
Blattern in Bern auftraten. Weil aber aus den offiziellen Quellen
nichts hervorgeht, können wir ihren Einfluss auf die Kinder-
und Säuglingssterblichkeit nur schwer abschätzen. [...]
Wie ist das Schweigen der offiziellen Quellen zu deuten? Widerspiegelt
es die Resignation einer Krankheit gegenüber, der man wehrlos
ausgeliefert war und zudem nur Kinder befiel?" (Reust, S.
85)
- StAB B XI 160.
- Zu diesen fremden im medizinischen Wesen tätigen
Personen schreibt das Insul collegy am 2. April 1778, dass es
"weder Einfluss noch Gewalt habe, solche [Fremden] über
Ihre Papiere zu examinieren noch in einiche Verantwortung zu ziehen."
(StAB B XI 160)
- Imhof [1981], S. 31.
- StAB B XI 371.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 371.
- in: Bibliographie der schweizerischen Landeskunde,
Nr. 34-39.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1838,
S. 45.
- Flügel Karl, Bericht über die Schutzpockenimpfung
und Impfanstalt während dem Jahr 1832 an die Tit. Sanitäts-Commission
des Departements des Innern der Republik Bern, Bern 1834, S. 20.
- So: "Pockenkrankheit", "Allgemeiner
Gesundheitszustand", "Ausserordentliche Sanitätsanstalten:
Bezüglich auf Krankheiten unter den Menschen", "Vorkehren
gegen ansteckende und epidemische Krankheiten bei Menschen",
"Epidemische Krankheiten: Bei Menschen", "Leistungen
der Sanitätsbehörden", "Sanitätspolizeiwesen",
"Gesundheitspolizei: Gesundheitszustand der Menschen",
"Sanitätspolizei: Krankheiten der Menschen" etc.
- Im Staatsverwaltungsbericht für das Jahr
1865 ist eine detaillierte "Uebersicht der Blatternfälle
im Jahre 1865" publiziert. Für die Epidemie der Jahre
1870 bis 1872: Rellstab G., Zur Blattern- und Impfstatistik im
Kanton Bern, Separat-Abdruck aus der Zeitschrift für schweizerische
Statistik, Bern 1877. Für die Epidemie von 1881: Girard Charles,
Bericht über die Blatternepidemie im Kanton Bern während
des Jahres 1881, Bern 1883. Für die Jahre 1891 und 1892:
Bemerkungen zur Blattern-Statistik 1891 bis 1892 (Autor unbekannt),
Bern 1893. Für 1894: Dutoit Charles, Bericht über die
Blatternepidemie des Jahres 1894, Bern 1894 und Ost Wilhelm, Die
Blatternepidemie in Bern vom Jahr 1894, Basel, Leipzig 1894.
- Die Nachforschungen im Staatsarchiv Bern, welche
die Zeit von etwa 1700 bis 1830 betrafen, erforderten einen Zeitaufwand
von ca. 20 Manntagen. Hinzu kommen noch 2 Manntage für die
Suche im Bundesarchiv und ungefähr 5 für die Erhebung
der Daten aus den Staatsverwaltungsberichten und der Beibringung
der anderen Berichte über Pockenepidemien.
Dieses Material wird soweit möglich der Datenbank BERNHIST
in computerlesbarer Form zur Verfügung gestellt.
- Dieses Konzept beruht auf der Lehre von Galen
(129 - 199 n. Chr.), einem bedeutenden Arzt der Antike. Galen
vollzog den bewussten Rückgriff auf die qualitäten-
und humoralpathologische Lehre von Hippokrates (vgl. Eckart, Geschichte
der Medizin, Berlin 1990, S. 59 ff. und S. 89 f. sowie Ackerknecht
Erwin [1986], Geschichte der Medizin, Stuttgart 1986, S. 71 ff.).
Das Konzept der hippokratischen Medizin beruhte auf einer Harmonie-
bzw. Gleichgewichtslehre. Krankheit war im hippokratischen Verständnis
gestörte Harmonie, eine schlechte Mischung der Körpersäfte.
Aerztliche Kunst im Sinne der hippokratischen Medizin bildete
die Summe der folgenden Einzelelemente:
1.) genaue differenzierte Beobachtung des Kranken unter Berücksichtigung
seiner Krankengeschichte, seiner Lebensumstände und der klimatischen
Bedingungen des Ortes.
2.) Einbezug eigener und schriftlich überlieferter ärztlicher
Empirie.
3.) Prognosenbildung.
4.) diätetisches, medikamentöses und chirurgisches therapeutisches
Handeln.
(Eckart, S. 45 ff.).
- vgl. Eckart, S. 60 und Ackerknecht [1986], S.
72.
- Es handelt sich um eine antike Krankheitslehre,
die von vier Grundelementen der belebten und unbelebten Welt (Feuer,
Wasser, Luft und Erde) ausgeht und die unausgewogene Mischung
der vier Elementarqualitäten (warm, feucht, kalt und trocken)
für alle Krankheitszustände verantwortlich macht. Der
Gesundheit liegt eine ausgeglichene Mischung zugrunde. Die Lehre
findet sich bereits bei den Vorsokratikern und verbindet sich
in der Antike mit der Humoralpathologie (Eckart, S. 40).
- Der Iatroastrologie liegt die Annahme einer Korrespondenz
zwischen den Planeten und den Sternzeichen einerseits und dem
menschlichen Organismus andererseits zugrunde. Dem Einfluss der
Gestirne unterliegen also Gesundheit und Krankheit des Menschen.
Der Arzt kann aus ihrer Konstellation Rückschlüsse auf
Krankheitsursachen ziehen, einzusetzende therapeutische Massnahmen
bestimmen und Heilungsaussichten abschätzen. Iatrotheologie
kann als Versuch bezeichnet werden, Krankheit, auch wenn ihre
natürlichen Ursachen möglicherweise erkennbar sind,
als unmittelbaren Ausdruck göttlichen Wollens und Handelns
zu verstehen. Krankheit und Leiden werden als göttliche Strafe
oder als Weg in der Nachfolge Christi verstanden.
Im 17. Jahrhundert entstanden zwei starke Bewegungen, die die
fragmentarischen Ergebnisse der neuen Grundwissenschaften Physik
und Chemie auf die klinische Medizin anwenden wollten: die Iatrophysik
und die Iatrochemie. Prominente Vertreter der Iatrophysik sind
Galileo Galilei und René Descartes (vgl. Ackerknecht [1986],
S. 106 f. und Eckart, S. 83 sowie 89 f.).
- etwa: Mars - Galle (Organ) - gelbe Galle (Saft)
- Trocken/Heiss (Qualität) (Eckart, S. 89).
- "I say then that every man, from the time
of his birth till he arrives at old age, is continually tending
to dryness; and for this reason the blood of children and infants
is much moister than the blood of young men, and still more so
than of old men [...] Now the smallpox arises when the blood putrefies
and ferments, so that superfluous vapors are thrown out of it
and it is changed from the blood of infants, which is like must,
into the blood of young men, which is like wine perfectly ripened;
[...] and the smallpox itself may be compared to the fermentation
and the hissing noise which takes place in must at that time.
And this is the reason why children, especially males, rarely
escape being seized with this disease, beacause it is impossible
to prevent the blood's changing from this state into its second
state, just as it is impossible to prevent must [...] from changing."
(Rhazes, Treatise on the smallpox and measles, S. 29, trans. Greenhill
William, in: Med. Classics 4, 1939, S. 22-84, zitiert in: Carmichael,
S. 151 f.)
- en-demos: in der Bevölkerung drin, "einheimisch",
also eine in bestimmten Gebieten ständig vorkommende Krankheit.
- Der Name der Syphilis, welche damals auch als
"französische Krankheit", "neapolitanische
Krankheit" oder "big pox" bezeichnet wurde, stammt
aus einem Gedicht von Fracastoro (vgl. Ackerknecht [1986], S.
90).
Auch im Kanton Bern tauchen im Verlaufe des 17. Jahrhunderts in
den Chorgerichtsmanualen Fälle auf, die sich mit der "Franzosenkrankheit"
befassen: "24. 8bris 1641. Es ist Jacob Vivian von Hans Frösch
anklagt worden, wie das er mit der sucht der Franzosen sampt seiner
haushaltung behaftet seye. Deswegen ihm befohlen, ein gültige
attestation von den vier Schauherren [Stadtärzten] zu bringen
und ds innert 14 tagen, wo nicht, werde ein hohe Oberkeit dessen
verstendiget werden. Weil er aber nit formblich der sach nach
gangen, soll er 1 guldi erlegen." (zitiert in: Gugger Karl,
Das Chorgericht von Köniz 1587 - 1852, Köniz 1968, S.
59)
- Dabei handelte es sich um eine Krankheit, die
sich durch Fieber und heftige Schweissausbrüche äusserte
und innerhalb weniger Tage zum Tode führte. Symptome und
klinischer Verlauf ähnelten denen einer Grippe. Dieses Schweissfieber
griff von Grossbritannien her auch auf den Kontinent über,
wo es wegen der hirsekorngrossen Schweisstropfen, die über
den ganzen Körper perlten, "Frieselfieber" oder
"Miliarfieber" genannt wurde (Ruffié Jacques
und Sournia Jean-Charles, S. 131).
- Astralische (Einfluss der Sterne), tellurische
(Einfluss des Bodens) und diskriminierende Theorie, d.h. Verdächtigung
ethnischer, religiöser und gesellschaftlicher Randgruppen,
insbesondere der Juden (Eckart, S. 127).
- De contagionibus et contagiis morbis et eorum
curatione, 1546 in Venedig publiziert.
- Diese Annahme geriet beinahe wieder in Vergessenheit,
wurde aber im 19. Jahrhundert beispielsweise durch Jakob Henle
(1809 - 1885) wieder aufgegriffen. Begriffe und Ideen werden in
der vor- und frühbakteriologischen Aera im Streit zwischen
Kontagionisten und Miasmatikern wieder virulent (Eckart, S. 128
f.).
Zur Miasmatheorie: Bis zur Aera der Bakteriologie war die Miasmatheorie
die vorherrschende Auffassung. Nach dieser Annahme entstanden
die grossen Seuchen und Epidemien durch schlechte Ausdünstungen
des Bodens, des Wassers - insbesondere feuchter Sumpfgebiete -
oder durch krankmachende Bestandteile der Luft (Pesthauch!). Eine
Verbesserung der hygienischen Lebenssituation war eine Konsequenz
der Miasmatheorie, so dass deren Wirksamkeit im Bereich der Krankheitsprävention
nicht unterschätzt werden darf. Ihre Ausdifferenzierung in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeutete gleichzeitig
den Beginn der modernen wissenschaftlichen Hygiene (Eckart, S.
222 f.).
- vgl. Carmichael, S. 152 f.
- vgl. Ackerknecht [1986], S. 90 und Ackerknecht
[1963], S. 57.
- Sydenham versuchte, die Vorgaben des neuen, philosophischen
Empirismus auch für die Medizin fruchtbar zu machen. Die
Grundlagen dieses neuen Empirismus hatte Francis Bacon formuliert.
Sein Postulat richtete sich in erster Linie auf den Prozess und
die Methoden einer geordneten Erfahrungsbildung, die sich von
der alten, planlosen Erfahrungsbildung unterschied. Als zweiter
Schritt hatte die Bildung von allgemeinen Sätzen im induktiven
Verfahren zu erfolgen. Zumindest den ersten Aspekt von Bacons
Postulat nahm der Kliniker Sydenham auf und wandte sich erstmals
in der Medizin einer systematischen Beobachtung und Vergleichung
von Krankheitssymptomen zu, mit dem Ziel, besondere Krankheitstypologien
zu entwickeln. Wichtig war Sydenham dabei nicht die Kategorisierung
des Einzelfalls, sondern die Ermittlung von Krankheitsbildern
durch die vergleichende Summation von Einzelbeobachtungen. In
der Therapie war Sydenham um den Einsatz krankheitsspezifischer
Heilmittel bemüht und propagierte bspw. den Gebrauch der
seit Mitte des 17. Jahrhunderts aus Südamerika eingeführten
Chinarinde als Fiebertherapeutikum (Eckart, S. 149 f.).
- vgl. Ackerknecht [1963], S. 57, Smith, S. 30
und WHO, S. 3 und S. 229.
- Smith, S. 30.
- ebd., S. 30 und Ackerknecht [1963], S. 58.
- Eckart, S. 132 f.
- ebd., S. 196 f.
- Hippel Th., Ueber die Ehe, Leipzig 1872, S. 3,
zitiert in: Bauer Leonhard, Matis Herbert, Die Geburt der Neuzeit,
Vom Feudalsystem zur Marktgesellschaft, München 1988, S.
306.
Die merkantilistische Menschenproduktion verselbstständigte
sich allmählich zu einem allgemeinen Prinzip der Reichtumsgewinnung
durch Bevölkerungsvermehrung. In einer 1769 unter einem Pseudonym
erschienenen Schrift stellt der Kameralist Justi daher die Frage:
"Man sucht das Vieh auf alle Art zu vermehren, man errichtet
Stutereyen, Schäfereyen und dergleichen. Warum sollte man
auch nicht Menschereyen anrichten, die einen viel grösseren
Werth haben?" (ebd., S. 305)
- Die eigentliche theoretische Grundlage der "Medicinischen
Policey" erfolgte durch den Wiener Johann Peter Frank. Seine
Ideen wurden zwischen 1786 und 1817 als "System einer vollständigen
medicinischen Policey" publiziert. Sein Werk bildete die
Grundlage einer öffentlichen Gesundheitspflege als Spezialdisziplin
der Medizin (Eckart, S. 197).
- 1725 in London, in Berlin 1727, in Edinburgh
1748, in Stockholm 1749 und in Kopenhagen 1782. Charakteristisch
war, dass in diesen Krankenhäusern Chirurgie und innere Medizin
parallel praktiziert wurden, dass der grosse Krankensaal des alten
Hospitaltypus kleineren Krankensälen wich und dass zur Ausstattung
des Krankenhauses nebst unterschiedlichen Abteilungen häufig
auch eine Krankenhausapotheke gehörte (Eckart, S. 199 f.).
- Es handelt sich dabei um eine vitalistische Reaktion
gegen die Iatrochemie und -physik, die ihren Gipfel mit dem Animismus
von Georg Ernst Stahl (1660 - 1734) aus Halle erreichte. Stahl
erklärte Leben und Krankheit durch die Einwirkung einer "empfindenden
Seele" oder Anima, die jeden Teil des Organismus bewohne
und seine spontane Zersetzung verhindere (vgl. Ackerknecht [1986],
S. 113 f.).
- Eckart, S. 186 f.
- Universitätsbibliothek Basel. Ms. G2 II
82, Nr. 6., zitiert in: Portmann Marie-Louise, Die Variolation
im Spiegel der Korrespondez Albrecht von Hallers mit Achilles
Mieg, Aarau 1976, S. 296 f.
- In Wien und Edinburgh entstanden Tochterschulen
von Leiden, die sich ganz am Vorbild Boerhaaves orientierten (Eckart,
S. 192 f.).
- Boerhave bezahlte mit seinem Leben für den
Irrtum, die Pocken als Entzündungsfieber zu diagnostizieren.
Er glaubte, die Krankheit durch das Aufbieten aller "Antiphlogistica"
ersticken zu können. Er schrieb lange einer Verbindung von
Spiessglanz und Quecksilber die Fähigkeit zu, das Pockengift
zu zerstören, bis er durch Selbstversuche diesen Mitteln
erlag (Bohn Heinrich, Handbuch der Vaccination, Leipzig 1875,
S. 59).
- Ackerknecht [1986], S. 125 f.
- Aderlass, Purgieren und Laxieren gehören
zu den ältesten Heilmethoden bei fast allen Krankheiten.
Dabei wurde von der alten Humoraltheorie ausgegangen, nach der
die "unreinen" Säfte aus dem Körper entleert
werden sollen. Auch nach dem Abrücken von der Humorallehre
blieb der Aderlass ein probates und anerkanntes Heilmittel, welches
sowohl kurativ bei medizinischen und chirurgischen Leiden wie
auch präventiv zur Erhaltung der Gesundheit eingesetzt wurde.
Schon Paracelsus wandte sich 1527 in seiner Abhandlung "Bericht
vom Aderlassen und Schrepfen sampt des Purgierens" gegen
das (wegen der z.T. ungeheuren Blutmengen, die abgelassen wurden)
oft bis zur Besinnungslosigkeit des Patienten führende Aderlassen
(dabei handelt es sich um den Aderlass "ad animi deliquium",
der bspw. bei eingeklemmten Brüchen zur Anwendung gelangte).
Auch Gotthelf stellte sich gegen den Unsinn des Aderlassens, etwa
in "Anne Bäbi Jowäger": "So soll zum
Beispiel unter den grössern Medizinern einst das Blutlassen
Mode gewesen sein und für alles gut und das Blut herumgesprützt
haben, als ob in jedem Hause ein halbes Dutzend Sprützbrunnen
wären, [...] Man denkt auch hier nicht daran, dass Gott fürs
rechte Mass gesorget habe [...] und man weiss nicht, dass einige
Stunden, nachdem man zur Ader gelassen, man schon wieder gleich
viel Blut hat, nur schlechteres, es ist, als ob man Wasser in
Wein getan [...] Wenn die erste Elster im Sommer sich wieder zeigt,
so geht das Blutlassen, dass es ein Graus ist." (Müller
Carl, Gotthelf und die Aerzte, Bern 1963, S. 113 ff.)
- Als exemplarisches Beispiel kann die Gründung
der "Sanitary Movement" in England angeführt werden.
Diese in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene
Bewegung erkannte den Zusammenhang von Krankheit und sozialer
Lage der englischen Arbeiterschaft. Angestrebt wurde eine Verbesserung
der Strassenhygiene, der Kanalisation, der Toiletten (Wasserklosetts),
der Frischwasserversorgung etc. (vgl. Eckart, S. 221 ff.)
- vgl. Eckart, S. 225 ff. und Ackerknecht [1986],
S. 149 ff.
- In Preussen wird bspw. im Oktober 1852 der ärztliche
Einheitsstand gebildet. Nach diesem Datum approbierte Aerzte hatten
nun die Bezeichnung "Praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer"
zu tragen (Eckart, S. 255).
- Flechtner Hans Joachim, Gesundheit durch Krankheit:
das Rätsel der Immunität, Düsseldorf 1954, S. 21
f.
- So verringerten bspw. die Nomaden der Mandschurei
die Gefahr der Pestansteckung auf der Grundlage der Annahme, dass
die verstorbenen Ahnen in Steppenmurmeltieren reinkarniert seien.
Aus diesem Grunde mussten die Tiere, welche den Pestbazillus bewirten
konnten, mit Vorsicht behandelt werden und der Umgang mit ihnen
wurde gemieden (McNeill, S.265 f.).
- Quarantänebestimmungen wurden 1465 in Ragusa
und 1485 in Venedig amtlich vorgeschrieben. Diesem Beispiel folgten
bald viele weitere Mittelmeerhäfen. Jedes aus einem pestverdächtigen
Hafen ankommende Schiff musste an einem abgelegenen Platz vor
Anker gehen und vierzig Tage lang ohne Verbindung zum Land bleiben.
Diese Bestimmungen wurden zwar nicht immer streng eingehalten,
zum Teil gelang es auch Ratten und Flöhen ans Land zu kommen,
aber sicherlich konnten durch diese Vorsichtsmassnahme in vielen
Fällen die Verbreitung der Pest unterbunden werden, da vierzig
Tage reichen sollten, um eine Infektkette unter den sich auf dem
Schiff befindlichen Wirten des Pasteurella pestis, des Pestbazillus,
ausbrennen zu lassen (vgl. McNeill, S. 192 ff.).
- Matzel Oskar, Die Pocken im deutsch-französischen
Krieg 1870/71, Düsseldorf 1977, S. 7 f.
- So finden sich noch im Jahrgang 1845 des "Neuen
Berner Kalender" unter der Rubrik "Medizinisches"
Auszüge aus dem 1696 in Frankfurt herausgegeben Buch "Heilsame
Dreck-Apotheke. Wie nemlich mit Koth und Urin fast alle, ja auch
die schwerste, giftigste Krankheiten und bezauberte Schaden vom
Haupt bis zun Füssen, inn- und äusserlich glücklich
curieret worden; durch und durch mit allerhand curieusen, so nütz-
als ergetzlichen Historien und andern feinen Denkwürdigkeiten,
bewährt und erläutert von Kristian Franz Paullini".
Paullini, der bischöflich-münsterscher Leibarzt war,
führt aus, dass "wenn einem ein kleines Bläterchen
beunruhigt, gleich macht man allerlei Mischmasch, alsobald wird
aus Indien, Arabien und vom Roten Meer was verschrieben, während
doch jedem Bauern die kräftigste Arznei auf seinem Hofe wächst,
hinterm Zaun und auf dem Mist." Dementsprechend waren auch
die Rezepte, welche im Kalender gedruckt wurden: "Für
Damenkopfweh soll ein Tuch, in einer Mistpfütze wohl genetzt,
die besten Dienste leisten; für Augenweh frischer Kuhdreck,
namentlich von einer roten Kuh, aber nicht bloss, sondern in einem
sogenannten Küsseli aufgelegt. Eselskot, besonders von jungen
Eseln, unter die Nase gehalten, stillt das Bluten. Hundsdreck,
also warm über die Backen, ist vortrefflich fürs Zahnweh;
Rabendreck aber, in einen hohlen Zahn getan, stillt den Schmerz
und macht, dass der Zahn ausfällt; getrockneter Hundsdreck,
im Mai gesammelt, prächtig gegen den Husten." Gegen
die rote Ruhr wurde empfohlen, Horn von Pferdehufen zu Pulver
zu brennen, Hundsdreck und gestossene alte, schwarze Tabakspfeifen
dazuzugeben und dieses Pulver am morgen und am abend mit Milch
einzunehmen (Müller, S. 107 ff.).
- Corbin Alain, Pesthauch und Blütenduft -
Eine Geschichte des Geruchs, Paris 1982, S. 280.
- ebd., S. 279 ff.
- Parent-Duchâtelet A., Essai sur les cloaques
et égouts de la ville de Paris, in: Hygiène publique,
Paris 1835, Bd. II, S 252, in: Corbin, S.281.
- Burnet Macfarlane Frank, Naturgeschichte der
Infektionskrankheiten des Menschen, Frankfurt a. M. 1971, S. 19
f.
- So wurde bspw. die grosse Choleraseuche in Hamburg,
welche am 16. August 1892 begann und an der innerhalb von etwa
vier Wochen 18'000 Personen erkrankten und mehr als 8000 starben,
durch verseuchtes Trinkwasser hervorgerufen. Alle Erkrankungen
lagen im Gebiet von Hamburg selbst, dessen Wasserleitungen damals
unmittelbar aus der Elbe gespeist wurden. Das eng benachbarte
Altona, welches eine andere Wasserversorgung besass, blieb - mit
Ausnahme einiger durch Ansteckung übertragener Infektionen
- von der Seuche frei (Flechtner, S. 125.).
- ebd., S. 22 f.
- ebd., S. 23.
- Burnet, S. 194 f.
- Zur Veranschaulichung eignet sich hier das Beispiel
Islands dank der hervorragenden Quellenlage bestens. Schon 1703
wurde die erste, nach modernen Prinzipien durchgeführte Volkszählung
vorgenommen. Zudem ist es für Island möglich, aufgrund
einer einzigartigen literarischen Tradition sowie archäologischen
Untersuchungen die Bevölkerungsentwicklung seit der Besiedlung
der Insel im 9. und 10. Jahrhundert nachzuzeichnen. Hinzu kommt,
dass durch die grosse Isoliertheit Islands dieses Land nie unter
Kriegen zu leiden hatte und im Hinblick auf zahlreiche Krankheiten
und Todesursachen keine kontinuierliche Immunisierung entstehen
konnte, wie dies in einer Bevölkerung mit ständigen
Kontakten zu vielerlei Seuchenträgern verschiedenster Art
der Fall war.
Auf Island grassierten die Pocken in jeder Generation durchschnittlich
nur einmal. Kinder und Erwachsene waren ihnen dann gleichermassen
ausgesetzt, dementsprechend war die Sterblichkeit bei Pockenepidemien
ungleich grösser als auf dem Festland. So fielen den Pocken
1707, als sie wieder einmal von Dänemark eingeschleppt wurden,
ca. 18'000 Menschen zum Opfer, d.h. ein Drittel der gesamten Bevölkerung.
Die letzte Pockenepidemie zuvor hatte in den Jahren 1670 bis 1672
auf der Insel geherrscht (vgl. Imhof Arthur [1977a], S. 36 ff.
und ders. [1977b], Bevölkerungsgeschichte und Historische
Demographie, in: Rürup Reinhard (Hrsg.), Historische Sozialwissenschaft,
Göttingen 1977, S. 16 ff.).
- Burnet, S. 201 f.
- ebd., S. 202 f.
- ebd., S. 208.
- Auf die Altersverteilung der Pocken wird in Kap.
4.4. genauer eingetreten, an dieser Stelle sollen lediglich allgemeine
Prinzipien aufgestellt werden.
- ebd., S. 223.
- ebd., S. 228.
- ebd., S. 229.
- Darüber hinaus existieren Parasiten, die
beim Menschen ähnliche Krankheitszustände hervorrufen
können, doch vergleichsweise selten auftreten. Es kann sich
dabei um Wurminfektionen handeln (durch die Gruppe der Filarien,
durch Finnen einer Bandwurmart und die Hakenwurmplage in tropischen
und subtropischen Gebieten) oder um Pilz- und Hefeinfektionen
(vgl. Burnet, S. 47).
- ebd., S. 59.
- ebd., S. 68.
- ebd., S. 69
- Variola major war lange Zeit der einzige bekannte
Typ von Pockenviren. Variola minor wurde zuerst in Südafrika
und Westindien entdeckt. Im Labor konnten diese beiden Viren erst
in den 1950er Jahren unterschieden werden. Der markanteste Unterschied
der beiden Virustypen ist, dass variola major und variola minor
zwar Pocken verursachen, die dasselbe Erscheinungsbild aufweisen,
jedoch eine signifikant andere Letalität besitzen: bei durch
variola major verursachten Pocken starben im Durchschnitt 25%
der Erkrankten, bei variola minor hingegen lediglich 1%. (vgl.
Hopkins, S. 5 f.).
- Diese Art von Viren werden auch als Bakteriophagen
bezeichnet. Beispielsweise kann bei der Käseproduktion der
fermentative Umbau der Milch durch bestimmte Streptokokkenkulturen
eingeleitet werden. Schwierigkeiten traten jedoch auf, als 'Starter'-Kulturen
zu bestimmten Zeiten anscheinend Selbstmord begingen und dadurch
eine grosse Menge von Milch nicht richtig gerinnen wollte. Hier
waren die Verursacher des Schadens Bakteriophagen. Ein anderes
Beispiel ist die nachlassende Ergiebigkeit eines Luzernenfeldes,
nachdem es einige Jahre gewachsen ist. Die Luzernen gehören
zu den Leguminosen, deren Stickstoffbedarf hauptsächlich
durch die Tätigkeit spezialisierter Bakterien in den Knoten
ihrer Wurzeln gedeckt wird. Der abnehmende Ertrag eines Luzernenbestandes
hängt mit der Zerstörung oder der Verminderung der in
den Wurzeln lebenden Bakterien durch Bakteriophagen zusammen,
denn die Fähigkeit dieser Bakterien, Stickstoff zu binden,
ist für die Gesundheit der Pflanze von wesentlicher Bedeutung.
vgl. Burnet, S. 76 f.
- ebd., S. 81.
- ebd., S. 87.
- ebd., S. 101.
- Geschlechtskrankheiten stellten zu Kriegszeiten
ein wichtiges militärisches Problem dar. So wurden in diesem
Jahrhundert verschiedene Massnahmen gegen die Verbreitung venerischer
Krankheiten durchgeführt: direkte Disziplinarverfahren, Einrichtungen
für sportliche Betätigung oder sonstige Freizeitbeschäftigungen,
moralische und religiöse Ermahnungen, prophylaktische Ausgabe
von Präservativen an Beurlaubte und die Bereitstellung von
Desinfektionsgelegenheiten nach einer Exposition (vgl. ebd., S.
165 f.).
- Flechtner, S. 13 f.
- Neugebauer Josef, Bildatlas der Infektionskrankheiten,
Basel 1983, S. 94.
- Schlotter Oskar, Die Geschichte der Lepra und
Pocken in Europa, München 1966, S. 142.
- Syphilis trug die Namen "(Grosse) Blattern",
"Big pox" oder "la grosse vérole" im
Gegensatz zu den Pocken: "Blattern" "smallpox"
oder "la petite vérole".
- weitere Krankheitsbezeichnungen:
- "Hitziges Fieber", "heisses Fieber" oder
"Febris ardens s. calida": Oberbegriff für verschiedene
akute, fieberhafte Krankheiten, z.B. Bauchtyphus, Fleckfieber
(beide auch "Nervenfieber" genannt), Rose (Erysipel)
etc.
- "Seitenstechen": oder "Stich(fieber)", möglicherweise
Zeichen einer Brustfellentzündung bei Lungentuberkulose oder
einer Blinddarmentzündung (vgl. dazu Noah Gordon, Der Medicus,
München 1990, S. 390 ff., S. 412 ff. und S. 558 ff.) Im von
Gotthelf redigierten Neuen Berner Volkskalender 1839 erschien
unter anderem ein Hausmittel gegen das Seitenstechen: "Heftiges
Seitenstechen beginnt gewöhnlich mit Frost; dann folgen grosse
Hitze, Durst, Beklemmung der Brust, kurzes, schnelles Athmen,
und stechende oder brennende, bisweilen von einem Ort zum andern
ziehende Schmerzen an irgend einer Stelle der Brust, welche das
Athmen auf die angstvollste Weise erschweren, wenigstens das tiefere
Athemholen ganz hemmen; dabei ist der Puls hart und voll, bisweilen
zusammengezogen. Bei heftigen Schmerzen lege man 6-8-10 Blutegel
an die Brust; bei Beengung des Athmens und Brustbeklemmung Senfteige,
und, wenn das Fieber nicht heftig ist, lasse man einige Tassen
Holderthee trinken, um möglichst bald Schweiss hervorzurufen.
Mit diesen Mitteln wird man, wo ärztliche Hülfe nicht
sogleich zur Hand ist, vorläufig die dringendsten Beschwerden
zu beschwichtigen im Stande seyn. Wo der Schmerz bloss äusserlich
ist, bei der Bewegung der Brust und namentlich beim Befühlen
der leidenden Stelle sich vermehrt, Husten und Fieber aber in
der Regel nicht zugegen sind: so dienen diejenigen Mittel, welche
gegen den fieberlosen Rheumatismus anzuwenden sind: als warme
Kräutersäckchen, aus gepulverten Chamillenblumen, Holder,
Melisse, Majoran und dgl. Wachstaffent, Opodeldoc, Gichtpapier,
das so lange liegen bleiben muss, bis es von selbst abfällt;
Blasenpflaster, Dampfbäder usw." (zitiert nach: Müller,
S. 101 f.)
- "Hauptsucht": Krankheit, die mit cerebralen Erscheinungen
einhergeht, eventuell auch Pest, Petechialtyphus u.a., vorwiegend
wohl Fleckfieber.
- "Frost und Hitze": Fieber mit wechselnden Phasen.
- "böser Husten": u. U. Keuchhusten ("Kiechhusten").
- "Geschwulst und Enge": beengter Zustand eines Organs
durch Krampf oder Schleimhautschwellung. Möglich wäre
demnach Angina oder epidemische Diphtherie.
- "Faulfieber": Typhus, typhöse Krankheitsformen,
auch Pneumonie.
- "Gicht(ern)": Krämpfe, Halsgichter = Krupp.
- "Krupp": auch "Grupp", Halsbräune,
Diphterie.
(vgl. Ruesch, S. 369)
- zitiert in: Gins Heinrich A. [1963], Krankheit
wider den Tod, Berlin 1963, S. 1 ff.
- Grasgrüne Stuhlausleerungen deuteten in
der Regel auf einen tödlichen Ausgang der Krankheit hin.
- vgl. WHO, S. 6 ff. sowie Smith, S. 179 ff, Roche
Lexikon Medizin, München 1987, S. 123 f. und Senn-Schnyder
Maria, Dokumente zur Einführung der Inokulation in der Schweiz,
Diss. med., Basel 1981, S. 9 ff.
- WHO, S. 52.
- Hopkins, S. 42.
- Ackerknecht [1963], S. 56.
- Bernoulli, Handbuch der Populationistik, Ulm
1841, S. 255, zitiert in: Lotz Theodor, Pocken und Vaccination.
Bericht über die Impffrage. Bern 1880, S. 16.
- Papers relating to the history and practice of
vaccination (Officielles Blaubuch, London 1857, S. 6, zitiert
in: Lotz, S. 16)
- Dixon C. W., Smallpox, London 1962, in: WHO,
S. 50.
- vgl. ebd., S. 50 und S. 164.
- ebd., S. 196.
- ebd., S. 164.
- Rao A. R., Smallpox, Bombay 1972, in: WHO, S.
22.
- "blutender", mit einem Blutsturz verbundener
Typ.
- Diese Typen wurden 1875 von Curschmann und 1895
von Immermann als "purpura variolosa" bzw. "variola
pustulosa haemorrhagica" bezeichnet (WHO, S. 32).
- ebd., S. 38.
- Hopkins, S. 5 f.
In England kam es in den 1920er und frühen 30er Jahren zu
Epidemien, welche durch variola minor verursacht wurden. So wurden
1921 345 Fälle und am Höhepunkt der Epidemie 1925 5405
Fälle von variola minor registriert. (vgl. Smith, S. 145
ff. und S. 171 f.). Vermutlich kamen Ausbrüche des variola
minor-Virus aber schon früher vor, wie sich aus den Aufzeichnungen
von Wagstaffe von 1722 schliessen lässt: "We have the
sort [of smallpox] in which a nurse cannot kill, and another in
which even a physician can never cure." (William Wagstaffe,
A letter to Dr. Freind, shewing the dangers and uncertainty of
inoculating the smallpox, London 1722, zitiert in: Carmichael,
S. 149) Auch Clinch schrieb 1725 über die Pocken: "[...]
it is sometimes so very Mortal, and at other times so very Mild
and Favourable." (William Clinch, An historical essay on
the rise and progress of the smallpox, 1725, zitiert in: Razzell
[1977a], S. 130.)
- WHO, S. 179.
- Die Korrelation von niedriger Temperatur und
Feuchtigkeit und Vorkommen von Pocken konnte empirisch lediglich
in tropischen und subtropischen Ländern nachgewiesen werden,
wobei hier noch zusätzlich der Vorbehalt anzubringen ist,
dass nicht nur der klimatische Faktor eine Rolle spielte, sondern
auch der soziale: während der Regenperiode war die Mobilität
sehr stark eingeschränkt, was wiederum die Verbreitung der
Infektionen behindern konnte (vgl. WHO, S. 180).
- ebd., S. 181.
- ebd., S. 196.
- Rellstab, S. 9 und S. 3.
- Norden, S. 84.
- Black F., Measles endemicity in insular populations:
critical community size and its evolutionary implication, in:
Journal of theoretical biology, Jg. 11, S. 207 - 211.
- So gab es auch bei der grössten Pockenepidemie
im Kanton Bern während des 19. Jahrhunderts, derjenigen von
1871/72, keine gleichmässige (oder zur Bevölkerung proportionale)
Verteilung der Fälle auf das Kantonsgebiet, sondern es wurden
lokale Epidemien festgestellt, die jedoch immer wieder im Kanton
herumgetragen wurden. Von den während der Epidemie total
2797 erkrankten Personen entfielen alleine 404 Erkrankungen auf
die Stadt Burgdorf und Oberburg. In Bern wurden 345 Kranke gezählt,
wovon drei Viertel auf die Stadt und Stadtbezirke kamen und der
Rest sich auf die umliegenden Gemeinden verteilte. Ebenfalls stark
betroffen waren die Aemter Signau (217 Fälle), Trachselwald
(185 Fälle), Biel (174 Fälle), Aarwangen (151 Fälle),
Thun (136 Fälle) und Pruntrut (111 Fälle). Hier liegen
zwar die genauen Ortsangaben der aufgetretenen Erkrankungsfälle
nicht vor, die Vermutung liegt aber nahe, dass sich diese ebenfalls
auf einzelne Ortschaften konzentrierten (vgl. Rellstab, S. 3 f.
und Siffert, S. 18 ff.).
- Die Effekte, die die Pocken in nichtimmunen Bevölkerungen
hervorriefen, geben Anlass zur Vermutung, dass es sich dabei um
eine der ansteckendsten Krankheiten handelt. Beim Pocken-Vernichtungs-Programm
der WHO wurde der Versuch gemacht, diesen Ansteckungsgrad quantitativ
auszudrücken als Proportion der anfälligen gefährdeten
Individuen zu einem Index, der Ausdruck der Fälle innerhalb
eines Haushaltes mit infizierten Fällen innerhalb des erwarteten
Uebertragungsintervalles der Krankheit war. Für die Pocken
wurde in den Jahren 1969 bis 1975 in den Ländern Nigeria,
Brasilien, Pakistan, Indien und Bangladesch eine durchschnittliche
Ansteckungsrate - also Kontakte, die zur Entwicklung der Krankheit
führten - von 58,4% bei ungeimpften Familien und eine Rate
von 3,8% bei geimpften berechnet (vgl. WHO, S. 199 f.).
- ebd., S. 200.
- ebd., S. 200. Auch in den Staatsverwaltungsberichten
des Kantons Bern finden sich viele Hinweise darauf, dass nur vereinzelte
und isolierte Pockenfälle aufgetreten sind. So im Bericht
für die Jahre 1831-33: "Schon seit dem J. 1826 herrscht
in unserm Canton, so wie in der übrigen Schweiz und in Nachbarländern,
die Pockenepidemie; doch immer nur an einzelnen Orten." Für
die Jahre 1836 und 37: "Die Pockenseuche zeigte sich im Jahre
1836 in den Amtsbezirken Laupen und Ober-Simmenthal, im Jahre
1837 auch in den Amtsbezirken Bern, Biel und Aarwangen."
1838 wird folgendes berichtet: "[...] nur einzelne Fälle
zeigten sich in den Amtsbezirken Thun und Wangen." 1841:
"[...] elle ne s'est déclarée chez nous, [...]
que dans des cas isolés." 1842: "Von den Menschenblattern
blieb diese Jahr die Bevölkerung des Kantons, einzelne wenige
Fälle ausgenommen, gänzlich verschont." 1851: "Blattern.
Dieselben kamen, jedoch nur vereinzelt, in einzelnen Gemeinden
der Amtsbezirke Lauffen, Courtelary, Laupen, Wangen, Thun, Münster,
Saanen, Pruntrut, Büren, Aarwangen, Nidau, Signau vor."
1854: " [...] deren bei Menschen einige vorkamen, so die
Blattern, das Nervenfieber und der Typhus, doch nur in einzelnen
Gemeinden und ohne allgemeinen Charakter." 1856: "In
einzelnen Fällen zeigten sich die Blattern." 1858: "Auch
im Jahr 1858 kamen epidemische Krankheiten unter Menschen nur
in vereinzelten Fällen vor. So die Blattern in Schüpfen,
Fraubrunnen, Aarberg und Büren." 1859: "Auch diese
[die Blattern] zeigten sich dieses Jahr bloss in sporadischen
Fällen, oder kleinen Lokalepidemien." 1860: "Die
Blattern zeigten sich bloss in der ersten Hälfte des Jahres,
und zwar meist nur in vereinzelten Fällen." 1863: "Von
Blattern kam ein Fall im Amtsbezirk Freibergen vor." 1879:
"Ein während der letzten Tage Dezembers 1877 aus Frankreich
heimkehrender Handwerksbursche erkrankte [...] in Bern an den
Blattern. Er wurde im äussern Krankenhaus irrthümlicher
Weise untergebracht, nachdem er, obgleich bereits erkrankt, zwei
Tage in der Stadt herumgelaufen war. Von daher resultirte eine
Epidemie in der Stadt Bern und Umgebung, welche, obschon nicht
bedeutend, doch die grösste ist, die seit der Blatternepidemie
der Jahre 1871 und 1872 vorkam. Eine zweite Einschleppung, auch
aus Frankreich, geschah durch eine heimkehrende Familie Bichsel
aus Eggiwyl, welche auf dem Wege nach ihrer Heimathgemeinde in
Reconvilier erkrankte. Sie musste an Ort und Stelle verpflegt
und behandelt werden, jedoch konnte man die nöthigen Massregeln
nicht so früh ergreifen, dass nicht bereits Ansteckungen
stattgefunden hätten. Es entstand auf diese Weise eine kleine
Epidemie in Reconvilier und Umgegend." Viele weitere Beispiele
dieser Art könnten die Aufzählung noch vergrössern.
Anhand der diversen Berichte zeigte sich doch klar, dass Pockenfälle
meist aus angrenzenden Kantonen und von Frankreich her eingeschleppt
wurden.
- WHO, S. 1073 ff.
- StAB B XI 370: "[...] so scheinen sie [die
Pocken] in diesem Jahr [1826] in die nördliche und westliche
Schweiz ausbreiten zu wollen und wurden in diesem letzten Theil
vorzüglich durch reisende Handwerksburschen, und besonders
durch Wahlfahrten die von Einsiedeln herkamen, hergebracht."
Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1839: "Bloss im
Oberamt Oberhasle kamen, wahrscheinlich aus dem Wallis eingeschleppt,
in letzter Zeit Pockenfälle auf ungeimpften Kindern vor".
1840 wird folgendes berichtet: "La petite vérole cependant
s'est rarement déclarée; elle n'a sévi que
dans les districts de Frutigen, de Berne, de Bienne et de Courtelary,
où elle a été apportée des cantons
du Valais et de Neuchâtel." 1843: "Im Frühjahr
1843 erschienen plötzlich in der Gemeinde Siselen, Amts Erlach,
die ächten Blattern, durch einen französischen Vagabunden,
der damit behaftet war, eingeschleppt." 1849: "So die
Menschenblattern in einzelnen Gemeinden der Amtsbezirke Delsberg,
Münster und Aarwangen, von wo aus einzelne Fälle in
andere Amtsbezirke verschleppt wurden." 1864: "In Seeberg
steckte ein erkrankter Soldat mehrere Personen an." 1866:
"Im Februar wurde daselbst ein Fall aus dem Kanton Solothurn
eingeschleppt, welcher zu Differenzen mit der Gemeindsbehörde
führte. Im Januar und Februar brach infolge Einschleppung
aus dem Aargau zu Grellingen und Zwingen eine kleine Blatternepidemie
von 8 Fällen, worunter 1 Todesfall." 1867: "Von
Blattern kamen nur 2 Fälle vor. Der erste betraf einen herumziehenden
Metzgerburschen aus dem Kanton Zürich, welcher wahrscheinlich
im Kanton Freiburg angesteckt, am 22. März mit ausgebrochenen
Blattern vom Simmenthal her in Bern anlangte und hier von der
Stadtpolizei in Abwesenheit des Inspektors, entgegen den ausdrücklichen
Vorschriften der Verordnung vom 5. Dezember 1864, in einem Eisenbahnwaggon
3. Klasse nach Zürich abgeschoben wurde. [...] Am 29. März
brachen die Blattern in Thun bei einem frisch aus Endingen zugereisten
Spenglergesellen aus." 1868: "Im Sommer wurde aus dem
Waadtoberland in die Gemeinde Gsteig ein Blatternfall eingeschleppt
und veranlasste dort 4 weitere Fälle, worunter 1 Todesfall
bei einem ungeimpften Kind." 1869: "Wiederholte Einschleppung
der Blattern fand aus dem Kanton Neuenburg statt, wo man der Krankheit
nicht die nöthige Aufmerksamkeit zu schenken scheint."
1870: "Die Blattern beschäftigten die Sanitätspolizei
dieses Jahr mehr als die vorhergehenden seit 1865. Sie wurden
eingeschleppt zum Theil aus dem Kanton Neuenburg, Waadt und Luzern,
hauptsächlich aber aus Frankreich und aus dem Kanton Freiburg."
1872: "Die Epidemie der zwei letzten Jahre setzte sich, durch
fortwährende neue Einschleppungen von auswärts genährt,
fort [...]." Auch Rellstab (S. 3) erwähnt, "bei
strammerer Ordnung hätten massenhafte Verschleppungen verhütet
werden können." 1873: "Blos 2 Einschleppungen sind
vorgekommen. Im Februar erkrankte ein frisch zugereister tessinischer
Bahnarbeiter in Friedliswart [...] Die zweite Einschleppung erfolgte
wiederum durch Lumpen der Kunstwollefabrik von Hubler und Schafroth
in Burgdorf und hatte 3 Ansteckungen zur Folge." 1877: "Während
des Herbstes 1876 sind die Blattern aus Besançon durch
einen heimkehrenden Handwerksburschen nach Bern eingeschleppt
worden." 1878: "Ein einziger Blatternfall ist während
des Jahres 1878 im Kanton Bern vorgekommen; derselbe hat aber
schwere Folgen gehabt."
- vgl. Flügel, S. 7, und Staatsverwaltungsbericht
für das Jahr 1844: "Infolge der sanitätspolizeilichen
Verordnung, dass die reisenden Handwerker zur Erhaltung von Wanderbüchern
sich einer Untersuchung unterwerfen müssen, ob sie die Pocken
gehabt haben, ob sie geimpft oder mit einer ansteckenden Hautkrankheit
behaftet seien, wurden [...] zusammen 53 Impf- und Gesundheitsscheine
eingesandt." Auch in Butjadingen war die Gefahr des Einschleppens
der Blattern durch fremdes Dienstpersonal bekannt. In der Neuregelung
des Impfwesens von 1819 wurde den jeweiligen Dienstherren aufgetragen,
bei der Einstellung des Personals die Impfbescheinigung zu überprüfen.
Sollten Blattern beim Dienstpersonal ausbrechen, müssten
sämtliche Kosten für die Quarantäne vom Dienstherrn
übernommen werden. vgl. Norden, S. 84 f.
- StAB MS c I 2.
- WHO, S. 224.
- Auf Island wird die erste einschneidende Pockenepidemie
1241 registriert, die etwa 20'000 der 70'000 Einwohner getötet
haben soll. Weitere massive Epidemien werden für die Jahre
1257 und 1291 erwähnt (vgl. Hopkins, S. 28 und WHO, S. 229).
Weiter werden Epidemien in den Jahren 1310/11, 1347/48, 1379/80,
1430/32, 1462/63, 1472, 1511, 1655, 1658 und 1670/72 registriert
(Bohn, S. 6 ff.). Ebenfalls 1707 haben sie, eingeschleppt von
Dänemark, einen Drittel der Bevölkerung umgebracht (Imhof
[1977a], S. 39).
- "Man trifft nur wenige, über 30 Jahre
alte Menschen, welche noch nicht an ihnen [den Pocken] gelitten
haben." (Hildebrandt 1788, zitiert in: Bohn, S. 17 f.), "Die
Blattern sind eine Pest eigener Art, und haben eine Wirksamkeit,
die alle Vorkehrungen vereitelt, sie befallen bald oder spät
alle Menschen, und gegen ihre Gewalt schützt keine Vorsicht,
kein Klima, weder Alter, Geschlecht noch Temperament." (Theobius
1651, zitiert in: Bohn, S. 17 f.)
- Klebs, S. 7.
- Bohn, S. 66.
- Gins [1963], S. 12.
- Klebs, S. 7 f.
- Bohn, S. 59.
- Senn-Schnyder, S. 11 ff.
- ebd., S. 14 f.
- Smith, S. 40 ff.
- zitiert nach Dimsdale (ohne Quellenangabe) in:
Hindemann Hans, Geschichte der Pockenprophylaxe im Kanton Zürich,
S. 14, in: Zürcher medizingeschichtliche Abhandlungen, 4.
Band, Zürich 1925.
- Hufeland, Die Blattern zu Weimar 1788, Leipzig
1789, S. 2, zitiert in: Lotz, S. 23.
- Dies konnte nach Ansicht des Collegy Insulari
in Bern aber nur in Staaten geschehen, die "wol policiert"
seien, also über eine Aufsicht verfügten, welche die
angeordneten Massnahmen überwachen und gegebenenfalls auch
durchsetzen konnte (StAB B XI 160).
In Frankreich war diese Schutzmethode von 1763 bis 1774 untersagt,
danach wurde sie auf Geheiss des Königs Louis XVI nach dessen
Inokulation wieder gestattet (Hopkins, S. 62 und 70). Die meisten
der Verbote erfolgten jedoch erst im frühen 19. Jahrhundert,
nach der Entdeckung der Jennerschen Impfmethode. Untersagt wurde
die Variolation 1805 in Russland, 1835 in Preussen, 1840 in England
und 1870 in British India (WHO, S. 247). In Oesterreich durfte
nur an Orten inokuliert werden, wo bereits die Pocken ausgebrochen
waren (Bohn, S. 90).
- Smith, S. 36 f.
- Klebs, S. 16.
- Diese Fäden wurden bspw. von August Tissot
in einem Buch aufbewahrt (ebd., S. 66).
- Bohn, S. 71 ff.
- Houlton Robert, Indisputable facts relative to
the Suttonian art of inoculation, 1768, S. 7, in: Smith, S. 41.
- Smith erwähnt, dass bei Kindern eine von
30 Inokulationen tödlich verlief (Smith, S. 36). Bohn berichtet
ebenfalls für Berlin von schweren Komplikationen bei einer
von 30 Inokulationen (Bohn, S. 89).
- Smith, S. 42.
- Bohn, S. 72.
- Scherb Jakob Christoph, Ueber die Einpfropfung
der Pocken, 1779, zitiert in: Hindemann, S. 21.
- So mussten im Jahr 1744 für die Inokulation
an zwei Personen 20 Guineas [1 Guinea=21 Schilling] bezahlt werden
(Smith, S. 37). Portmann (S. 294) erwähnt, dass namentlich
bei Vertretern der gebildeteren Gesellschaftsschicht die neue
Methode raschen Eingang fand und führt dies auf die aufgeschlossenere
Geisteshaltung im Zeitalter der Aufklärung zurück. Der
finanzielle Aspekt scheint im Hinblick auf die Verbreitung jedoch
von weitaus grösserer Bedeutung zu sein als die aufgeklärte
Geisteshaltung einer bestimmten sozialen Schicht.
- Hindemann, S. 21 f.
- ebd., S. 23 f. In England wurde bis in die 1760er
Jahre die Verbreitung der Inokulation ebenfalls von Privatpersonen
und nicht von Aerzten vorangetrieben. Die professionellen Aerzte
und Inokulatoren warnten und beklagten sich aber immer mehr über
die von den Laien angewandten Methoden und deren Impfstoff (vgl.
Smith, S. 43 ff).
- vgl. Portmann, S. 298 und Klebs, S. 32.
- StAB, B XI 318.
Dabei handelt es sich um einen Registerband über Erlasse,
Unterlagen, Sammlungen von Tabellen und anderem Material. Die
in diesem Band aufgeführten Bestände "sollen sich
im Papier Saal der Kanzley befinden". Erhalten blieben jedoch
nur die Hinweise, nicht aber die Schriften selbst.
- StAB B XI 160.
- StAB P.B. (Polizeibuch), A1, Nr. 470, Bd. 16
und StAB, B XI 318.
Ob die Praxis der Inokulation auch unter die am 6. September 1785
vom Sanitätsrat der Stadt und Republik Bern erlassene Verordnung
gegen die "Marktschreyer-, After- und Stümpelärzte"
fiel, ist nicht bekannt. Bestimmt wurde folgendes: "Da Wir
mit Bedauern und Unlieb wahrgenommen, dass viele fremde und einheimische
After-, Marktschreyer- und Stümpel-Aerzte, wie auch solche
Personen, welche weder die erforderliche Wissenschaft, Erfahrung
noch Beruf haben, die Arznei- und Heilkunst ausüben, sich
dem Hochoberkeitlichen Mandat vom 12. März 1765 zuwider,
vermessen, Unserer gnädigen Herren liebe und getreue Angehörige,
in ihren Krankheiten und Zufällen zu besorgen, so dass nicht
nur viele ihr Zutrauen, so sie in dergleichen Leute gesetzt, mit
dem Leben bezahlen oder einen elenden Leib davontragen müssen,
sondern auch viele Krankheiten, welche von erfahrenen Leuten in
ihrem Ursprung hätten geheilt werden können, sich ausdehnen
und die Menge des Volks dahinraffen. Weilen Uns aber nichts so
sehr an dem Herzen liegt wie das Wohlseyn Ihr Gnaden werthen Angehörigen,
und ihr Leben in Unsern Augen theur und kostbar ist, so haben
Wir aus Landesväterlicher Vorsorge geordnet und ordnen hiermit:
[...] Dass niemand, es seye Manns- oder Weibspersonen, sich unterstehen
solle, in Ihrer Gnaden Landen, Kranke zu besorgen, ihnen einige
innerliche oder äusserliche Mittel zu geben oder zu verschreiben,
sie seyen denn vorerst nach Unserer Gnädigen Herrn Ordnung
vom 2. April 1733 entweder durch die medizinische Fakultät,
die chirurgische Sozietät der Hauptstadt oder die äussern
autorisierten Communen im Land, in ihrer Wissenschaft und Kunst
genau und sorgfältig geprüft worden [...]. Sollte aber
jemand, der nicht auf diese Weise die Fähigkeit dazu erlangt,
verwegen genug seyn, wider diess unser Verbott, den geringsten
Teil der Arzney- oder Heilkunst auszuüben, oder einige Arzneymittel
oder Pflaster für Menschen zu verkaufen, dafür er von
uns nicht die Erlaubnis erhalten, so soll ein solcher gleich Ihr
Gnaden Herren Amtsleuten verleidet, in Gefangenschaft gelegt und
wir dessen berichtet werden, um dergleichen unberufene Aerzte
nach der Hochoberkeitlichen Verordnung an Ehr, Leib und Gut, und
je nach Bewandtnis der Umständen, sogar mit dem Schellenwerk
bestrafen zu können." In Bezug auf die auswärtigen
Pfuscher und Quacksalber wurde folgendes erlassen: "Es gelanget
demnach an alle und jede Ihr Gnaden Herrn Amtsleute teutsch und
welscher Landen, wie auch alle Hochdere Ober- und Unterbeamte
Unser ernstlich Will und Befehl dahin: dass künftig wider
diese fremden After-, Marktschreyer- und Stümpel-Aerzte,
Drogen- und Pflasterverkäufer die genaueste Achtung und strengste
Wachsamkeit beobachtet werde. Zu welchem Ende auch jedermann schuldig
und verbunden seyn solle, solche, sobald sich einer zeigen wird,
dem gebührenden Richter anzuzeigen; selbiger dann ihn sogleich
vor sich bescheiden [...] Desgleichen sollen ihm die mit sich
führenden Arzneyen abgenommen, er selbst auf die nächsten
Gränzen des Kantons geführt, und ihm allda seine Arzneymittel
mit einem Exemplar dieser Verordnung zugestellt werden, mit der
Bedrohung, dass, falls er zum zweytenmal in Ihren Gnaden Land
sich blicken liesse, derselbe ohne Schonen mit der Schellenwerk-Strafe
würde belegt werden." (zitiert in: Müller, S. 299
f.) Die Auslegung dieser Verordnung würde folglich auch die
Inokulation durch medizinische Laien untersagen. Vermutlich war
die Inokulation für Nichtmediziner zu diesem Zeitpunkt de
jure auch verboten, aber dieses Gesetz verlor an Wirkung, da seine
Durchsetzung nicht einfach war, wie sich übrigens auch viele
weitere amtlichen Verfügungen und verwaltungspolizeiliche
Massnahmen gegen die ins Kraut schiessende Quacksalberei als erfolglos
erwiesen. Müller bezeichnet die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert
als "Blütezeit der falschen Propheten auf allen Gebieten,
die Zeit der Sektengründer, der Erwecker, der Marktschreier
und der Kurpfuscher" (ebd., S. 9). Der Kampf gegen Kurpfuscher
und Quacksalber zog sich noch bis in die zweite Hälfte des
19. Jahrhunderts hinein und auch Jeremias Gotthelf wurde als Aufklärer
gegen diese medizinischen Praktiken vom Sanitätsrat in den
1840er Jahren in seine Dienste genommen.
- StAB B XI 160.
- StAB B XI 160.
- StAB B XI 160.
- StAB B XI 160.
- Beispielsweise wurden die "Feuergschauer"
beim Ausbruch der Ruhr 1778 angewiesen, in ihren Quartieren alle
zwei Tage den "Kehr" zu machen und die Sauberkeit der
Kranken zu überprüfen. Sie mussten auch entscheiden,
wo Absonderung und Ueberführung ins Notspital notwendig war
und den Geistlichen mitteilen, wer unentgeltlicher Unterstützung
und Behandlung bedurfte. Weiter hatten sie alle vier Tage Tabellen
über die Zahl der Erkrankten, Genesenen und Verstorbenen
zu erstellen (Reust, S. 84 f.).
- StAB B XI 318. Weiter findet sich schon fünf
Jahre zuvor eine ähnliche Eintragung: "21. Xber [Dezember]
1782. Kinderblattern: Kinder die dieselben überstanden, dennoch
aber davon nicht vollkommen gereiniget sind, sollen bey Haus behalten
werden."
- Samuel-Auguste-André-David Tissot lebte
von 1728 bis 1797. Als vierzehnjähriger erkrankte er an den
Pocken. 1741 trat Tissot als "studiosus humaniorum litterarumque"
in die Genfer Akademie ein. 1745 reiste er nach Montpellier, wo
er 1746 beim Ausbruch einer schweren Pockenepidemie zu Dienstleistungen
herangezogen wurde. 1749 kehrte er in die Heimat nach Lausanne
zurück, wo er seine Erfahrungen über die Behandlung
der Pocken in mehreren Fällen anwenden konnte. 1751 wurde
er zu einem der Armenärzte der Stadt Lausanne gewählt
(Hintzsche Erich, Albrecht von Hallers Briefe an August Tissot,
Bern 1977, S. 18 f.).
- Klebs, S. 33.
- Es finden sich einige Beschwerden über die
Vernachlässigung kranker Kinder. Bei der Ruhrepidemie von
1750 antwortet der Sanitätsrat auf eine diesbezügliche
Klage der Pfarrer von Stettlen und Bolligen: "Fahls eint
und andere Eltern aus gottlosem geiz getrieben, ihre kranken Kinder
nit mit denen vorgeschriebenen wohlfeilen Arzneymitteln, und sonst
mit raht und that besorgen würden, so dass sie deswegen verschmachten
müessten, so würden sie zur Verantwortung gezogen."
Der Stadtarzt von Greyerz, der 1778 bei einer Keuchhustenepidemie
in Wattenwyl und Gerzensee wirkte, schreibt an den Sanitätsrat,
dass mehrere erkrankte Kinder hätten gerettet werden können,
wenn sie die "nötige hilf" erhalten hätten.
Die Eltern hätten sie aber nicht "begehret" (Reust,
S. 87).
Imhof spricht davon, dass je später in der Geburtenfolge
der überlebenden Geschwister ein Säugling zur Welt kam,
desto geringer waren seine Ueberlebenschancen, da diese Neugeborenen
offensichtlich einer bewussten Vernachlässigung ausgesetzt
waren. Um 1800 schrieb ein bayerischer Zeitgenosse: "Der
Bauer freut sich, wenn sein Weib ihm das erste Pfand der Liebe
bringt, er freut sich auch noch beim zweiten und dritten, aber
nicht auch so beim vierten. Da treten schon Sorgen an die Stelle
der Freude. Er bedauert es, ein Vater vieler Kinder zu seyn, er
hat für so viele keine gute Aussicht mehr, sein Vermögen
ist zu klein. Er sieht alle nachkommenden Kinder für feindliche
Geschöpfe an, die ihm und seiner vorhandenen Familie das
Brod vor dem Mund wegnehmen. Sogar das zärtlichste Mutterherz
wird schon für das fünfte Kind gleichgültig, und
dem sechsten wünscht sie schon laut den Tod, dass das Kind
(wie man sich hier ausdrückt) himmeln [= das irdische Jammertal
verlassen und in den Himmel eingehen] sollte." Indizien also,
die für eine mehr oder weniger direkte Nachhilfe beim Tod
des Kindes durch die Eltern sprechen.
Dieses Sterben im Säuglingsalter war wesentlicher Bestandteil
einer von Gemeinschaftsseite akzeptierten "nachträglichen
Familienplanung". Diesem Tod haftete somit nichts "Fürchterliches"
an und er vollzog sich vielmehr hundertfach im stillen Einverständnis
mit den Eltern (Imhof [1981], S. 43 f.).
- StAB, B XI 104, den 15. Herbstmonat 1804.
- StAB, MS c I 2.
- Hindemann, S. 21.
- zitiert in: Gins [1963], S. 14 f.
- Wobei zu erwähnen ist, dass sich auch Geistliche
für den aktiven Schutz vor den Pocken einsetzten (vgl. WHO,
S. 267 und Smith, S. 36). Der schon erwähnte Dr. Scherz von
Bischofszell wollte sogar die Vorurteile durch die Lehrer der
Religion bekämpfen lassen und sah es als Pflicht eines Religionsvertreters
an, sich ebenso um das leibliche wie auch das geistliche Wohl
seiner Glaubenskinder zu sorgen. Er war der Ueberzeugung, dass
durch die Annahme dieser Sache seitens der Vertreter der Religion
selbst die verstocktesten Gegner sich nicht mehr getrauen würden,
öffentlich gegen die Impfung zu polemisieren (Hindemann,
S. 22 f.).
- zitiert in: Völker Ariane, Einige Markierungspunkte
aus der Geschichte der Pockenschutzimpfung, in: Zeitschrift für
gesamte innere Medizin, Jg. 45 (1990), Heft 13, S. 395.
- zitiert in: ebd., S. 392.
- Dieser Vorwurf begleitete die ersten englischen
Inokulationen (Bohn, S. 68.).
- StAB, MS c I 2.
- Völker, S. 392.
- Kant schreibt 1797 in der "Tugendlehre":
"Wer sich die Pocken einimpfen zu lassen beschliesst, wagt
sein Leben aufs Ungewisse, ob er es zwar thut, um sein Leben zu
erhalten, und insofern in einem weit bedenklicheren Falle des
Pflichtgesetzes, als der Seefahrer, welcher doch wenigstens den
Sturm nicht macht, dem er sich anvertraut, statt dessen jener
Krankheit, die ihn in Todesgefahr bringt, sich selbst zuzieht.
Ist also die Pockeninoculation erlaubt?" Zu einem späteren
Zeitpunkt schien er geneigt, dem Einzelnen die Entscheidung nach
wie vor zu verweigern und lediglich dem Staat das Recht zur Einführung
der Inokulation zuzugestehen (vgl. Bohn, S. 89 f., Völker,
S. 392 und Kisskalt Karl, Die Sterblichkeit im 18. Jahrhundert,
in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 1921,
S. 488). Auch gegen die Jennersche Schutzimpfung mit tierischer
Materie hat Kant später eine ablehnende Haltung. Er sieht
darin einen Rückfall in die Tierheit, befürchtete eine
erhöhte Empfänglichkeit für Tierkrankheiten und
bezweifelte grundsätzlich deren Schutzwirkung (Kisskalt,
S. 489).
- Bohn, S. 89 ff.
- ebd., S. 90.
- Smith, S. 59 f.
- ebd., S. 67.
- Zu nennen sind die folgenden drei Innovationselemente:
- neue Kulturpflanzen (Kartoffel und Ackerfutterpflanzen wie Klee
und Luzerne)
- eine neue Form der Viehhaltung (Stallfütterung im Sommer)
- Veränderung des Landnutzungsmusters durch Einbezug der
Brache und der Allmende in die Fruchtfolge.
(vgl. Pfister Christian [1988], Klimageschichte der Schweiz 1525-1860,
Bern 1988, Bd. 2, S. 105 ff.)
- Wrigley E. A., The growth of population in eigteenth-century
England: a conundrum resolved, in: Past and present, Nr. 98, Feb.
1983, S. 121 ff.
- Turpeinen, S. 139.
- Razzell [1977a], S. 158.
- Für diese Aussage standen die Quellenaufnahmen
der Todesursachen des gesamten Kanton Bern zur Verfügung,
welche im Rahmen des Projektes BERNHIST erhoben wurden.
- In Kappelen werden lediglich "Kindsblattern"
erwähnt. In Ins starben viele, vor allem Kinder, an den Pocken.
In Siselen starben von 47 Personen 36 Kinder unter acht Jahren,
diese können in Anbetracht der nahen Epidemie bei Ins ebenfalls
zu den Pockentoten gerechnet werden. In Gsteig waren von 121 Toten
85 Kinder mit Blattern. In Ringgenberg haben die Blattern geherrscht
und in Oberwil waren von 33 Toten 22 Kinder an den Blattern gestorben.
- 1771: Muri: Kindsblattern; Seeberg: von 56 Toten
starben 48 Kinder unter 16 Jahren; 1772: Vinelz: viele starben
an "convuls" und "variol"; 1777: Meiringen:
Säuglinge, Kleinkinder; Steffisburg: von 97 Toten 20 Kinder
an Pocken; 1778: Ursenbach: 9 Kindsblattern; Tavanne: la petite
vérole (1777/78); 1781: Roggwil: 16 Kinder an Pocken; Meiringen:
Kinder; 1782: Bargen: Blattern; Büren: Kinderpocken; 1783:
Tramelan: ca. 80% der Toten sind Kinder unter 10 Jahren; Steffisburg:
14 Pockenfälle; 1784: Vinelz: viele starben an "convuls"
und "variol"; 1787: Roggwil: Kinder mit Pocken ab August;
Stettlen: 10 Kinder gestorben; 1788: Bolligen: Blattern; Büren:
Kinderpocken; Ins: von 74 sind 30 an Pocken gestorben; Meiringen:
von 96 Toten 62 Kinder an Blattern; Signau: von 29 Toten 11 an
Kindsblattern; 1789: Tramelan: ca. 70% der Toten sind Kinder unter
10 Jahren; Gsteig: Pocken; Ringgenberg: Pocken; 1792: Utzenstorf:
1 Pockenfall; 1793: Rapperswil: Kinderblattern; Muri: 15 Kinder;
Utzenstorf: 11 Pockenfälle; Guttannen: von 12 Toten 10 Kinder
an Pocken; 1794: Kallnach: Kinderblattern; Lützelflueh: von
63 Toten 26 Kinder; 1797: Meiringen: Blattern; 1798: Bolligen:
14 Blattern; Utzenstorf: 3 Pockenfälle; Aeschi: "an
Kindsblattern 42 Kinder und 1 Tochter"; Reichenbach: 27 Blattern;
Brienz: viele Kleinkinder; Grindelwald: viele Kinder im Sommer;
Lauterbrunnen: Kinderblattern; Ringgenberg: Kinder und Kleinkinder;
Meiringen: von 143 Toten 103 Kinder an Blattern; Signau: viele
Kinder an Kindsblattern im November und Dezember; Blumenstein:
äusserst viele Kinder gestorben; Schwarzenegg: Pocken; 1799:
Aarwangen: 44 Kinder gestorben; Bolligen: 27 Blattern; Bümpliz:
Kinderblattern; Vechigen: Pocken; Oberburg: 36 Pockenfälle;
Limpach: von 16 Toten 11 Pocken; Utzenstorf: 11 Pockenfälle;
Beatenberg: von 35 Toten sind 21 unter 7 Jahren und 7 Säuglinge;
Unterseen: Kleinkinder, Säuglinge; Signau: von 153 Toten
90 an Kindsblattern von Januar bis April; Reutigen: Kindsblattern;
Schwarzenegg: Pocken; Steffisburg: von 167 Toten sind 67 Kinder
an Blattern; Wangen: Blattern; 1802: Bargen: 17 von 19 Toten sind
Kinder an den Blattern; Kallnach: Kinderblattern ab November;
Wohlen: Blattern; 1803: Kallnach: Kinderblattern bis Mai; Lengnau:
Kinderblattern; Lauenen: von 150 Toten 60 Kinder an Kinderblattern;
1804: Vechigen: Pocken; Lauterbrunnen: Kinderblattern; Leissigen:
viele Kinder; Gadmen und Guttannen: Blattern; Meiringen: von 207
Toten 149 Kinder an den Blattern vom Mai bis Juli; Signau: von
62 Toten 12 an den Kindsblattern; Därstetten: "die meisten
Kinder starben an den natürlichen Blattern"; Eriswil:
Blattern; 1805: Bolligen: Fieber, Blattern; Frutigen: "davon
79 an Blattern"; Reichenbach: Pocken; Schwarzenegg: Pocken.
- So können die Pocken bspw. im Jahr 1804
unmöglich nur in den in den Rödeln aufgeführten
acht Kirchgemeinden vorgekommen sein, da die Epidemie dieses Jahres
zugleich auch der Auslöser war für die Regelung des
Impfwesens durch den Staat: "Den 27st Juny 1804. An alle
Herren Oberamtsleute mit Ausnahm Bern. Die in mehrern Gegenden
unsers Cantons besonders aber im Oberland dieses Frühjahr
hindurch geherrschte theils noch herrschende Poken Epidemie hat
bey uns den Wunsch erregt, über diesen Gegenstand nähere
und bestimmtere Berichte einzuziehen, um ein Resultat daraus zu
ziehen, und daselbe bey der allgemeinen Einführung der Schutzblattern
Impfung benutzen zu können." (StAB B XI 104) Dass die
eingeforderten Berichte häufig sehr spät oder überhaupt
nicht eingereicht wurden, wird immer wieder beklagt. Die Amtsleute
werden zwar um rasche Erledigung gebeten: "Die Beanthwortung
dieser Fragen, die Sie am füglichsten und am besten durch
die Herren Pfarrherren erhalten könnten, belieben Sie so
viel möglich zu befördern." (StAB B XI 104) Aber
immer wieder beklagen sich die jeweils amtierenden Oberimpf-Aerzte
über das mangelnde Erstellen und Einsenden der Listen. Aus
diesem Grund konnte auch der erste Impfbericht für die Jahre
1804 und 1805 nicht erstellt werden, da lediglich 38 Berichte
(von 48) eingereicht wurden und diese zudem in vielen Fällen
sehr mangelhaft geführt worden waren (StAB B XI 370).
- "The second half of the 18th century saw
smallpox at ist most destructive stage in Europe." (WHO,
S. 258)
- StAB, Mandatenbücher IV.58, 1785: "Von
diesem Bogen wird ein jeweiliger Herr Secretarius des Hohen Gesundheitsrathes,
etwelche Stück jedem Herrn Pfarrer zuschicken, in dessen
Kirchspiel ein Faulfieber herrscht.- Nach Hohem Befehl soll Dieser
alsdann nach jedem Gottesdienst, diese Räthe in der Kirche
vorlesen, und den Vorgesetzten seiner Gemeinde die übrigen
Exemplare austheilen, damit sie, nach Ihrer Pflicht, den Innhalt
so viel möglich bekannt machen und empfehlen."
- Diese Ratgeber sind als besonderer Gegenstand
der Wissenschaft in das System der "medicinischen Policey"
(vgl. Kap. 2.2.3.) gebracht worden. Dieses System ist zu verstehen
als die Summe der Massnahmen zur Verhinderung von Verlusten an
Nutztieren und Menschen, die bei der angestrebten höheren
Bevölkerungs- und Viehdichte unweigerlich zu erwarten waren
(vgl. Pfister [1989], S. 349 ff.).
- Fenner F., Smallpox and its eradication, Genf
1988; Smith J. R., The speckled monster, smallpox in England 1670
- 1970, Chelmsford 1987; Hopkins Donald, Princes and peasants
- smallpox in history, Chicago 1983; Razzell Peter [1977b], Edward
Jenners cowpox vaccine: the history of a medical myth, Sussex
1977.
- Wobei in der preussischen Armee die Erstimpfung
für die Mannschaft schon im Jahr 1826 obligatorisch erklärt
wurde (vgl. Beiträge zur Beurtheilung des Nutzens der Schutzpockenimpfung,
hrsg. vom kaiserlichen Gesundheitsamt, Berlin 1888, S. 116).
- WHO, S. 271 f.
- zitiert in: Gins [1963], S. 31 f.
- So zieht Dr. Fueter von Bern 1830 folgende Schlüsse:
"1) Die Vaccine schützt bei Pokenepidemieen nicht unbedingt
sicher vor Anstekung; [...]
3) es werden auch Vaccinierte ausnahmsweise von den Blattern im
ausgebildetsten Grade befallen; [...]
7) die allgemeine Vaccination schützt nicht unbedingt vor
dem Aufkommen von Blatternepidemieen;
8) die Krankheit scheint jedoch an denjenigen Orten, wo die Mehrzahl
der Einwohner geimpft ist, langsamer und schwerer Wurzeln zu fassen
und viel leichter in ihrem Entstehen unterdrükt werden zu
können; [...]
10) es ist nur wahrscheinlich, aber nicht gewiss, dass mit der
Entfernung vom Zeitpuncte der Impfung die Empfänglichkeit
für das Pokencontagium zunehme;
11) eine zweite Impfung in einem entfernteren Zeitraume, scheint
häufiger erfolgreich gewesen zu sein, als eine in einem kürzern
Zeitabschnitte nach der ersten vorgenommene;
12) eine wiederholte Vaccination scheint daher die Schutzkraft
derselben zu erhöhen;" (in: Schweizerische Zeitschrift
für Natur- und Heilkunde, Bd. V, Jg. 1838, S. 104 ff.)
- Bei der Einführung der Revaccination gehörten
deutsche Staaten zu den Ersten. Sie wurde erstmalig in Württemberg
1829 eingeführt und ab 1833 folgten diesem Beispiel andere
deutsche Staaten (vgl. WHO, S. 272). 1834 wurde die Revaccination
in der preussischen Armee ebenfalls verordnet: "Diejenigen
Rekruten, bei welchen unverkennbare Narben der schon überstandenen
Menschenpocken nicht vorhanden sind, und welche, obschon früher
geimpft, durch Impf-Atteste nicht darthun können, dass sie
bereits vor ihrer Einstellung, jedoch nicht länger als 2
Jahre vor derselben, mit Erfolg revakzinirt worden sind, sollen
in den ersten 6 Monaten ihrer Einstellung [...] revakzinirt werden."
(vgl. Beiträge zur Beurtheilung des Nutzens der Schutzpockenimpfung,
S. 119)
- WHO, S. 265.
- In der "Instruktion für die patentirten
Aerzte und Wundärzte des Cantons Bern" wurde auf die
körperliche Konstitution der Impfstoffspender hingewiesen:
"Die Impfärzte sollen, es sey um sogleich damit fortzuimpfen,
oder dieselbe aufzubewahren, nie Impfmaterie von Subjekten nehmen,
die mit ungesunder Leibesbeschaffenheit, vorzüglich mit Hautausschlägen
behaftet sind." (StAB MS c I 2)
- So schreibt der preussische "Staatrath und
Direktor der wissenschaftlichen Medizinal-Deputation" an
den Leiter des Königl. Impfinstitutes, Dr. Bremer, im Dezember
1812: "Es wird gegenwärtig von manchen hiesigen Aerzten
und Wundärzten behauptet: [...] Dass die Kuhpocken-Impfung
kein absolut unschädliches Mittel sey, sondern dass selbst
bey ganz gesunden Kindern, zumal im ersten Lebensjahre, bedeutende
und gefährliche Geschwüre, Haut-Ausschläge, Augen-Uebel,
als Folge dieser Impfung vorkommen." (zitiert in: Gins [1963],
S. 282 f.)
- "[...] hat der Kleine Rath bereits unterm
4. May diess Jahrs beschlossen, die allgemeine Einführung
der Kuh oder Schutzpoken durch Bezahlung der an den Armen geschehenden
Impfungen aufzumuntern und zu befördern." (StAB B XI
104)
- "Es gelanget demnach unser höfliches
Ersuchen an Sie, Tith., uns über folgende Fragen Bericht
zu geben.
1. In welcher Gemeinde ihres Amts haben sich die Kindsblattern
in diesem Jahr gezeigt und wo herrschen dieselben noch?
2. Wieviel Menschen sind darvon gestorben, und wieviel genesen?
3. Sind die Kranken alle Kinder gewesen, oder haben sich darunter
auch erwachsene Personen befunden?
4. Haben vaccinierte Menschen auch die natürlichen Poken
bekommen? Bejahenden Falls wieviel sind davon gestorben und wieviel
genesen?
5. Wer hat diesen Menschen die Kuhpoken oder Schutzblattern eingeimpft?"
Zur Beantwortung dieser Fragen wurde empfohlen, sich bei den Pfärrern
zu erkundigen, da diese in den Rödeln Alter und Todesursache
führen sollten (StAB B XI 104).
- "3. 7bris 1804. Zedel an M[eine] h[ochgeehrten]
H[errn] Doktor Wyss und Doktor Bitzius. Mit vollem Zutrauen überlassen
M[eine] h[ochgeehrten] H[erren] die Sanitäts Räthe Ihnen,
M[eine] h[ochgeehrten] H[erren], die Auswahl der anzustellenden
Schutzblatern Impfärzte von Ihnen aus zu treffen, und ersuchen
Sie höflichst, nunmehrs die sämtlichen Arbeiten zu allgemeiner
Einführung der Vaccine gänzlich zu beendigen, und dem
neuen Sanitäts Rathe in einer der ersten Sitzungen vorzulegen."
(StAB B XI 104)
- Wobei der Staatsverwaltungsbericht für die
Jahre 1814 bis 1830 berichtet: "Die 1798 bekannt gewordene
Jennersche Entdeckung, im Jahre 1800 in Paris und Genf durch eigene
Commissionen geprüft, wurde 1802 auch in Bern, doch ohne
Erfolg, versucht. Mehr als Erörterungen half ein in den höhern
Ständen gehabter Fall der Sache auf. Unmethodische Vaccination
durch Laien schadete von neuem der Sache, da 1803 und 1804 eine
Blatter-Epidemie eine Menge Sichergeglaubte ergriff." (Staatsverwaltungsbericht
für die Jahre 1814 bis 1830, S. 489 f.)
- StAB B XI 104.
- Die Armenimpfung wird auch als Schutz für
die nichtarme Bevölkerung verstanden: "Durch diese bedeutende
Menge von Impfungen, ist auch in diesen Gegenden die Pockenepidemie
schnell unterdrückt worden, wodurch dieselbe auch keinen
bösartigen Boden finden konnte; was besonders dennzumal geschieht,
wenn dieselbe sich in den Hütten der Armuth, wo im Allgemeinen
Unreinlichkeit und Sorglosigkeit herrscht, einnistet, und bald
auf einen bedeutenden Grad von Bösartigkeit steigen kann,
der durch seine miasmatische Ausbreitung dann auch für eine
grosse Gegend gefährliche Folgen nach sich ziehen könnte;"
(Flügel, S. 7)
- "Ein Versuch, die wahren Kuhpocken von den
Eutern einer Kuh in der Nähe von Bern zu gewinnen, misslang
zwar, jedoch glaubte die Regierung, die gemachte Anzeige belohnen
und dadurch Aufmunterung für künftige Fälle wecken
zu sollen." (Staatsverwaltungsbericht für die Jahre
1836 und 1837, S. 34) "Bei uns kommt die spontane Entwicklung
der Kuhpocken an den Eutern der Kühe noch bisweilen vor,
allein manche Eigenthümer oder Wärter sind mit derselben
nicht bekannt, oder scheuen sich, die Sache Privatpersonen oder
Behörden mitzutheilen, obwohl für solche Anzeigen eine
Belohnung ausgesetzt ist. Auf die Anzeige im Herbste 1838, dass
bei der Wegmühle Pocken an den Eutern vorkommen, begab sich
der Herr Oberimpfarzt mit Herrn Professor Koller dorthin, fand
bei zwei Kühen noch etwas Ausschlag und Materie, impfte damit
vier Kinder, doch ohne Erfolg" (Staatsverwaltungbericht für
das Jahr 1838, S. 45 f.) Erstmals konnte 1844 ein Erfolg ausgewiesen
werden: "So gelang es auch wirklich 1844 bei einer jungen
Kuh hierseitiger Landesrace im Thalbrünnli, Gemeinde Köniz,
Stoff zu fassen, womit sogleich ein 6 Monat altes Kind mit Erfolg
geimpft wurde. Dieser Kuhpockenstoff wurde in verschiedene Oberämter
des Cantons und in mehrere benachbarte Cantone versandt, und lieferte,
so viel bekannt, ein höchst günstiges Resultat."
(Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1844, S. 64)
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1843,
S. 54.
- Obwohl in der "Instruktion für die
patentirten Aerzte und Wundärzte des Cantons Bern" von
1804 den Aerzten fünf Batzen für jede an einem Armen
verrichtete und gelungene Impfung in Aussicht gestellt wurden,
scheint der Betrag halbiert worden zu sein (Nach dem Kronensystem
ist ein Batzen gleich vier Kreuzer, d.h. 10 Kreuzer entsprechen
2,5 Batzen, vgl. Schulpraxis, Zeitschrift des Bernischen Lehrervereins,
78. Jg., Nr. 4, Bern, Dezember 1988, S. 35). Zu einem späteren
Zeitpunkt wurden dann jedoch die versprochenen fünf Batzen
ausbezahlt. Zu welchem Zeitpunkt der Tarif geändert wurde,
ist mir aber nicht bekannt. Auch durch das Impfgesetz, welches
am 1. Januar 1850 in Kraft trat, wurden immer noch fünf Batzen
zugesprochen. 1866 findet sich der erste Hinweis auf eine Aenderung
der Prämie, welche nun 70 Cts. ausmachte.
- StAB B XI 370. Die bei den Aerzten einsetzende
oder vorhandene Frustration ist auch verständlich, wenn man
sich die Umstände vergegenwärtigt, unter denen oftmals
geimpft werden musste: "Dieses beschwerliche Geschäft
erhöhet um so mehr das Verdienst dieser Impfärzte besonders
auf dem Lande, welche entweder in bedeutend entlegenen Gegenden
oder Wohnungen dieses Geschäft an Einzelnen zu verrichten
haben, oder die Kinder an bestimmte Orte zu versammeln suchen,
wo dieselben dann umgeben von einer Menge schreiender Kinder,
in niedern oft kleinen Zimmern, ausgesetzt den Einwendungen oder
Vorwürfe der Mütter, oder öftern Weigerungen den
Impfstoff von schönen Pusteln zur Impfung anderer Kinder
nehmen zu können, so dass der Arzt schon oft genöthigt
war, die wartenden Eltern und Kinder ohne Impfung zurückzusenden,
oder mit trocknem Stoff wieder anzufangen." (Flügel,
S. 6)
- "Sie führen eine genaue Controlle aller
Geimpften, mit Beyfügung alles merkwürdigen, was sich
etwa im Verlaufe der Krankheit, oder auch nach derselben, wenn
es einigen Bezug auf die Krankheit hat, zuträgt. [...] Sie
senden alljährlich im Laufe des Monats Jenner, dem ersten
Armen Impf-Arzt in Bern, zu handen des Gesundheits Rathes, die
mit obgenannten Bemerkungen versehenen Listen, aller im verflossenen
Jahr geimpften Personen ein." (StAB B XI 104)
- Flügel berichtet von der Pockenepidemie
1832 folgendes: "Nach den erhaltenen Berichten belief sich
die Zahl der vom Oktober 1831 bis Ende Jahr 1832 ergriffenen Pockenkranken
auf beinahe 1800 Personen, welche Zahl gewiss doppelt angenommen
werden kann, wegen der Saumseligkeit vieler Aerzte, die ihnen
bekannt gewordene Pockenfälle nicht mitgetheilt zu haben,
und wegen den vielen Pockenkranken, die keinem Arzt bekannt worden
sind." Auch der Staatsverwaltungsbericht für das Jahr
1838, S. 45, hat zur Klage Anlass: "Aus sechs Oberämtern
sind aber keine Tabellen eingelangt, und ausserdem werden noch
10 Impfkreisärzte bemerkt, die ihre Tabellen noch nicht eingesandt
haben; drei sind sogar seit 1833 im Rückstande; [...] Es
ist daher klar, dass die Zahl der Impfungen jährlich nur
approximativ angegeben werden kann: eine grössere Strenge
bei Einforderung dieser Tabellen wird durchaus nothwendig, wenn
nicht alle statistischen Angaben völlig illusorisch werden
sollen."
- "Bey Anlass der Einführung der Schutzpoken-Impfung
im Canton Bern, wurde der Wunsch geäussert, dass der Sanität
Rath alljährlich von den Hl. Pfarrherren die Listen der in
ihren Pfarrbezirken Geborenen und Todten besser erhalten möchte,
um daraus ungefähr die Anzahl der Impffähigen, sowie
auch denjenigen Subjekten ersehen zu können, welche allenfalls
im Laufe des Jahres an den Kindsblateren zu sterben käme.
Es wurde daher unterm 27. Dec. 1806 den Hl. Pfarrherren aufgetragen
jährlich durch ihre betrefenden Ober Aemter dem Sanität
Rath Geburts und Sterbelisten einzuschiken, in welchen lezteren
die Kirchhöre, das [unleserlich], der Pruf und Geschlechts
Name, das Alter, der verheyrathete oder ledige Name des Verstorbenen
angegeben, und zugleich angemerkt werden sollte, welche an den
Kindsblateren gestorben wären." (StAB B XIII 628)
- Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1814
bis 1830, S. 491 f.
- StAB B XI 371.
- StAB B XIII 628.
- Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1814
bis 1830, S. 492.
- "Instruktion für die patentirten Aerzte
und Wundärzte des Cantons Bern; betreffend die Impfung der
Schutzpocken im allgemeinen, und insbesondere die auf obrigkeitliche
Rechnung zu machenden Impfungen an armen Personen" (StAB
MS c I 2).
- Der Sanitätsrat erliess eine allgemeine
Aufforderung zur Impfung, welche auch von der Kanzel verlesen
wurde und "im Uebrigen sollten die Häuser und Familien,
wo sich Pokenkranke fanden, in Bann gethan, und die Hausthüren
mit der Aufschrift: "Kindsblattern" versehen werden;
der Zweck wurde jedoch nur theilweise erreicht. Da die Vaccination
im Canton Bern nicht gesezlich eingeführt ist, so wurde die
Anwendung der vorgeschriebenen Verordnungen auch äusserst
verschiedenartig ausgeführt, und hieng sowohl von den mehr
oder weniger günstigen Ansichten der Oberamtleute, als von
dem Eifer der Aerzte ab." (Schweizerische Zeitschrift für
Natur- und Heilkunde, Bd. V, Jg. 1838, S. 99)
- StAB B XI 370.
- "So lange ein grosser Theil des Publikums
die Furcht vor Mittheilung noch anderer Ansteckungsstoffe mit
dem Kuhpockenstoff, oder ähnlicher Vorurtheile nicht aufgeben
wollte; sobald auch in neuern Zeiten manche Vaccinierte dennoch
später von den Blattern befallen wurden, lag es nicht in
der Handlungsweise der obern Behörden, die persönliche
Freiheit zu beschränken. Um so angelegener liessen sich es
dieselben seyn, auf indirekten Wegen, auch selbst mit ansehnlichen
Geldopfern, die Schutzimpfung extensiv und intensiv zu fördern,
wiewohl es leicht und wohlfeil gewesen seyn dürfte, mit einem
Gesetze zum gleichen Zwecke zu gelangen." (Staatsverwaltungsbericht
für die Jahre 1814 bis 1830, S. 491)
- Zur Aufbewahrung des Impfstoffes "schicken
sich am besten 1,5 Zoll breite, gevierte Glasplatten. Will man
auf solche Impfstoff auffassen, so macht man mit der Lanzette
in die reife Pustel eines Impflings mehrere Stiche, so dass die
Impfmaterie ausschwitzt. Nun druckt man die Glasplatten unmittelbar
auf die geöfnete Pustel auf, so dass die ausrinnende Flüssigkeit
am Glase kleben bleibt, diese lässt man erst in einer mässig
warmen Athmosphäre trocken werden, und legt alsdenn immer
zwey solche Glasplatten, mit dem Impfstoff nach innen gekehrt,
auf einander, verklebt die Ränder sorgfältig mit Wachs,
oder Schweinsblase, so dass weder Luft noch Feuchtigkeit zwischen
dieselben eindringen kann, und bewahrt sie an einem kühlen
und trocknen Ort auf."
- StAB MS c I 2.
- Dr. Fischer (neugewählter Oberimpfarzt),
Bericht über Schutzpockenimpfung und Impfanstalt während
dem Jahr 1835, Bern 1837.
- Flügel, S. 9.
- StAB B XI 370.
- Wobei "Geschäft" hier nicht unbedingt
im Zusammenhang mit materieller Bereicherung zu verstehen ist,
sondern eher als ein Geschäft, welches der Menschheit eine
Wohltat erweist. Oder wie es Dr. Lehmann aus Langnau (welcher
das dortige Impfdepot leitete) in der Schweizerischen Zeitschrift
für Medizin, Chirurgie und Geburtshülfe, Jg. 1853, S.
36 ff., formulierte: "Sie [die Aerzte] sind, wie J. P. Frank
[der Verfasser der 'medicinischen Policey'] sagt, die natürlichsten
Wächter des öffentlichen Gesundheitswohles. Eine grossartige
Aufgabe, eine erhabene Pflicht! in deren getreuer Erfüllung
der ärztliche wie kein anderer Stand seit Jahrhunderten der
Menschheit die grössten Dienste geleistet und seine eigene
hohe Würde und Wichtigkeit dadurch bewiesen hat." Im
Zusammenhang mit dem Impfwesen meinte Lehmann: "Möchten
doch die Aerzte überhaupt erkennen, welches schöne Amt,
welche wichtige Pflichten ihnen in dieser Beziehung obliegen,
und sie getreulich erfüllen!"
- vgl. Staatsverwaltungsbericht für das Jahr
1840, S. 54.
- StAB B XI 370.
- WHO, S. 267.
- Der Staatsverwaltungsbericht für die Jahre
1814 bis 1830, S. 490, berichtet dazu folgendes: "Unmethodische
Vaccination durch Laien schadete von neuem der Sache, da 1803
und 1804 eine Blatter-Epidemie eine Menge Sichergeglaubte ergriff."
- Lotz, S. 104 f., beschreibt den "Impfrothlauf"
folgendermassen: "Die wichtigste und am häufigsten lebensgefährliche
Erkrankung in Folge des Impfens ist der Impfrothlauf. Rothlauf
kann sich bekanntlich von jeder kleinen Wunde aus entwickeln.
[...] In bösartigen Fällen beschränkt sich der
Rothlauf nicht auf den Arm, sondern wandert über eine grössern
Theil der Körperoberfläche weiter und kann unter hohem
Fieber, häufig unter eitrigen Entzündungen des Unterhautzellgewebes
den Tod herbeiführen, [...] z. Th. mit Ausgang in Tod unter
Convulsionen." Aus dieser Beschreibung kann vermutet werden,
dass es sich beim "Rothlauf" um Wundbrand oder Starrkrampf
handelt.
- vgl. Bohn, S. 312 ff. und Lotz, S. 108 ff.
- Völker, S. 393.
- Von der Sanitätskommission an Gotthelf,
zitiert in: Müller, S. 57.
- "Aber noch in einem musst du aushelfen,
wenn die Sache Ernst ist. Von der Medizin verstehe ich den Teufel
nichts, kann daher die Quacksalberei nicht in ihrer Anschaulichkeit
darstellen, oder, wenn ich's versuche, so riskiere ich die gröbsten
Böcke. [...] Nun habe ich dich erkoren zum Einseher des Dinges."
Gotthelf an Fueter, 10. März 1842, zitiert in: Müller,
S. 58 f.
- Gotthelf, Anne Bäbi Jowäger, Zürich
1963, S. 29 f.
- ebd., S. 32 f.
- ebd., S. 36.
- Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1831
bis 1833, S. 64.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1838,
S. 45.
- ebd., S. 46.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1842,
S. 56.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1843,
S. 53.
- Tagblatt des Grossen Rates, 1849, S. 758 ff.
- StAB MS c I 2.
- Tagblatt des Grossen Rates, 1849, S. 759.
- ebd., S. 200.
Gubler schreibt 1915 zum selben Thema: "Wenn wir also streng
logisch unsere Konsequenzen ziehen wollten, müssten wir auch
für unser Land den Impfzwang fordern; denn dadurch würden
wir demselben den denkbar höchsten Grad von Schutz gegen
die Pocken sichern. [...] Wenn wir nun trotzdem für die Schweiz
die Einführung des Impfzwanges nicht postulieren, so geschieht
es aus folgenden Gründen. Ein Impfzwangsgesetz ist seiner
Natur nach ein ausgesprochenes Polizeigesetz. Nun besteht in unserer
Bevölkerung eine, vielfach nicht ganz ungerechtfertigte Abneigung
gegen solche Gesetze, da sie die Freiheit des Einzelnen stark
einschränken und ihn von Staatswegen gewissermassen bevormunden."
(Gubler Robert, Pocken und Pockenschutzimpfung mit besonderer
Berücksichtigung der Verhältnisse in der Schweiz, Basel
1915, S. 46)
- StAB MS c I 2.
- Schweizerische Zeitschrift für Medizin,
Chirurgie und Geburtshülfe, Jg. 1853, S. 49 f.
- ebd., S. 50.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1851,
S. 59.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1852,
S. 37.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1855,
S. 21.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1856,
S. 31.
- Schweizerische Zeitschrift für Medizin,
Chirurgie und Geburtshülfe, Jg. 1853, S. 50.
Auch nach dem Verbot des Transportes von Pockenkranken vom dem
Dezember 1864 (vgl. Verordnung betreffend den Transport von Blatternkranken,
Bern 1864) geschah dies immer noch (vgl. Fussnote 169).
- So wurde bei der Epidemie der Jahre 1831/32 in
Bern ein solches Spital eingerichtet: "Da der Inselspital
nicht für ansteckende Krankheiten bestimmt und eingerichtet
ist, so musste eine besondere Anstalt zu Besorgung armer Kranker
eingerichtet werden. Auf den Vorschlag der Sanitätsbehörde
geschah dieses dadurch, dass das Haus Nro. 94 an der Matte in
Bern, das bereits als Choleraspital eingerichtet war, zu einem
Pockenspital bestimmt wurde, und zwar für Kranke aus der
Classe der Dienstboten, Handwerksgesellen und anderen Personen,
welche durch Armuth oder sonst ausser Stande waren, sich selbst
gehörig besorgen zu lassen [...] Bei der abnehmenden Epidemie
[...] beschloss die Regierung unterm 23. April keine neuen Pockenkranke
mehr in der Anstalt aufzunehmen und dieselbe allmählig eingehen
zu lassen. Der Spital wurde somit unterm 26. gleichen Monats geschlossen."
(Staatsverwaltungsbericht für die Jahre 1831 bis 1833, S.
73 f.) Unter anderem auch bei den Ausbrüchen der Pocken in
den Jahren 1843, 1864/65 und 1870 bis 1872 wurden kurzfristig
spezielle Pockenspitäler bereitgestellt.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1877,
S. 217.
- Folgende Publikationen entstammen der Feder von
Adolf Vogt:
- Die Pocken- und Impffrage im Kampfe mit der Statistik. Eine
kritisch-statistische Studie, in: Zeitschrift für Schweizerische
Statistik, 1877, S. 14 - 31. (und als Erwiderung auf diesen Artikel:
Theodor Lotz, Die Impfungen im Kampfe mit den kritisch-statistischen
Studien des Herrn Prof. A. Vogt, in: ebd., 1877, S. 118 - 124,
sowie: Burckhardt-Merian, Zusammenstellung der Voten der sämmtlichen
Legitimen Schweizer Aerzte, die Impfung betreffend, in: Correspondenzblatt
für Schweizer Aerzte, Jg. VII, 1877, Nr. 3 und 4.)
- Ein Postskriptum zu meinem Aufsatze 'Die Pocken- und Impffrage
im Kampfe mit der Statistik', in: ebd., 1877, S. 173 - 179. (dazu
wieder: Theodor Lotz, Etwas mehr Licht über die Impffrage
und deren Behandlung durch Herrn Prof. A. Vogt in Bern, in: ebd.,
1877, S. 201 - 214, und: Rudolf Escher, Beitrag zur Kenntnis der
Vogtschen Impfstatistik, in: ebd., S. 214 - 216, sowie: Lotz Th.
und Zehnder C., Schutzpockenimpfung und Tendenzstatistik, Zürich
1878)
- Für und wider die Kuhpockenimpfung und den Impfzwang etc.
Den schweizerischen Bundesbehörden gewidmet. Bern 1879.
- Pockenseuche und Impfverhältnisse in der Schweiz, Bern
1888.
Sowie als weiteren Gegner des Impfzwanges: Füri Johann, Offene
Fragen an die Tit. Direktion des Innern in Betreff der Blattern-
und Impfstatistik des Kantons Bern, Bern 1884.
Die Diskussion wurde in den 1870er und 1880er Jahren nicht nur
auf schweizerischer, sondern auf gesamteuropäischer Ebene
geführt, vgl. dazu Bohn, S. 285 ff.
- Der Impfgegner [später "Impfzwanggegner"],
Organ der Impfgegner Deutschlands, Oesterreichs, der Schweiz und
Hollands. Erstmals erschien diese Zeitschrift 1876. Leider sind
die Nummern dieses Blattes in der schweizerischen Landesbibliothek
verschollen und als verloren anzusehen. Eine einzige Nummer aus
dem Jahr 1883 wird im Staatsarchiv des Kantons Bern aufbewahrt
(StAB MS c I 4). Wenn diese repräsentativ für alle anderen
Ausgaben ist, wurde vor allem mit statistischem Material jongliert,
die Schädlichkeit der Impfung gebetsmühlenartig wiederholt,
der Eingriff in die persönliche Freiheit des Individuums
beklagt, Fälle von durch Impfungen aufgetretenen Schädigungen
behandelt etc.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1880,
S. 249.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1882,
S. 174.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1885,
S. 256.
- Beilagen zum Tagblatt des Grossen Rathes, Nr.
19, 1894, S. 239 f.
- Tagblatt des Grossen Rates, 1895, S. 25.
- StAB B XI 370 und 371.
- Dieses Plazieren eines Sternes geschah bei der
Aufnahme der Daten durch Zuweisung eines simplen Codes bei der
Variable EPIJAHR: 1 bedeutet ein Epidemiejahr, 0 keines. Mit ANNOTATE
unter GPLOT des Softwarepaketes SAS (Statistical Analysis System)
war es danach möglich, die Grafiken serienmässig zusätzlich
mit verschiedenen Symbolen zu versehen.
- Zahlen aus: Datenedition BERNHIST.
- Das Erscheinen des Symbols für die nicht
komplette Einreichung der Impfstatistiken wurde mit der Variable
IMPFSTAT gesteuert. 1 steht für fehlende Tabellen, bei 0
wurden keine Klagen über ausstehende Listen artikuliert.
- Zahlen aus: ebd.
- Der damalige Oberimpfarzt Schiferli erwähnt
in seinem Bericht: "Jzt kannten die Impfärzte den Fortgang
der Anstalt noch nicht, sie wussten nicht was etwa für Vortheile
ihnen zufallen möchten, einerseits, und anderseits erforderte
es doch ihr Ehrgefühl sich zum erstenmale durch eine angefüllte
Impftabelle bey Eure Wohlgeboren zu empfehlen." (StAB B XI
370)
- StAB B XI 370.
- "[...] dass von 22. Oberämtern des
alten Cantons nur 8 von den wahren Poken frey blieben." (StAB
B XI 370)
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1855,
S. 19.
- 1864 wurden 163 Kranke und 15 Tote gezählt,
1865 366 Kranke und 30 Todesfälle.
- Vermisst wurden 1873 die Impfbücher der
Kirchgemeinden Sombeval, Tramlingen, Genevez, La Joux, Sornetan,
Dachsfelden, Unterseen und Seeberg. 1874 wurden von total 21 Kirchgemeinden
keine Bücher eingesandt (3 Kirchgemeinden des Amtes Freibergen,
3 von Interlaken, 2 von Nidau und 13 von Pruntrut). (Staatsverwaltungsbericht
für das Jahr 1873, S. 302, und 1874, S. 438)
- Diese zwei ersten Faktoren bestimmten im wesentlichen
auch den Grad der Ablehnung oder Zustimmung der Impfung in der
Bevölkerung.
- Beispielsweise Hirsch August, Handbuch der historisch-geographischen
Pathologie, Erlangen 1860, S. 214 ff., Bohn, S. 3 ff., Wernher
Adolf, Das erste Auftreten und die Verbreitung der Blattern in
Europa bis zur Einführung der Vaccination, Giessen 1882,
S. 12 ff., Gins Heinrich [1917], Der Pockenschutz des deutschen
Volkes, Berlin 1917, S. 2 ff. etc.
- Wernher, S. 15 ff.
- Hopkins, S. 100 f.
- Carmichael, S. 157.
- "[...] sure instances of killing smallpox
epidemics are very difficult to find. One cannot but wonder why
a disease so lethal in the eigteenth century caused neither demographically
appreciable losses nor much concern to those living before the
sixteenth century." (Carmichael, S. 154)
- Hopkins, S. 27 ff.
Bei Imhof, welcher sich mit der demographischen Entwicklung Islands
seit dem 9. Jahrhundert auseinandersetzte, finden sich jedoch
keinerlei Hinweise auf diese Ausbrüche im 13. Jahrhundert
( vgl. Imhof [1977a] und ders. [1977b]).
- WHO, S. 229 ff.
- Für Island stützt sich Hopkins auf
Edwardes E., A century of vaccination: Small-pox epidemics and
Small-pox mortality before and since vaccination came into use,
London 1902 sowie ders., A concise history of Small-pox and vaccination
in Europe, London 1902. Vermutlich beruft sich Edwardes auf Wendt,
Beiträge zur Geschichte der Menschenpocken im dänischen
Staate, Kopenhagen 1825. Im Falle Englands benutzt Hopkins einen
Beitrag von Paschen, Die Pocken, Berlin 1924. Und für Frankreich
baut er seine Aussage auf Rolleston J., The smallpox pandemic
of 1870-1874, London 1933, auf.
- Carmichael, S. 155.
- "There was the most dreadful outbreak of
smallpox this year that anyone could remember, from the middle
of August till after St. Andrew's day, especially affecting young
children; more than six thousand people in Paris suffered from
it during this period. Many of them died of it and many died after
they had recovered from this accursed smallpox. A lot of grown
men and women of all ages fell ill of it, in Paris especially."
(A parisian journal, ed. and trans. Shirely Janet, Oxford 1968,
S. 359, zitiert in: Carmichael, S. 155) Shirley nimmt im Gegensatz
zu Carmichael für Paris eine Bevölkerung von 70 - 80'000
Menschen im frühen 15. Jahrhundert an. Die Verwirrung wird
noch grösser, wenn man Hopkins (S. 30) mit einbezieht. In
Uebereinstimmung mit Bonner (The complete work of François
Villon, New York 1964) geht er vom Folgenden aus: "[...]
an epidemic of smallpox that struck Paris around 1438 killed 'some
fifty thousand people, mostly children'". Weiter erwähnt
er, dass ein Jahrhundert zuvor sich die Bevölkerung von Paris
ungefähr auf 200'000 Personen belief ("[...] since a
century before, Paris's population was only about two hundred
thousand."). Die Epidemie von 1444 erwähnt er ebenfalls
("[...] over six thousand small children were affected.").
Die Konfusion ist also vollständig, wem soll man glauben
schenken?
- Drei dieser Ausbrüche fanden in der Toskana
statt: 1335 in Florenz und zwei im Jahre 1363 in Siena. Berichtet
wurde weiter von einer Pockenepidemie in Neapel 1336, einer in
Venedig von 1386, einer in Bologna 1393 und Florenz sah 1390 "pestilenzartige
Pusteln". (Carmichael, S. 155)
- "febbri, vajuoli, e pneumonili" (Corradi
Alfonso, Annali delle epidemie occorse in Italia, 1465, repr.
Bologna 1974, zitiert in: Carmichael, S. 156)
- Gottfried Robert, Epidemic disease in fifteenth-century
England, New Brunswick 1979, S. 51, S. 62 f. und S. 105, zitiert
in Carmichael, S. 156. Gottfried findet die "poxs" (also
nicht "smallpox", hier wohl noch im eigentlichen Sinn
als "Pusteln", "Ausschläge" zu verstehen)
von 1462 sehr zerstörerisch im nördlichen Teil des Landes.
Der Mortalitätsgipfel dieser Epidemie wird im Frühling
erreicht, was sehr uncharakteristisch für die Pest ist. Die
einzigen anderen schweren Epidemien nebst der Pest, welche er
im 15. Jahrhundert identifizieren konnte, waren "flux"
(Dysenterie), "sweat" und "French pox", also
vermutlich Syphilis.
- Die Morbiditätsziffer ist ein Ausdruck für
die Erkrankungshäufigkeit an einer bestimmten Ursache (Krankheit):
die während einer Periode an Ursache C Erkrankten pro 10'000
Personen der Bevölkerung dieser Periode. Altersspezifisch:
die während einer Periode an Ursache C Erkrankten im Alter
X pro 10'000 Personen der mittleren Bevölkerung im Alter
X dieser Periode (Hauser, S. 81).
- Carmichael, S. 156 f. Sie macht zusätzlich
die Einschränkung, dass zwar sowohl für Italien wie
auch Spanien recht gute Aufzeichnungen der Todesfälle verfügbar
sind, diese aber bezüglich der Pocken nicht sehr aufschlussreich
seien.
- Razzell [1977b], S. 113.
- Carmichael, S. 158.
- "[...] few [children] who had smallpox escaped,
and there were five or six thousand dead children, with many other
deads among adults." (ebd., S. 159)
- ebd., S. 159.
- Bohn, S. 8 f.
- vgl. ebd., S. 8, WHO, S. 229 und Kisskalt, S.
486. Kisskalt weist noch darauf hin, dass diese Pandemie in der
Literatur besonders hervorgehoben werde, so etwa in: Fossel, Puschmanns
Handbuch der Geschichte der Medizin, Jena 1903.
- Bohn (S. 8) machte nur einen Verweis auf Hildanus.
Eine Jahresangabe oder ein Quellenverweis fehlt jedoch.
- Bohn S. 9 f.
- Hopkins, S. 41.
- Bohn, S. 11. Dies nach Angaben von: Tissot August,
Lettre à M. de Haen sur l'inoculation, 1759.
- Bohn, S. 12. Einmal mehr fehlt eine genaue Quellenangabe.
Die Pocken und vor allem die "Pockenimpfung" waren Themen,
die in der Korrespondenz von Haller häufig zur Sprache kamen.
Behandelt wurden dabei vor allem die angewandte Methode der Inokulation,
deren Erfolg oder Misserfolg (beispielsweise bei einem Todesfall
eines französischen Offiziers durch Impfpocken. Dieser soll
jedoch in weniger als einem Tag mehr als 40 Birnen gegessen und
sich dadurch eine Darmstörung zugezogen haben), Sekundärfolgen,
einschränkende oder fördernde obrigkeitliche Vorschriften
bezüglich der Inokulation etc. Bei ausgebrochenen Pockenepidemien
konnte Haller jedoch nie Angaben über deren Ausmass machen
(vgl. Hintzsche, S. 26 ff., S. 107 f., 122 ff., 166 f., 177 ff.,
183 f., 239, 310 f., 352 f., 359 f.)
Vergeblich sucht man auch Anhaltspunkte in den Daten von BERNHIST
für die von Haller erwähnte blutige Epidemie von 1735,
da in BERNHIST erstmals 1746 in der Kirchgemeinde Biel eine die
Pocken betreffende Eintragung aufgenommen wurde.
- Die Angaben stammen aus den folgenden Werken:
Hopkins, S. 41 ff., WHO, S. 230 f. und Bohn, S. 11 ff.
- Rödel, S. 222.
Hinweise auf solche Massnahmen finden sich noch ca. ein Jahrhundert
später in der "Aktensammlung über das Auftreten
epidemischer Krankheiten in verschiedenen Gebieten des In- und
Auslandes". Diese Sammlung von Dokumenten umfasst die Jahre
1769 bis 1772 und enthält beispielsweise Berichte über
die angeblich in Marseille vorkommende Pest und aus diesen Informationen
induzierte Anweisungen (StAB B XI 175).
- Gins [1917], S. 3.
- Die Masern sind bezüglich Populationsdichte
und Verbreitungsmodus besser untersucht als die Pocken. So wird
eine minimale Bevölkerung von 200'000 bis 250'000 Bewohnern
angenommen, um endemische Masern zu unterhalten. Fenner vermutet,
dass diese Zahl für die Pocken noch niedriger anzusetzen
ist (Carmichael, S. 161).
- Als Vergleich: bei der schwersten bernischen
Epidemie des 19. Jahrhunderts, 1870/71 , hatten die Pockentoten
lediglich einen Anteil von 3,1% am Total aller Todesfälle
aufzuweisen (Siffert, S. 22).
- Carmichael, S. 161.
- McNeill schreibt, dass eine umfassende Demoralisierung
und widerstandslose Aufgabe des Lebenswillens durch die vernichtende
Wirkung der Pocken sicherlich eine grosse Rolle bei der Zerstörung
indianischer Gemeinschaften spielten. Die erste Begegnung ereignete
sich 1518, als die Pocken Hispaniola erreichten und die indianische
Bevölkerung mit derartiger Virulenz befiel, dass nur wenige
am Leben blieben, im Gegensatz zu den Spaniern, die grösstenteils
eine Immunität im Kindesalter in Europa erworben hatten.
Von Hispaniola kamen die Pocken 1520 nach Mexiko, genau in der
Phase der Eroberung, als Montezuma getötet worden war und
sich die Azteken zum Angriff auf die Spanier rüsteten. Die
Pocken wüteten jedoch mit grösster Heftigkeit in Tenochtitlan.
Der Führer des Angriffs und viele andere starben innerhalb
von Stunden, nachdem sie die Spanier schon zum Rückzug aus
der Stadt gezwungen hatten. Statt diesen Erfolg zu Nutzen und
die Handvoll Spanier hinwegzufegen, hätten die Pocken diese
Aktion nicht gelähmt, verfielen die Azteken in ohnmächtige
Untätigkeit und Cortez gelang es, in die Stadt zurückzukehren.
Aehnliches spielte sich beim Freibeuterzug Pizarros nach Peru
ab. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass sowohl die Spanier wie
auch die Indianer der einhelligen Meinung waren, dass epidemische
Krankheiten eine besonders schreckliche und eindeutige göttliche
Strafe waren. Wenn sich aber göttliche und natürliche
Ordnung so klar gegen die Tradition und den Glauben der Eingeborenen
richtete, welchen Sinn hätte dann noch der Widerstand gehabt?
Die ausserordentliche Leichtigkeit, mit der die Spanier ihre Eroberungen
durchführten, und der Erfolg einiger hundert Mann bei der
Erlangung der Kontrolle über solche riesigen Gebiete ist
auf jeder anderen Grundlage unverständlich (McNeill, S. 8
f., 233 ff.).
- Imhof [1977a], S. 38 f.
- vgl. Carmichael, S. 162 f. und Smith, S. 11 f.
- Wrigley Edgar und Schofield Roger, The population
history of England 1541 - 1871, Cambridge 1981, S. 166 ff.
- Hopkins, S. 74.
- vgl. Smith, S. 26 f. und McNeill, S. 281 f. Smith
erwähnt, dass an Orten mit endemischen Pocken beinahe alle
Einwohner spätestens im Alter von sieben Jahren diese Krankheit
durchgemacht haben (Smith, S. 63). Hopkins meint, dass in britischen
Städten, speziell in Glasgow, neun von zehn Personen, die
an Pocken starben, unter fünf Jahren alt waren (Hopkins,
S. 74). Gins schreibt, dass die meisten in London geborenen Kinder
innerhalb ihrer ersten sieben Lebensjahre die Pocken bekamen (Gins
[1917], S. 3).
- Carmichael, S. 163.
- Dies ist natürlich eine sehr grobe Annahme:
150'000 Pockenfälle in zehn Jahren sowie 10'000 Pockentote
in zehn Jahren ergeben eine Pockenletalität von 6,66%.
- McKeown vermutet - in Ermangelung an anderen
plausiblen Erklärungen -, dass es zu Veränderungen im
Charakter von Infektionskrankheiten kommen konnte. Die Beziehung
zwischen Mikroorganismen und Menschen sind ständig Wechseln
unterworfen aufgrund von natürlichen Selektionen sowohl beim
"Wirt" wie auch beim "Parasiten". Nach McKeown
gibt es kaum Infektionskrankheiten, welche über einen längeren
Zeitraum hinweg nicht Veränderungen erfuhren, dass beste
Beispiel in diesem Zusammenhang stellt der Scharlach dar, bei
welchem (analog zu den Pocken im 18. und 19. Jahrhundert) grosse
Unterschiede in der Mortalität des 19. und 20. Jahrhunderts
beobachtet wurden (McKeown Thomas, Food, Infection and Population,
in: Hunger and History, Cambridge 1985, S. 33).
- Sogar die Mutationstheorien der Polioviren lassen
sich heute nicht mehr empirisch belegen, auch wenn sich die Viren
in Teilen der dritten Welt erst nach 1950 verändert haben
sollen. Zu diesem Zweck hätten Polioviren in allen Teilen
der Welt vor 1950 gesammelt werden müssen, um sie danach
mit modernsten Methoden mit heutigen Viren zu vergleichen (Knolle
Helmut, Das Puzzle aus Hygiene, GIs und Polioviren, in: Die Weltwoche,
Nr. 12, 25. März 1993, S. 61 - 63).
- Smith, S. 32 f.
- 1778 starben gegen 2500 Menschen (12% aller Toten)
an den Pocken in London und 1780 waren es ungefähr 3500 (16,9%
aller Toten). In den zwei letzten Dekaden des 18. Jahrhunderts
erlagen mehr als 36'000 Personen den Pocken (Hopkins, S. 74 f.,
Prozentangaben in: WHO, S. 230).
- vgl. Smith, S. 40 ff. und McNeill, S. 280 ff.
- Nach der Verbreitung der Jennerschen Schutzimpfung
ab 1800 kam es zu einer Veränderung der von den Pocken betroffenen
sozialen Schichten in denjenigen Ländern, die die Impfung
nicht unentgeltlich durchführen liessen (v.a. Frankreich
und England, im Gegensatz zu verschiedenen deutschen Staaten).
Waren noch im 18. Jahrhundert alle Klassen mehr oder weniger gleichmässig
von den Pocken betroffen, waren nun in den Ländern ohne vom
Staat bezahlte Impfungen die Pockenfälle in erster Linie
in den unteren Schichten zu finden (WHO, S. 272).
- Hopkins, S. 81.
- Pfister [1988], Bd. 1, S. 121.
- Perrenoud, S. 193 f.
- WHO, S. 180, Hopkins, S. 8 f.
- In den fünf Dezennien 1810 bis 1860 blieben
die Jahrestemperaturen unter dem Mittel des 20. Jahrhunderts und
gemessen an der Dauer und der Grösse des thermischen Defizits
handelte es sich um die ausgeprägteste Kaltperiode seit 1520.
Und vom Niederschlagsgeschehen her gliederte sich die Periode
in eine Trockenphase zwischen 1810 und 1830 und eine Feuchtphase
von 1840 bis 1860 (Pfister [1988], Bd. 1, S. 131).
- ebd., S. 130.
- Ruffié und Sournia sprechen davon, dass
zur Verhinderung einer Epidemie nie die gesamte Bevölkerung
geimpft sein muss. Ein Schutz von 40% der Population sei genügend,
um die Ausbreitung der Pocken einzudämmen. Bei einem Anteil
von 60% soll die Krankheit keine Verbreitungschance mehr haben,
da die Bevölkerungsdichte für eine massive direkte Ansteckung
nicht mehr ausreiche (Ruffié, Sournia, S. 128).
Dem Teil ihrer Aussage, dass nie die ganze Bevölkerung eines
Schutzes bedarf, ist einwandfrei beizupflichten. Woher aber die
Prozentangaben stammen, wird nicht klar, da keine Fussnoten vorliegen
und auch das Literaturverzeichnis äusserst bescheiden ausgefallen
ist.
In der Monographie der WHO lassen sich für die Pocken keine
so genauen Angaben finden!
- Matzel, S. 7 f.
- Léon Gautier, La médecine à
Genève jusqu'à la fin du dix-huitième siècle,
Genf 1906, in: Senn-Schnyder, S. 23 f.
- Perrenoud, Fussnote 4, S. 197.
- Hopkins, S. 52. Korrekt wurden die prozentualen
Angaben übernommen: Wie Perrenoud kommt er auf das Resultat,
dass der Anteil der 0 bis 5-jährigen Kinder insgesamt 83,1%
aller Pockentodesfälle in Genf ausmachte.
Werden die Zahlen ausgezählt, erhält man für die
Dauer von 1581 bis 1760 ein Resultat von 6774 Pockentoten. Lotz,
der die Genfer Zahlen ebenfalls verwendet, kommt im Zeitraum von
1580 bis 1760 auf 6792 Pockentote (Lotz, S. 15).
- Hier wurden die Jahre 1615 und 1616 nicht mitgerechnet.
- Perrenoud gibt folgende Zahlen: Zwischen 1643
und 1655 um 13'000 Einwohner, um 1710 ca. 18'800 und 1740 22'100
(Perrenoud, S. 179).
- Perrenoud erwähnt in diesem Zusammenhang
v.a. die Zunahme der Mortalität in den Jahren 1685 bis 1689,
in denen viele protestantische Flüchtlinge nach Genf kamen
(ebd., S. 179.)
- ebd., S. 185.
- Um diese Hypothese zu verifizieren, sollte man
im Besitz der Daten über die betroffenen Altersklassen des
Jahres 1634 sein. Würde sie zutreffen, müsste der Anteil
der 5 bis 15-jährigen unter den Pockentoten signifikant grösser
sein als bei Ausbrüchen, welche sich im Vier- oder Fünfjahreszyklus
ereignen.
- Ob diese Zunahme der ständig vorkommenden
Pockenfälle einen Zusammenhang mit der Einführung der
Inokulation in Genf hat, ist nicht eindeutig zu belegen. Die Sorglosigkeit,
mit der bei der Inokulation vorgegangen wurde, lässt diese
Vermutung jedoch als nicht unmöglich erscheinen. Klebs erwähnt,
dass die erste Inokulation auf Schweizer Boden 1749 in Genf stattfand
und diese Methode 1752 schon eine beträchtliche Verbreitung
gefunden hatte: "Die Opposition war unbedeutend. Schon 1752
wurden Versuche an unehelichen Kindern im Spital gemacht und bald
nachher zu diesem Zwecke besondere Räume reserviert. Ranby,
der englische Chirurge, scheint auch um diese Zeit Genf besucht
zu haben, um zu impfen. 1754 kehrt Tronchin definitiv nach Genf
zurück. Sein Freund, Patient und Impfapostel Voltaire erscheint
auch mit seinem grossen Gefolge von Bewunderern. Genf wird ein
kleines Paris, und alle wollen von Tronchin inokuliert werden.
Der Zuzug von Fremden, die zu diesem Zweck nach der schönen
Stadt zogen, muss ein grosser gewesen sein. Es waren aber meistens
die Kinder reicher und vornehmer Leute, die geimpft wurden, dem
Volk bot die Impfung im Anfang wenig Nutzen. Es ist später
öfters bemerkt worden, wie wenig pockennarbige Gesichter
man unter den Genfer Patriziern zu sehen bekam. Mit der Einführung
der Suttonschen Methode durch Vieusseux 1773 [...] verallgemeinerte
sich die Praxis. Man sah aber bald auch gewisse Nachteile, als
sich die in der frischen Luft herumwandelnden Impflinge überall
zeigten. Der Rat der Zweihundert diskutierte die Sachlage; eine
besondere Impfanstalt wurde geplant und der Vorschlag gemacht,
Impflinge nur dann auf die Strasse zu lassen, wenn sie sich durch
ein besonderes Abzeichen kenntlich machten. Die Behörde war
aber im Ganzen sehr impffreundlich, sie ermunterte z.B. Aerzte
auch auf dem Lande, unter den Bauern die Impfung zu verbreiten."
(Klebs, S. 30 f.)
- 1700 bis 1749: 31 Jahre mit weniger als 10 Pockentoten
pro Jahr und 20,13% aller verzeichneten Pockentodesfälle
von 1581 bis 1812;
1650 bis 1699: 28 Jahre und 18,07% der gesamten Pockentoten;
1600 bis 1649 (1615/1616 nicht eingerechnet): 28 Jahre und 25,51%
der Pockentoten;
1581 bis 1599: 14 Jahre mit weniger als 10 Pockentoten jährlich
und 9,1% aller Pockentoten!
1800 bis 1812: 9 Jahre mit 4,92% (ohne Epidemie 1800: 1,92%).
- Perrenoud, S. 178 f.
- Lindskog, S. 168. Er stützt sich bei seiner
Aussage auf eigene Studien und folgende Publikationen: Svenska
Läkartidningen 73, 1976, S. 4576 sowie Harrison's Principles
of International Medicine, McGraw-Hill Inc., 1977, S. 1012.
- Turpeinen, S. 136 f.
- Einmal mehr wird also die These einer Veränderung
oder Verdrängung einer bestimmten Virusform bemüht.
Turpeinen schreibt, "man könnte sich vorstellen, dass
das Masernvirus im frühen 19. Jahrhundert tödlicher
wirkte als im 18. Es ist ja bis heute unklar, was die niedrige
Sterblichkeit von Kindern, die im 20. Jahrhundert von Masern befallen
werden, verursacht." (ebd., S. 136)
- Gins [1917], S. 135. Seine Angaben sind aus folgendem
Werk entnommen: Petersson, Annales de l'institut Pasteur, 1912.
- vgl. Ruffié, Sournia, S. 128.
- Gins [1917], S. 137 f.
- Anteil der Pockentoten am Total aller Todesfälle
in Finnland (nur Jahre mit Werten über 20%):
1754: 23,2%
1756: 24%
1762: 20,5%
1763: 27,8%
1770: 21,2%
1744: 24,8%
1803: 25%
(Turpeinen, Tabelle 5 und 6)
- Aus zeitgenössischen Berichten und späteren
Untersuchungen geht hervor, dass die Variolation in Finnland hauptsächlich
im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts praktiziert worden ist
(Turpeinen, S. 135).
- ebd., S. 139.
- ebd., S. 140.
- Moehsen, Sammlung merkwürdiger Erfahrungen,
die den Wert und grossen Nutzen der Pocken-Inokulation näher
bestimmen können, Lübeck 1774, zitiert in: Gins [1917],
S. 5.
- ebd., S. 7.
- Es wurden vor dem 19. Jahrhundert zwar Totenrödel
und andere Verzeichnisse mit Angaben über die Todesursache
und das Alter der Verstorbenen geführt, was aber noch lange
nicht heissen will, dass diese Eintragungen nach der Niederschrift
noch einmal reflektiert wurden. Wie schon erwähnt, stieg
das Interesse an wissenschaftlichen statistischen Auswertungen
erst im Verlaufe des 18. Jahrhunderts, verarbeitet wurden jedoch
vorwiegend diejenigen Daten, die von den Behörden und Institutionen
selbst erhoben wurden und nicht die Zahlen, welche noch in den
Archiven schlummerten.
- Gins vermutet, dass es sich dabei wahrscheinlich
um Brechdurchfall handelt.
- Turpeinen, S. 136 f.
- Kisskalt, S. 485.
- WHO, S. 195.
- Hopkins S. 52.
- In der Folge wurden während solchen epidemischen
Zeiten wegen der bestehenden Ansteckungsgefahr viele Märkte
aufgehoben oder nicht durchgeführt, was bis zum Ruin von
Händlern und Wirten führen konnte (Smith, S. 21 ff.).
- ebd., S. 63 ff.
- Bohn, S. 38 ff.
- Wernher, S. 81 f.
- Lotz, S. 14.
- Ruesch, S. 408.
- ebd., S. 409 ff.
- Sorgésa Beatrice, Contribution à
l'étude de l'évolution des structures familiales
de l'époque protoindustrielle à l'ere industrielle
(Fleurier 1727 - 1914), Diss. phil. (Typoskript), Neuchâtel
1991, Kap. 4., S. 3 ff.
Diese Zusammenstellung stellt einen Vergleich von Jahren mit einer
Uebersterblichkeit zwischen Fleurier, Vallorbe und Pays d'enhaut
dar. Teilweise werden die betroffenen Bevölkerungsgruppen
mit der Ursache des Todes genannt:
1731 herrschen in Vallorbe die Pocken, betroffen sind vor allem
Kinder.
1737 werden in Vallorbe bei Kindern Pocken vermutet.
1742 herrschen in Vallorbe unter Kindern die Pocken.
1747 kommen in Pays d'enhaut die Pocken vor.
1754 sind in Vallorbe sowohl Kinder wie auch Erwachsene von den
Pocken betroffen.
1763 leiden Kinder und Erwachsene an den Pocken in Vallorbe.
1773 befallen in Vallorbe die Pocken Kinder und Jugendliche.
1777 sterben in Fleurier vorwiegend Kinder bis fünf Jahre
(evt. Pocken).
1783 sterben zwischen Juni und August viele Kinder (dabei könnte
es sich um die Pocken handeln).
1788, von August bis Dezember, sterben wiederum Kinder in Fleurier.
1791 sterben von März bis Juni Kinder in Fleurier und in
Vallorbe herrschen die Pocken.
- ebd., Kap. 4, S. 34.
- Rödel, S. 213 f.
- ebd., S. 213.
- ebd., S. 222 f.
- So vermutet er 1738 anhand des Verhältnisses
von 364 gestorbenen Erwachsenen zu 574 gestorbenen Kindern eine
Pockenepidemie. Ebenso 1750, als 691 (61%) Kinder und 445 (39%)
Erwachsene starben. Weiter nimmt er für 1753 bei einer Relation
von 62% gestorbenen Kindern zu 38% gestorbenen Erwachsenen ebenfalls
das Vorhandensein einer Pockenepidemie an. Auch 1766 vermutet
er anhand der hohen Spitze in der Mortalitätskurve ein erneutes
Auftreten der Pocken. Ein weiterer Grund, der für diese Annahme
spricht, ist, dass dieses Maximum der Sterblichkeit allein durch
die grosse Anzahl der gestorbenen Kinder hervorgerufen wurde,
denn die Anzahl der verstorbenen Erwachsenen hielt sich im normalen
Rahmen. Auch 1770, 1774, 1782 und 1788 sind Jahre, in welchen
der Anteil der gestorbenen Kinder mit 55 bis 58,5% deutlich erhöht
war. Lediglich für 1774 fand sich ein konkreter Hinweis in
den Kirchenbüchern, der die Annahme einer herrschenden Pockenseuche
bestätigt. 1782 sprechen zusätzlich die vielen verstorbenen
Kinder unter fünf Jahren für den Ausbruch einer Pockenepidemie
(ebd., S. 242 ff.).
- Norden, S. 82.
- ebd., S. 85.
- Bei der Analyse der Kindersterblichkeit behilft
sich die Historische Demographie in Ermangelung von Zählergebnissen
mit der Methode, die Sterbfallhäufigkeit statt auf die Anzahl
der tatsächlich lebenden auf die Zahl der jeweils geborenen
Kinder zu beziehen (d.h. vielfach sind auch Totgeburten in diesen
Werten enthalten) und in Prozenten dieser Bezugsgrösse auszudrücken
(ebd., S. 58).
- Erste Impfungen, die zudem kostenpflichtig waren,
wurden 1806 im grösseren Stil durchgeführt. Das Impfwesen
im Departement Wesermündung wurde aber erst zur Zeit der
französischen Besatzung (1810 bis 1813) straff organisiert.
Trotzdem trat nach Angabe von Norden zwischen 1803 und 1820 kein
Pockenfall auf (ebd., S. 83)!
- Hinrichs E. und Norden W., Demographische Strukturen
in zwei Oldenburger Landgemeinden (1700 bis 1850), in: dies.,
Regionalgeschichte - Probleme und Beispiele, Hildesheim 1980,
zitiert in: Norden, S. 61.
- Burri H.-R., Die Bevölkerung Luzerns im
18. und frühen 19. Jahrhundert, Luzern 1975, zitiert in:
Norden, S. 61.
- BA B 1135 f.
- StAB B XI 160.
- BA B 1135 f.
- BA B 1135 e.
- BA B 1135 f.
- Die folgenden Ortschaften waren betroffen:
Thun: 61 Kranke (0 über 10 Jahre, 61 unter 10 Jahre) und
19 Tote (0/19)
Ringgenberg: 58 (0/58) und 20 (0/20)
Grindelwald: 30 (21/9) und 9 (6/3)
Lauterbrunnen: 4 (0/4) und 2 (0/2)
Spiez: 8 (0/8) und 3 (0/3)
Aeschi: 63 (4/59) und 23 (1/22)
Reichenbach: 22 (2/20) und 17 (1/17)
Frutigen: 32 (10/22) und 10 (3/7)
Adelboden: 6 (0/6) und 2 (0/2)
Diemtigen: 3 (0/3) und 0
Boltigen: 1 (0/1) und 0
- BA B 1135 f.
- BA B 1135 f. Erfasst wurden lediglich die Verstorbenen
ohne die Todesursache zu berücksichtigen. Die Aufstellung
ist jedoch sehr detailliert. Unterteilt wurde in folgende Kategorien:
Zwei Hauptgruppen: "Kinder unter 10 Jahren" und "Erwachsene
über 10 Jahre". In jeder dieser zwei Hauptgruppen wurde
unterschieden zwischen "Bürger" und "Aussere",
diese wurden wiederum nach "Knaben" und "Mädchen"
bzw. "Männer" und "Weiber" aufgesplittert.
- Erwachsene über 10 Jahre:
Bürger, Männer: 1796: 22 Tote; 1797: 28 Tote; 1798 (1.
Hälfte): 25 Tote
Bürger, Weiber: 1796: 57 Tote; 1797: 32 Tote; 1798 (1. Hälfte):
34 Tote
Aussere, Männer: 1796: 137 Tote; 1797: 98 Tote; 1798 (1.
Hälfte): 141 Tote
Aussere, Weiber: 1796: 146 Tote; 1797: 120 Tote; 1798 (1. Hälfte):
72 Tote
Kinder unter 10 Jahren:
Bürger, Knaben: 1796: 21 Tote; 1797: 12 Tote; 1798 (1. Hälfte):
39 Tote
Bürger, Mädchen: 1796: 8 Tote; 1797: 15 Tote; 1798 (1.
Hälfte): 37 Tote
Aussere, Knaben: 1796: 40 Tote; 1797: 45 Tote; 1798 (1. Hälfte):
101 Tote
Aussere, Mädchen: 1796: 67 Tote; 1797: 42 Tote; 1798 (1.
Hälfte): 119 Tote
- Bei einer angenommenen Letalität von 33%,
wie sie für die Epidemie von 1798 im Kanton Oberland für
die unter 10 Jahre alten Kinder berechnet wurde, ergäbe dies
insgesamt 163 Pockenfälle für Lausanne.
- 1776 herrschte im Frühling schon in Morges
und Umgebung eine Pockenepidemie. Leider ist hier das Alter der
Kranken nicht aufgezeichnet, vermutlich weil zu viele Personen
von den Pocken befallen waren, was wiederum dem zuständigen
Arzt wegen des dadurch entstandenen grossen Arbeitsaufwandes das
Führen einer genauen Kontrolle verunmöglichte. Insgesamt
wurden 896 Kranke gezählt, 122 Menschen starben, 724 konnten
geheilt werden und von 50 ist der Ausgang unbekannt (StAB B XI
160).
Ziemlich sicher handelt es sich angesichts der geographischen
Nähe (und der Verkehrswege entlang des Genfersees) von Morges
und Lausanne um dieselbe Epidemie, die im August 1776 Lausanne
erreichte und sich 1777 eventuell auch in Bern manifestierte (in
Genf brachen 1776 die Pocken ebenfalls aus und verursachten 210
Todesfälle, was einem Anteil von 24% am Total aller Verstorbenen
entsprach).
- Rellstab, Tabelle 1 und 5.
Von ursprünglich 2797 Erkrankungen sind immerhin 2159 für
die Auswertung bezüglich der Altersverteilung verwendbar.
- Flügel, S. 24. Mehr als diese allgemein
gehaltenen Aussage liegt für die Altersverteilung bei dieser
Epidemie nicht vor.
- vgl. Fussnote 210 und Imhof [1981], S. 43 f.
- Der Sanitätsrat erhielt am 20. Marty 1777
davon Bericht, dass es in Lausanne, Murten und Vitris im Anschluss
an Inokulationen zu Epidemien kam, "alwo bey 60, und mehr
Kinder in kurzer Zeit an diesen Orten verstorben sind." (StAB
B XI 160)
- Der Sanitätsrat liess am 28. September 1773
das "Publicum anmahnen": "Wer Kindern wolle die
Blattern einpfropfen lassen, dass dieselben ihre Kinder bis zur
völligen Genesung innbehalten." (StAB B XI 160) Am 21.
Dezember 1782 wurde bezüglich der Pocken folgendes publiziert:
"Kinderblattern: Kinder die dieselben überstanden, dennoch
aber davon nicht vollkommen gereiniget sind, sollen bey Haus behalten
werden." (StAB B XI 318)
- Datenedition BERNHIST.
- Dafür sprechen auch die Bevölkerungszahlen
des Kantons Bern:
1700 ca. 170'000 Einwohner
1730 ca. 193'000 Einwohner
1764 ca. 202'000 Einwohner
1798 ca. 244'000 Einwohner
1818 ca. 298'000 Einwohner
1837 ca. 374'000 Einwohner
1846 ca. 401'000 Einwohner
1850 ca. 413'000 Einwohner
1856 ca. 403'000 Einwohner
1860 ca. 420'000 Einwohner
1870 ca. 450'000 Einwohner
1880 ca. 478'000 Einwohner
1888 ca. 483'000 Einwohner
1900 ca. 532'000 Einwohner
Endemische Pocken sind zwar bei einer Bevölkerungsgrösse
um ca. 200'000 Personen möglich, doch in diesem Fall dürfte
sich die Population nicht auf ein so grosses Gebiet wie den Kanton
Bern verteilen, sondern müsste sich in städtischem Gebiet
auf kleinem Raum aufhalten! Gegen die Annahme endemischer Pocken
im Amt (Amt) Bern und vor allem auch in der Kirchgemeinde (Kgde)
Bern (mit Bümpliz) sprechen allein schon die Einwohnerzahlen:
1700: Amt: 21'723 Kgde: 14'219
1730: Amt: 24'387 Kgde: 15'932
1764: Amt: 23'775 Kgde: 14'515
1798: Amt: 24'490 Kgde: 12'186
1818: Amt: 33'867 Kgde: 18'997
1837: Amt: 43'786 Kgde: 24'362
1846: Amt: 47'776 Kgde: 27'132
1850: Amt: 50'660 Kgde: 29'700
1856: Amt: 49'000 Kgde: 28'386
1860: Amt: 52'324 Kgde: 31'050
1870: Amt: 59'810 Kgde: 37'548
1880: Amt: 69'399 Kgde: 45'743
1888: Amt: 71'697 Kgde: 48'605
1900: Amt: 92'385 Kgde: 67'550
(Bevölkerungszahlen aus: Datenedition BERNHIST)
Smith erwähnt den expandierenden englischen Industrieort
Warrington und die Stadt Kilmarnock, wo es zu verschiedenen Ausbrüchen
der Pocken während dem 18. Jahrhundert kam. Dabei waren in
den seltensten Fällen Menschen im Alter über 10 Jahre
betroffen. Unklar ist aber, ob es sich dabei um endemische Pocken
handelte oder nicht. Smith ist der Meinung, dass wenn es tatsächlich
nicht durch endemische Pocken verursachte Todesfälle waren,
es zu häufigen Einschleppungen gekommen sein muss (Smith,
S. 63).
- Smith schreibt dazu, dass die Proportion der
nichtimmunen zu den immunen Einwohner und der Altersbereich der
potentiellen Leidenden an Orten mit nichtendemischen Pocken anwachsen
sollte, wenn die Intervalle zwischen den Einschleppungen länger
werden (Smith, S. 63 f.).
- StAB B XI 160.
- Reust, S. 82.
- In der Stadt Bern erkrankten 1778 910 Personen
an der Roten Ruhr, davon verstarben 58 (ebd., S. 81 f).
- StAB B XI 160.
- Dafür spricht auch, dass am 22. August und
am 17. Dezember 1778 den Geistlichen der Heilig Geist- und der
Nydegggemeinde ausdrücklich für ihre zusätzliche
Arbeit gedankt wurde (und nicht schon im Frühling oder Frühsommer),
weil "in diesen Gemeinden diese Krankheit zum meisten grahsiert
hat." (Reust, S. 82)
- StAB B XI 160.
- Die Anweisung vom 21. Dezember 1782, die Erwähnung
eines "Consultum Medicum über die Einpfropfung"
am 13. Februar 1783 (StAB B XI 318) und das vom Landarzt von Aubonne
vorgeschlagene und am 10. September 1781 verworfene Projekt zur
"Hemmung der Poken" (StAB B XI 160).
- vgl. Kap. 3.2.
- vgl. Fussnote 232.
- vgl. Kap. 4.3.1.
- Aus der Datenedition BERNHIST liegen für
folgende Kirchgemeinden Angaben vor:
1797: Meiringen: Blattern.
1798: Bolligen: 14 Blatterntote, Kriegstote; Utzenstorf: 3 Pockentote;
Aeschi: an Kindsblattern 42 Kinder und 1 Tochter; Reichenbach
27 Blatterntote; Brienz: viele Kleinkinder; Grindelwald: viele
Kinder im Sommer (evt. Ruhr?); Lauterbrunnen: Kinderblattern;
Ringgenberg: Kinder und Kleinkinder; Meiringen von 143 Toten 103
Kinder an Blattern; Signau: viele Kinder an Kindsblattern, vor
allem im November und Dezember; Blumenstein: äusserst viele
Kinder sind gestorben; Schwarzenegg: Pocken.
1799: Aarwangen: 44 Kinder sind gestorben; Bolligen: 27 Blatterntote;
Bümpliz: Kinderblattern; Vechigen: Pocken; Oberburg: 36 Pockenfälle;
Limpach: 11 Pockentote von 16 Toten; Utzenstorf 11 Pockentote;
Beatenberg: von 35 Toten sind 21 Kinder und 7 Säuglinge;
Unterseen: Kleinkinder und Säuglinge; Signau: von 153 Toten
90 an Kinderblattern von Januar bis April; Reutigen: Kindsblattern;
Schwarzenegg: Pocken; Steffisburg: von 168 Toten 67 Kinder an
Blattern; Wangen: Blattern.
- Beispielsweise war der Kanton Neuenburg nach
einer Periode von zehn Jahren ohne Pockentote nach dem Durchmarsch
der alliierten Truppen 1815 wieder von einer Epidemie betroffen,
dasselbe geschah 1871 nach der Passage der Bourbakiarmee, welche
sich in der Schweiz internieren liess (vgl. Guillaume, Recherches
sur le mouvement de la population dans le canton de Neuchâtel
de 1760 à 1875, in: Zeitschrift für Schweizerische
Statistik, 12. Jg., Bern 1876, S. 37). Diese Aufnahme der französischen
Ostarmee 1871 verursachte ebenfalls im Kanton Bern eine Epidemie
(vgl. Siffert, S. 18 ff.).
- vgl. Merz Hermann, Wie man im 17. und 18. Jahrhundert
gegen die Seuchen kämpfte, in: Blätter für bernische
Geschichte, Kunst und Altertumskunde, 15. Jg., Bern 1919, S. 18
- 30.
- Zu unterscheiden ist zwischen "Krisenmortalität"
("mortalité de crise") und "Mortalitätskrisen"
("crise de mortalité"). Bei der Krisenmortalität
handelt es sich in der Regel um die Auswirkungen von sogenannten
Subsistenzkrisen. Die Verminderung des quantitativen und qualitativen
Nahrungsangebotes aufgrund einer Missernte hatte nicht nur eine
Erhöhung bestimmter, im wesentlichen mit den verschlechterten
Ernährungsbedingungen zusammenhängenden Krankheiten
wie Ruhr oder Bauchtyphus zur Folge, sondern sie führte gleichzeitig
zu einem Rückgang der Fruchtbarkeit (durch vorzeitige Auflösung
von Ehen wegen Todesfall oder dem Ausbleiben der Ovulation, der
sogenannten Hunger-Amenorrhöe), was das Geburtendefizit noch
erhöhte.
Mortalitätskrisen wurden dagegen meistens durch seuchenbildende
Infektionskrankheiten verursacht, die wenig mit einem Mangel an
Subsistenzmitteln zu tun hatten, dafür beispielsweise mehr
mit mangelnder Hygiene. Diese Krankheiten suchten meist Menschen
im noch nicht oder nicht mehr fruchtbaren Alter heim (Imhof [1981],
S. 202).
- Dupâquier, S. 177 f.
- Pfister [1989], S. 356.
- vgl. Sonderegger Christian, Die Grippeepidemie
1918/19, Lic. phil., Bern 1991.
- Pfister [1989], S. 354 f.
- ebd., S. 354 f. 1793 werden 4350 und 1794 3667
Ruhr-Kranke erwähnt. StAB B XI 317 berichtet über eine
Ruhrepidemie der Jahre 1795/96.
- In Siselen starben 1770 von 47 Personen immerhin
36, die unter acht Jahre alt waren, an den Pocken, in Gsteig waren
von 121 Toten 85 Kinder mit Pocken und in Oberwil waren von 33
Toten 22 Kinder mit Pocken. 1788 starben in Ins von 74 Menschen
30 an den Pocken, in Meiringen von 90 62 Kinder an den Blattern,
in Signau von 29 11 an Pocken etc. (Datenedition BERNHIST)
- WHO, S. 199 f.
- Und die zudem dokumentiert sein sollten, da,
wie Imhof schreibt, "Katastrophen aller Art seit jeher quellenfreundliche
Ereignisse [waren], was dem Historiker die Arbeit erleichtert."
(Imhof [1981], S. 201)
- ebd., S. 31.
- So ist in den 1760er Jahren die Kindersterblichkeit
(0 bis 14 Jahre) in der Stadt Bern mit 37% (Reust, S. 63) im Vergleich
mit anderen Städten (bspw. Luzern 1760 bis 1769: 46%) relativ
niedrig und die These "two births were necessary to produce
an adult" hat nur beschränkte Gültigkeit.
- 1737 (12,4% Anteil, absolut: 107 Pockentote)
1742 (21,9% Anteil, absolut: 183 Pockentote)
1750 (11,3% Anteil, absolut: 98 Pockentote)
1754 (15,9% Anteil, absolut: 130 Pockentote)
1759 (19,5% Anteil, absolut: 172 Pockentote)
1764 (17,4% Anteil, absolut: 168 Pockentote)
1771 (10,5% Anteil, absolut: 78 Pockentote)
1776 (24% Anteil, absolut: 210 Pockentote)
1777 (9,8% Anteil, absolut: 87 Pockentote)
1778 (10,2% Anteil, absolut: 83 Pockentote)
1780 (9,6% Anteil, absolut: 84 Pockentote)
1787 (10,7% Anteil, absolut: 92 Pockentote)
1800 (26,7% Anteil, absolut: 259 Pockentote)
1808 (8,7% Anteil, absolut: 77 Pockentote)
- StAB B XI 318, im Oktober 1787: "Es haben
MeHgHH die Gesundheits-Räthe bey gegenwärtiger Epidemie
der Kinderblattern beobachtet, dass die mit derselben behafteten
Kinder sich offensichtlich auf den Spaziergängen und in den
Lauben zeigen. Damit nun das Publicum vom Schreken dieser Epidemie
und derselben Folgen gesichert werde: so verbieten Wohldieselben
allen Haus Vatern, so dergleichen mit den Blattern behaftete Kinder
haben, solche weder in den Lauben noch auf den Spaziergängen
herum gehen zu lassen."
- Hier äusserte sich die Epidemie erst 1801
und verursachte 254 Todesfälle, was einem Anteil von 21%
an sämtlichen Todesfällen dieses Jahres entsprach (Guillaume,
Tab. XIII, S. 47).
- Reust, S. 43.
- 1768 ist - zumindest in der Stadt Bern - eine
Ruhrepidemie ausgebrochen (ebd., S. 81).
- So ist zu erfahren, dass sich drei Pockenfälle
"böser Art" im Amt Thorberg vom "Hornung bis
May" 1768 ereigneten (StAB B XI 176). Nach mündlicher
Mitteilung von Prof. Christian Pfister sollen zudem in einzelnen
Kirchgemeinden des Berner Oberlandes ebenfalls die Pocken ausgebrochen
sein.
- Guillaume, S. 37.
- 1812 berichtet der damalige Oberimpfarzt Dr.
Lutz: "Im Jahre 1812 herrschte während mehreren Monaten
so wie in den beyden vorangegangenen Jahren die wahren Poken in
den meisten Gegenden des Cantons." (StAB B XI 370)
- Auch wenn die Ruhr als typische Kleinkinderseuche
bezeichnet wird und in der Regel zwei Drittel der Todesfälle
auf Menschen in diesem Lebensabschnitt entfallen (vgl. Pfister
[1989], S. 355 f.).
- So schreibt beispielsweise auch Albrecht von
Haller am 24. März 1754 in einem Brief an August Tissot:
"Quoique la maladie [gemeint sind die Pocken] soit moins
mauvaise qu'en Angleterre, elle l'est assés dans de certaines
années." (Hintzsche, S. 26)
- McKeown kommt zum Schluss, dass:
- therapeutische und immunisierende ärztliche Massnahmen
wie die Pockenimpfung vor dem 20. Jahrhundert - wenn überhaupt
- nur unwesentlich zur Verlängerung der Lebenserwartung beigetragen
haben
- das Absinken der allgemeinen Mortalität während dem
18. und 19. Jahrhundert nicht auf das Verschwinden einer einzelnen
Krankheit zurückgeführt werden kann.
McKeown stellt Verbesserungen des Ernährungsstandards in
den Vordergrund, welche die Resistenz gegen Infektionen verbesserten
(McKeown, S. 29 ff.)
- Dies in Anlehnung an Hopkins (S. 32), der folgendes
schreibt: "By the end of the seventeenth century, Variola
major had clearly succeded plague, leprosy and syphilis as the
continent's foremost pestilence. Typhus, dysentery and plague
were still common killers of Europeans, but smallpox was now the
most common."
- StAB B XI 104.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
Müller, S. 18, erwähnt, dass um den Mai 1812 "eine
schwere Pockenepidemie ausbrach". Dabei gehörte der
damals elfjährige Emanuel Eduard Fueter, welcher unter anderem
von 1833 bis 1847 Mitglied des Sanitätskollegiums war, zu
den Erstbetroffenen. Müller schreibt: "Die Eltern, befangen
durch Vorurteil gegen Dr. Jenners Entdeckung der Pockenschutzimpfung,
hatten sich geweigert, ihren einzigen Sohn impfen zu lassen, der
nun diese schwerwiegende Unterlassung beinahe mit dem Verlust
seines Augenlichts büssen musste. Am Rande des Grabes überwand
der kleine Eduard die Krise, doch die gesunden Kräfte wollten
nicht zurückkehren. Die Augen hatten einen dauernden Schaden
davongetragen."
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- StAB B XI 370.
- ab 1831 sind, wenn nicht anders vermerkt, sämtliche
Angaben dem Staatsverwaltungsbericht des jeweiligen Jahres entnommen.
- Flügel, S. 18.
- ebd., S. 19 f.
- ebd., S. 24.
- ebd., S 18 f.
- Rellstab, S. 10 f., Tab. 1.
- vgl. dazu auch: Mittheilungen des bernischen
statistischen Bureaus, Jg. 1900, Lieferung I, S. 71 und Dutoit
Charles, Bericht über die Blatternepidemie während des
Jahres 1881, S. 11 f.
- Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus,
Jg. 1887, Lieferung II, Tab. XIX, S. 53.
- ebd., Tab. XIX, S. 53.
- ebd., Tab. XIX, S. 53.
- ebd., Tab. XIX, S. 53.
- Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus,
Jg. 1892, Lieferung II, Tab. XIX, S. 50.
- Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus,
Jg. 1900, Lieferung I, S. 71.
- ebd., S. 71. Für die Epidemie dieser Jahre
auch: Bemerkungen zur Blattern-Statistik 1891 und 1892 (Autor
unbekannt), Bern 1893.
- Mittheilungen des bernischen statistischen Bureaus,
Jg. 1900, Lieferung I, S. 71 und Dutoit Charles, Bericht über
die Blatternepidemie des Jahres 1894, Tab. I.
- "Die zahlreichen Flüchtlinge aus dem
Elsass und Burgund brachten ferner die Blattern in den Amtsbezirk
Pruntrut." Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1870,
S. 396.
- vgl. Matzel, S. 19 ff.
- Siffert, S. 18 ff.
- Auszählen aufgrund quantitativer Angaben,
ohne Einbezug narrativer Erwähnungen wie "viele Tote",
"einzelne Tote" etc. liessen sich von 1804 bis 1900
922 Pockentote!
- Datenedition BERNHIST. Von 1804 bis und mit 1900
werden 899'906 Tote für den Kanton Bern ausgewiesen.
- Gubler, S. 11.
- Bei endemischem Vorkommen ist die Chance minim,
bis zum Alter von 20 und mehr Jahren den Pocken zu entgehen.
- Aus diesem Grund sollten auch eher die männliche
als die weibliche Bevölkerung betroffen gewesen sein. Wobei
die Frauen dann zu Hause von ihrem heimkehrenden Mann wiederum
angesteckt werden konnten.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1856,
S. 31.
- Beispielsweise schreibt Rellstab in seinem Bericht
über die Epidemie von 1871/72: "Die Ansteckung geschah
also im Anfang durch Einschleppung von Frankreich her, meist durch
Personen, aber auch durch Gegenstände; so sind von mehreren
Orten her aus Fabriken die Lumpen oder andere Waaren als Quelle
der Ansteckung angegeben worden." (Rellstab, S. 3) Im Staatsverwaltungsbericht
für das Jahr 1870, S. 396, ist folgendes erwähnt: "Im
April und Mai erkrankten fast gleichzeitig in einer Kunstwollefabrik
in Burgdorf und deren Filialen in Sumiswald und Rügsau mehrere
Arbeiter und Arbeiterinnen, besonders solche, welche das Zerreissen
von wollenen Lumpen besorgten. Diese waren hauptsächlich
aus Frankreich (Paris) bezogen worden, wo damals bekanntlich die
Blattern stark regierten." Staatsverwaltungsbericht für
das Jahr 1873, S. 285: "Die zweite Einschleppung erfolgte
wiederum durch Lumpen der Kunstwollefabrik von Hubler und Schafroth
in Burgdorf und hatte 3 Erkrankungen zur Folge." Staatsverwaltungsbericht
für das Jahr 1874, S. 430: "Am 2. April erkrankte in
Bern eine Bettwaarenhändlerin, offenbar angesteckt durch
einen von Frankfurt a.M. bezogenen Transport Bettfedern aus Ungarn."
- Sich über die föderalistische Vielfalt
der Regelung des Impfwesens und dessen häufige Aenderungen
über das ganze Jahrhundert hinweg einen Ueberblick zu verschaffen,
ist beinahe unmöglich. Lange Zeit wurde vor allem in den
West- und Zentralschweizerkantonen in dieser Hinsicht nichts unternommen.
1880 war die Situation folgendermassen: Die Impfung war in sämtlichen
Kantonen der Schweiz obligatorisch, ausser in Uri, Glarus (Obligatorium
1876 aufgehoben) und Genf. Mit Ausnahme von Freiburg durfte die
Impfung nur von Aerzten vorgenommen werden. Die Revaccination
war in folgenden Kantonen obligatorisch: Freiburg, Baselstadt
und Graubünden. Bei Ausbruch von Epidemien konnte sie zudem
in den Kantonen Zürich, Zug, Aargau, Neuenburg und Solothurn
angeordnet werden (Lotz, S. 40 f.). 1882 wurde in Zürich
der Impfzwang abgeschafft (Gubler, S. 38). Wann jedoch in den
einzelnen Kantonen das Obligatorium eingeführt wurde, wie
lange dieses Bestehen blieb und wie restriktiv es durchgeführt
wurde, ist mir nicht bekannt.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1865,
S. 83.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1868,
S. 293.
- Staatsverwaltungsbericht für das Jahr 1886,
S. 124.
- In diesem Sinn sind auch die Kampagnen gegen
die Quacksalber und Kurpfuscher in der Zeit um 1840 und 1850 zu
verstehen.
- Das Statistische Jahrbuch für den Kanton
Bern, Jg. VI und VII für 1871 und 1872, S. 232 f., hält
in diesem Zusammenhang fest: "Bei Beurtheilung des Jahres
1871 darf nun allerdings nicht ausser Acht gelassen werden, dass
die Sterblichkeit im Kanton Bern schon seit frühern Jahren
im Zunehmen begriffen ist und zwar ziemlich rasch. Die Bewegung
des Jahres 1871 sowohl als die des Jahres 1870 kann somit allerdings
nur als ein Weiterschreiten einer allgemeinen und schon längerer
Zeit vorhandenen Erscheinung betrachtet werden. Doch ist die Ansicht
gerechtfertigt, dass in diesen beiden Jahren der deutsch-französische
Krieg, die daherigen Truppenaufgebote und die grössere Schwierigkeit
der Existenz, infolge der Stockung vieler Industrien, für
die ärmern Arbeiterklassen nicht ohne Einfluss auf die Vitalität
unserer Bevölkerung geblieben ist. [...] Ein wichtiges Indiz
bei dieser grössern Sterblichkeit bildet nun der Umstand,
dass die Vermehrung auf die Jahre des kräftigsten Alters
von 20-40 fällt, während die Sterblichkeit der Einwohner
unter 20 Jahren erheblich geringer ist und sogar die Kindersterblichkeit
eine günstigere Ziffer zeigt. [...] dass die Kindersterblichkeit,
welche mit der wachsenden Gesammtsterblichkeit erheblich gestiegen
ist und 1870 die bedeutende Höhe von 24,1% der Gestorbenen
oder 19,2% der Lebendgeborenen erreicht hat, im Berichtjahr ziemlich
gesunken ist und eine sehr ausgesprochene Neigung zur Abnahme
gezeigt hat."
Werden die Todesursachen des Jahres 1871 in der Gemeinde Bern
aufgeschlüsselt (vgl. Schärer Ernst, Statistik der Todesfälle
in Bern in der fünfjährigen Periode 1871 - 1875, Bern
1884), ergibt sich folgendes Bild (insgesamt starben 1280 Personen):
19,1% an Tuberkulose
18,5% an Krankheiten der Atmungsorgane
11,7% an akuten Infektionskrankheiten (wobei an 1. Stelle Typhus,
an 2. Stelle Scharlach und erst an 3. Stelle die Pocken erscheinen)
9,7% an Krankheiten der Verdauungsorgane
7,6% an übrigen chronischen Infektionskrankheiten
7,2% an Krankheiten des Nervensystems
5,1% an Krankheiten der Kreislauforgane
4,8% an Lebensschwäche und Bildungsfehlern
4,8% an Gewalteinwirkung
3,7% an Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane
2,6% an Altersschwäche, 1,1% an unbekannter Ursache, 0,7%
an Krankheiten des Haut- und Bindegewebes.